«Ich freue mich auf volle Stadien und faire Spiele» Fussball-EM der Frauen
20.06.2025 Sport, FussballSeraina Degen begleitet den Anlass als Reporterin
SRF-Journalistin Seraina Degen aus Niederdorf begleitet die Frauen-«Nati» seit vielen Jahren. Im Gespräch erklärt sie, wie sich die Berichterstattung verändert hat, wo die Heim-EM neue Perspektiven eröffnet ...
Seraina Degen begleitet den Anlass als Reporterin
SRF-Journalistin Seraina Degen aus Niederdorf begleitet die Frauen-«Nati» seit vielen Jahren. Im Gespräch erklärt sie, wie sich die Berichterstattung verändert hat, wo die Heim-EM neue Perspektiven eröffnet – und worauf sie sich persönlich freut.
Luana Güntert
Frau Degen, als Wahl-Baslerin leben Sie in der Stadt des Eröffnungsspiels. Wie spüren Sie die EM-Vorfreude?
Seraina Degen: In meinem Quartier, dem «Gundeli», ist davon noch wenig zu spüren (lacht). Aber am Bahnhof mit der Countdown-Uhr oder beim «Joggeli» mit den Bannern spürt man, dass die EM näher rückt. Auch in Supermärkten habe ich schon Fanartikel gesehen.
Sie begleiten das Frauen-Nationalteam seit mehr als 15 Jahren journalistisch. Wie hat sich die mediale Berichterstattung verändert?
Sie hat eindeutig zugenommen. Es gibt mehr Beiträge in klassischen Medien, aber auch Bücher, Podcasts und Magazine rund um die EM. Auch intern bei SRF spüre ich eine Zunahme – das Thema wird auch in den Sendungen «Einstein» oder «Mona mittendrin» aufgegriffen. Gleichzeitig muss man bedenken: Die letzte Weltmeisterschaft fand weit weg in Australien und Neuseeland statt, die Anspielzeiten waren in der Schweiz mitten in der Nacht oder am Morgen. Jetzt findet die Europameisterschaft vor der eigenen Haustür statt – das macht sie greif- und sichtbarer.
Was bedeutet das für die inhaltliche Tiefe der Berichterstattung?
Sehr viel. Geschichten, die sonst unbeachtet geblieben wären – etwa über Pionierinnen des Schweizer Frauenfussballs – finden nun Raum. Die Heim-EM bringt eine neue inhaltliche Vielfalt.
Wenn Sie zurückblicken: Wie war das, als Sie früher als Printjournalistin dabei waren?
Ganz anders. Die Medientribüne war weit weniger voll als heute, manchmal sass ich auch alleine da. Der Zugang zu den Spielerinnen war noch nahbarer, Interviews fanden spontaner statt und ich konnte meistens selbst wählen, mit wem ich sprechen wollte. Ich hatte oft einen «privilegierten» Zugang, weil kaum jemand sonst dort war.
Und heute?
Der Zugang ist professioneller organisiert, aber nach wie vor ist die Nähe zum Team spürbar. Die Spielerinnen bleiben sehr zugänglich – das ist ein grosser Pluspunkt im Frauenfussball.
n Aktuell scheint die Euphorie etwas gedämpft – liegt das an der durchzogenen Nations-League-Bilanz?
Ein Stück weit schon. Ein Sieg in dieser Kampagne hätte sicher geholfen, die Stimmung zu heben. Im Team selbst scheint die Atmosphäre aber nach wie vor gut zu sein – so nehme ich es zumindest vor Ort wahr.
Ein medial diskutiertes Thema war der Wechsel auf der Torhüterinnenposition. Elvira Herzog galt als Nummer 1 – dann stand plötzlich Livia Peng im Tor. Wie sehen Sie das?
Ende 2024 wurde kommuniziert, dass Elvira Herzog die Nummer 1 ist. Nationaltrainerin Pia Sundhage hatte sich also bereits früh festgelegt – ehe sie jedoch in den letzten beiden Pflichtspielen Livia Peng nicht nur eine, sondern gleich zwei Chancen gab. Rein kommunikativ ist das von aussen betrachtet nicht konsequent und das Rennen scheint nun wieder offen.
Die Co-Kommentatorin der «Nati»-Spiele, Rachel Rinast, wird als erste Frau Männer-Spiele der Europa und Conference League kommentieren. Ein Weg, der auch für Sie denkbar wäre?
Nein, das ist kein denkbarer Weg für mich. Ich fühle mich in meiner Rolle als Reporterin am Spielfeldrand gut aufgehoben – egal, ob bei Spielen der Männer oder Frauen. Man muss wissen, wo die eigenen Stärken liegen (lacht).
Was beschäftigt Sie aktuell in der EM-Vorbereitung?
Die grossen Hintergrundbeiträge habe ich im April abgeschlossen. Jetzt begleite ich die Vorbereitungscamps, war in Magglingen, Nottwil und Abtwil dabei für Interviews und habe mir viele Trainingseinheiten angesehen. Am 26. Juni begleite ich das letzte Testspiel vor der EM gegen Tschechien live aus Winterthur. Danach geht es in den EM-Dauerbetrieb – bis Ende Juli. Ich freue mich darauf!
Wie bereiten Sie sich mental auf die EM vor? Ein ausverkaufter St.-Jakob-Park ist wohl auch für Sie neu.
Absolut (lacht). Die Lautstärke in ausverkauften Stadien bin ich mir bei Frauenspielen noch nicht so gewöhnt. Für meine journalistische Arbeit macht das aber keinen Unterschied – Match ist Match. Wenn es mir zu laut wird, stelle ich meine Kopfhörer etwas lauter, damit ich die produzierende Person, die mir aufs Ohr spricht, gut hören kann.
Wie sieht Ihre inhaltliche Vorbereitung aus?
Hier halte ich mich an einen Ratschlag von Rudi Carrell. Er sagte einst: «Du kannst nur aus dem Ärmel schütteln, was du vorher hineingepackt hast.» Das bedeutet, dass ich mir stetig Wissen aneignen muss: über die Spielerinnen, Statistiken, Taktiken. Auch über die Gegnerinnen muss ich mich informieren, wenn auch nicht so stark wie der Kommentator. Hier profitiere ich davon, dass ich viele Spielerinnen schon seit Langem kenne und so bereits einen gut gefüllten Rucksack habe.
Wie ist das SRF vor Ort aufgestellt?
SRF ist breit aufgestellt und wird sowohl vor Ort als auch aus dem Studio in Zürich umfassend über die Europameisterschaft berichten. Die Crew, die über die «Nati» berichtet, ist in Bern stationiert, um nahe am Basecamp des Teams in Thun zu sein. An den Schweizer Spieltagen ist SRF mit Fernsehen und Radio vor Ort, hat ein Studio im Stadion und mischt sich unter die Fans. Wir haben auch ein EM-Magazin, das täglich von einem anderen Schauplatz ausgestrahlt wird.
Wie weit kommt dann die Schweiz?
Ich gebe keine Tipps ab (lacht). Ich freue mich einfach auf die Europameisterschaft, bin gespannt auf die Leistungen der «Nati» und hoffe, dass sie eine Euphorie entfachen wird.
Was wäre für Sie der perfekte EM-Moment?
Nicht ein sportlicher, sondern generell, wenn die Europameisterschaft ein grossartiges Turnier wird mit vollen Stadien und fairen Spielen.
Auf was freut sich der Fussball-Fan in Ihnen?
Ich war im Sport noch nie ein Fan – ausser vielleicht von Vreni Schneider (lacht). Ich freue mich einfach, wenn ich zwischendurch mal ein paar freie Stunden finde, um privat mit Freunden ein Spiel in einem Public Viewing zu schauen.
Die EM zu Hause
vs. Zum ersten Mal in der Geschichte findet vom 2. bis 27. Juli die Fussball-Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz statt. Die «Volksstimme» rückt bis zum Grossanlass verschiedene Personen, Anlässe und Themen rund um den Frauenfussball ins Zentrum.