«Ich müsste mir das ernsthaft überlegen»
28.03.2024 NusshofGesucht sind zwei Kandidaten – springt abtretender Gemeindepräsident notfalls ein?
Erst ein Sitz ist im dreiköpfigen Gemeinderat von Nusshof nach dem ersten Wahlgang besetzt. Der abtretende Gemeindepräsident Rolf Wirz hat aktuell Hoffnung, dass sich zwei Kandidaten ...
Gesucht sind zwei Kandidaten – springt abtretender Gemeindepräsident notfalls ein?
Erst ein Sitz ist im dreiköpfigen Gemeinderat von Nusshof nach dem ersten Wahlgang besetzt. Der abtretende Gemeindepräsident Rolf Wirz hat aktuell Hoffnung, dass sich zwei Kandidaten melden. Notfalls würde er über ein begrenztes Weitermachen nachdenken, falls er gegen seinen Willen nochmals gewählt würde.
David Thommen
Herr Wirz, Sie traten bei der Gesamterneuerungswahl vom 3. März nicht mehr an – und erhielten dennoch Stimmen knapp unter dem absoluten Mehr. Unsere Prognose: Gibt es im zweiten Wahlgang keine neuen Kandidaturen, dann werden Sie am 14. April mit einfachem Mehr gewählt. Was machen Sie dann?
Rolf Wirz: Ich müsste mir das ernsthaft nochmals überlegen. Aber ich habe mehrfach gesagt und sage es auch jetzt: Es ist nicht mein Ziel, weiterzumachen. Und wenn, dann höchstens der Not gehorchend und sicher nicht für vier Jahre. Also nur als Überbrückung. Allerdings bin ich optimistisch, dass es nicht so weit kommen muss. Ich weiss, dass sich demnächst zwei Personen treffen werden, die eine Kandidatur in Betracht ziehen. Kandidieren die beiden, dann werden sie auch gewählt, davon bin ich überzeugt.
Falls die Kandidaturen nicht zustande kommen: Würden Sie «nur» als Gemeinderat einspringen oder Präsident bleiben wollen?
Ich müsste das dann anschauen. Klar ist: Weder Nusshof selbst noch der Kanton haben Interesse an einer Zwangsverwaltung.
Zwei neue Kandidaturen sind also denkbar, dazu würden Sie möglicherweise einspringen: Verfl üchtigt sich damit das Gespenst Zwangsverwaltung in Nusshof also gerade?
Im Moment ist noch alles möglich. Wir müssen den zweiten Wahlgang abwarten.
Auch wenn es nun positive Anzeichen gibt: Was macht es in Ihrer Gemeinde so schwer, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden?
Als ich vor vier Jahren gewählt wurde, habe ich gar nicht kandidiert. Man war zuvor schon fast während eines Jahrs auf der Suche. Die Ausgangslage ist also nicht einfach. Das dürfte daran liegen, dass das Klima in Nusshof relativ schwierig ist. Der stellvertretende Gemeindepräsident und ich hatten eigentlich beschlossen, dass wir eine weitere Amtsperiode anhängen, doch dann haben wir zunehmend resigniert und schliesslich verzichtet. Wir haben einige Geschäfte angerissen, doch gegen alles gab es sofort Opposition einer Gruppe von Einwohnern: Man war gegen den Vorschlag für den Verwaltungsverbund mit Wintersingen, gegen Tempo 30, gegen ein neues Abfallregime, gegen die Versorgungsregion und, und, und.
Der Gemeinderat hat in Nusshof generell einen schweren Stand?
Ja. Es wird probiert, den Gemeinderat immer etwas blöd aussehen zu lassen. So, als hätten wir keine Ahnung. An den Gemeindeversammlungen wurden unsere Ideen zwar aufgegriffen, doch dann wurden jeweils unvermittelt ganz eigene Modelle eingebracht und eigene Berechnungen präsentiert. Die dabei in den Raum gestellten komplexen Zahlen und Annahmen konnten während der Versammlung jeweils nicht überprüft werden, was verständlicherweise für Verunsicherung sorgte. Dies äusserte sich darin, dass es bei Abstimmungen auffällig viele Enthaltungen gab. Für den Gemeinderat ist diese Situation unangenehm. Ich meine, dass die Bevölkerung dem eigenen Gemeinderat bei allen berechtigten kritischen Fragen mehr Vertrauen entgegenbringen müsste. Wir haben das Vertrauen nie missbraucht.
Sie wiederum haben das Vertrauen verloren, Ihre Vorlagen an der Gemeindeversammlung durchzubringen?
Wenn man ein neues Geschäft in Angriff nimmt und beispielsweise mit anderen Gemeinden neue Verbundlösungen anstrebt, dann hat man sofort eine Schere im Kopf, weil man weiss, dass man im eigenen Dorf vermutlich wieder auflaufen wird. Das Konstruktive und Ergebnisoffene fehlt bei uns etwas – das macht wenig Freude. Kommt hinzu, dass unsere Finanzen knapp sind und wir jeden Franken zweimal umdrehen müssen, was den Handlungsspielraum stark einschränkt. Dringend nötige Projekte wie die Neugestaltung des Dorfplatzes kommen deswegen nicht voran.
Ist eine lebendige Streitkultur nicht auch positiv? Die Nusshöfer Gemeindeversammlung wies den Schulvertrag mit Wintersingen zurück und verlangte Neuverhandlungen. Jetzt konnte ein Vertrag ausgehandelt werden, der für Nusshof günstiger ist.
Ich habe nichts gegen konstruktive Kritik! Und in diesem Fall stimmt es, dass wir mit dem neuen Vertrag besser fahren als mit dem ursprünglich ausgehandelten. Der Druck durch die Gemeindeversammlung hat dazu geführt, dass wir bei den Nachverhandlung anders argumentieren mussten. Zum Glück haben wir uns mit den Wintersingern gefunden, denn diese sind nicht auf uns angewiesen. In den meisten anderen Fällen empfand ich die Kritik hingegen nicht als konstruktiv. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass der Schulvertrag überhaupt erst deshalb überprüft worden ist, weil wir das als Gemeinderat angestossen haben.
Sie haben es vorhin gesagt: Nusshof muss jeden Franken zweimal umdrehen. Eigentlich erstaunlich: Die Kantonsstatistik zeigt, dass es in Ihrer Gemeinde viele gute Steuerzahler gibt. Warum ist die Gemeinde dennoch in Nöten?
Ja, das Steuersubstrat ist eigentlich sehr gut, doch wir kämpfen mit einem strukturellen Problem: Wir hatten in der Vergangenheit häufig höhere Ausgaben als Einnahmen. Rund 80 Prozent unserer Ausgaben sind gesetzlich gebunden: Schulen, Feuerwehr, Altersheim, Spitex und so weiter. Hier können wir die Kosten nicht beeinflussen und nicht einfach sparen. Neuerdings müssen wir auch für Asylbewerber mehr ausgeben. Am meisten schenken die Blöcke Bildung und Gesundheit ein …
… das haben alle anderen Gemeinden ja auch – diese schaffen es aber ohne Bilanzfehlbetrag.
Nusshof ist eine so kleine Gemeinde, dass die Bilanz rasch aus dem Gleichgewicht geraten kann. Schon zwei Einwohner mehr oder weniger im Altersheim können über rote oder schwarze Zahlen entscheiden. Und dadurch, dass wir tatsächlich gute Steuerzahler haben, bekommen wir ein weiteres Problem: Nusshof muss trotz Bilanzfehlbetrag wieder in den kantonalen Finanzausgleich einbezahlen, was schmerzt. Ohne diese Ausgabe stünden wir besser da und könnten wieder Eigenkapital bilden. Andere Gemeinden bekommen viel Geld aus diesem Ausgleichstopf … Immerhin sieht unsere Finanzlage nun wieder etwas besser aus: Wir haben 2023 ein leichtes Plus gemacht. Wir sind auf gutem Weg. Wäre die vom Gemeinderat vorgeschlagene Steuererhöhung durchgekommen, würde es noch etwas rascher gehen.
Falls es in Nusshof anhaltend schwierig sein sollte, genügend Personal für die politischen Ämter zu fi nden: Wird eine Gemeindefusion zum Thema?
Schwer zu sagen, ob sich bei einer Fusionslösung mit Wintersingen längerfristig etwas an der personellen Situation ändern würde. Eine Fusion wäre zwar denkbar, doch ich bin ein Fan von Verbundlösungen, die es kleinen Gemeinden ermöglichen, ihre Aufgaben in der Regel gut zu erledigen. Hier ist noch nicht alles ausgeschöpft. Dass Fusionen nicht einfach sind, hat sich am Beispiel Arisdorf-Hersberg gezeigt. Kommt es hart auf hart, finden sich dann plötzlich doch noch Leute, die ein politisches Amt übernehmen. Die Fusionsgegner in Hersberg haben jedenfalls geliefert, das muss man anerkennen.
Wenn schon Fusion: Müsste nicht im grösseren Massstab gedacht werden? Also, dass sich gleich mehrere Dörfer zusammenschliessen, möglichst auch mit einer Kerngemeinde wie Sissach?
In einem ersten Schritt sehe ich das nicht. Eine Gemeinde wie Sissach hätte wohl kaum Interesse an einem neuen Quartier namens Nusshof. Wenn schon, dann wäre Wintersingen der Wunschpartner, da wir mit dieser Gemeinde schon viele Aufgaben gemeinsam erledigen.