«Ich habe ja noch etwas Zeit …»
15.12.2023 Turnen, SportSeverin Sollberger – im «hohen» Sportleralter nationale Spitze
Angefangen im Kindesalter mit Kunstturnen, nun Routinier und einer der besten Geräteturner der Schweiz: Die sportliche Karriere von Severin Sollberger ist eine eher aussergewöhnliche.
...Severin Sollberger – im «hohen» Sportleralter nationale Spitze
Angefangen im Kindesalter mit Kunstturnen, nun Routinier und einer der besten Geräteturner der Schweiz: Die sportliche Karriere von Severin Sollberger ist eine eher aussergewöhnliche.
Timo Wüthrich
In der Ziefner Mehrzweckhalle riecht es nach der typischen Mischung aus Magnesia und Sportcrème, als Severin Sollberger mit Anlauf in die Schaukelringe springt, einige Überschläge turnt und sich danach auf den ausgebreiteten Matten wieder auf festem Untergrund befindet. Zufrieden sei er mit der soeben gezeigten Übung noch nicht, aber er habe ja noch Zeit, um sich für die kommenden Wettkämpfe in eine passable Form zu bringen, merkt der locker wirkende 31-jährige Turner nach der Landung an.
Die ersten sportlichen Schritte tätigte Sollberger, wie so viele aus dem heimischen Turnermilieu, im Nordwestschweizerischen Kunstturnund Trampolinzentrum Liestal (NKL). Als Knabe habe er schon einen grossen Bewegungsdrang verspürt, berichtet er im Gespräch mit einem Grinsen. Durch einen Schulfreund, der im Kunstturnen aktiv war, landete er im Primarschulalter im NKL und konnte dort viel von seiner reichlich vorhandenen Energie abbauen.
«So nahm die Sache ihren Lauf. Mit der Zeit haben die Trainer erkannt, dass ein gewisses Potenzial vorhanden ist. Nach einiger Zeit standen die ersten Wettkämpfe an, bei denen allerdings für einen Verein geturnt werden muss. Da ein familiärer Draht nach Wintersingen besteht und meine Mutter im dortigen Turnverein aktiv war, ergab sich die Möglichkeit, dem TV Wintersingen beizutreten», beschreibt der passionierte Sportler.
Nachdem die Karriere Sollbergers auch mit etwas Zufall gestartet war, nahm mit dem Eintreten der Pubertät der Trainingsumfang zu. Das Kunstturntalent wechselte während der Sekundarschulzeit in die Sportklasse. Die gezielte Förderung sowie die Unterstützung durch seine Eltern, die wichtig gewesen sei, machten sich bezahlt. Nach einem ersten Sieg an der nationalen Meisterschaft folgten kleinere internationale Wettkämpfe in Berlin und Cottbus; mit Brünn stand auch eine Reise nach Tschechien an.
Knie-OP bremst aus
Doch wie es im Leistungssport oft passiert, plagten auch Sollberger hin und wieder Verletzungssorgen. Häufig waren es kleinere Blessuren; die von Turnern gefürchteten, weil langwierigen Bänderverletzungen blieben aus. Doch nach seiner ersten schwerwiegenden Verletzung am Knie und einer Operation entschloss sich Sollberger mit 18 Jahren, seine Karriere zumindest zu unterbrechen. «In diesem Zeitraum haben mich meine Freunde, von denen viele beim Turnverein Ziefen aktiv sind, immer wieder angefragt, ob ich nicht zu ihnen ins Fünflibertal trainieren kommen wolle», erklärt der 31-Jährige, der den Anschein erweckt, den damaligen Rückschlag gefasst hingenommen zu haben.
In Ziefen hat Sollberger, der als IT-Projektleiter bei der Baselbieter Sicherheitsdirektion arbeitet, den Spass und den Ehrgeiz am Turnsport wiederentdeckt und sich an die nationale Spitze der Geräteturner herangetastet. Dass Kunstturner, die in jungen Jahren sehr umfangreiche Trainingseinheiten absolvieren, ihre Körper schinden und Opfer für die sportliche Karriere erbringen, schon vor 20 mit Leistungssport aufhören, ist nicht selten. Eher ungewöhnlich ist jedoch, dass ein zurückgetretener Kunstturner zehn Jahre später noch im ambitionierten Geräteturnen zur nationalen Spitze gehört. Sollberger ist nicht nur der Wechsel der Sportart gelungen, sondern er scheut auch den nötigen Aufwand nicht. Dies hat ihm 2022 den Schweizer-Meister-Titel im Einzelgeräteturnen am Boden und an den Ringen eingebracht. Dieses Jahr doppelte er mit erneutem Gold an den Ringen nach.
Maximal vier Trainings
«Zu Beginn hatte ich ein wenig Mühe, die Übungen technisch sauber auszuführen. Dies ist beim Geräteturnen im Gegenteil zum Kunstturnen, wo der Schwierigkeitsgrad einer Übung um einiges stärker ins Gewicht fällt, sehr wichtig», so Sollberger. Sein Ziel ist es, sich an den kommenden nationalen Meisterschaften im Mehrkampf mindestens unter den ersten Fünf zu platzieren. «Mit einem Exploit könnte es aufs Podest reichen.»
Allerdings gesteht sich Sollberger ein, dass das Turnen nur ein Sport ist und es durchaus wichtigere Dinge gibt. Er trainiert zwei Mal pro Woche mit der Ziefner Riege, wo eine gute Atmosphäre herrsche und wo man sich gegenseitig zu Höchstleistungen ansporne. In der unmittelbaren Vorbereitung auf einen Wettkampf pudert sich der 31-Jährige zusätzlich im Liestaler NKL ein bis zwei Mal pro Woche die Hände mit Magnesia ein. «Ich versuche, eine gute Balance zwischen Aufwand und Ertrag zu finden. Auf einen noch höheren Trainingsumfang verspüre ich keine Lust», sagt Sollberger.