«Ich bin für den Weitsprung so bereit wie noch nie»
02.10.2025 Sport, LeichtathletikPara-Athlet Elijah Thommen (20) greift an der WM in Indien an
Heute Vormittag findet der Weitsprung an der Para-WM in Indien statt. Elijah Thommen, der in der Kategorie «T38» startet, hat bereits den 100-Meter-Sprint mit dem 12. Platz abgeschlossen. Für seine ...
Para-Athlet Elijah Thommen (20) greift an der WM in Indien an
Heute Vormittag findet der Weitsprung an der Para-WM in Indien statt. Elijah Thommen, der in der Kategorie «T38» startet, hat bereits den 100-Meter-Sprint mit dem 12. Platz abgeschlossen. Für seine Paradedisziplin rechnet sich der Gelterkinder gute Chancen aus.
Tobia Benaglio
Herr Thommen, Sie waren vergangenes Jahr schon an der Para-WM in Japan. Was für Herausforderungen bringt so ein weit entfernter Wettkampf mit sich?
Elijah Thommen: Für mich ist die Angewöhnung an ein Land mit einer komplett anderen Kultur und anderen Wetterbedingungen als die Schweiz sicherlich die grösste Herausforderung. Dabei spielt natürlich auch die Zeitverschiebung eine Rolle. Es braucht meist ein paar Tage, bis man sich an die neuen Bedingungen gewöhnt hat. Während dieser Zeit ist es manchmal etwas schwierig, ruhig und gelassen zu bleiben. Vor allem wenn man noch Überraschungen erlebt und umplanen muss.
Was sind das denn für Überraschungen?
Ich habe beispielsweise schon oft erlebt, dass die Shuttle-Busse zum Stadion Verspätung hatten. Manchmal sind sie wegen Stau auch gar nicht gefahren, dann musste ich ein Taxi nehmen. Deshalb bin ich schon einige Male unter Zeitdruck gekommen und wir mussten die Trainings anders planen und effektiver machen.
Was können Sie aus solchen Erfahrungen mitnehmen, um in Zukunft besser damit umgehen zu können?
Ich würde sagen, immer locker und weltoffen zu sein. Was ich bisher gelernt habe, ist, dass ich mich nur auf das fokussieren sollte, was ich beeinflussen kann. Alles andere versuche ich immer so zu nehmen, wie es kommt, und so weit es geht zu geniessen.
Eine weitere Erfahrung, die Sie dieses Jahr machen konnten, war die Spitzensport-RS. Was nehmen Sie aus Ihrer Militärzeit in den Sport mit?
Ich konnte im Militär unglaublich viel profitieren. Ich trainierte viel umfänglicher als im Alltag. Dies erlaubte mir, nicht nur an meinen Schwächen zu arbeiten und an technischen Feinheiten zu schrauben, sondern auch im Kraftbereich grosse Fortschritte zu machen. Ich fühle mich viel fitter als vor der Dienstzeit. Darum war die Rekrutenschule eine extrem wertvolle Zeit für mich.
Nun sind Sie in Indien. Wie haben Sie sich auf die Para-WM vorbereitet?
Die WM ist sehr spät in der Saison. Diese lange Wartezeit war für den Kopf etwas schwierig, im Training aber eine tolle Chance: Ich habe noch ein paar mehr Wettkämpfe bestritten und durfte als Vorbereitung an der Schweizermeisterschaft der Sportler ohne Behinderung in Frauenfeld starten. Durch die Wettkämpfe konnte ich nochmals wichtige Erfahrungen sammeln. So hatte ich im Training Zeit, das Programm voll auf die WM auszurichten und die letzten technischen Anpassungen vorzunehmen, um richtig «spritzig» zu werden.
Was haben Sie in der Vorbereitung anders gemacht als im vergangenen Jahr, vor der WM in Japan?
Die WM in Japan war im Mai und kam somit zu einem völlig anderen Zeitpunkt. Da diese viel früher war, hatte ich weniger Zeit, mich zu qualifizieren und vorzubereiten. Ich konnte viel weniger Wettkämpfe im Vorfeld bestreiten. Deshalb würde ich sagen, dass ich vor Japan sicher mehr an meiner Konstanz gearbeitet habe, da gar nicht so viel Zeit blieb, um Kleinigkeiten zu optimieren. Trotzdem konnte ich den Weitsprung auf einem guten siebten Rang abschliessen.
Worauf freuen Sie sich nun am meisten in Ihrer Zeit in Indien?
Etwas simpel, aber ich freue mich am meisten auf die Wettkämpfe. Eine WM so spät im Jahr ist eine echte Herausforderung. Die Saison war viel länger als sonst und das Warten hat kein Ende genommen. Ich freue mich, nun endlich in Indien zu sein und der Welt zu zeigen, was ich kann!
Die letzte WM in Japan haben Sie auf dem siebten Rang im Weitsprung abgeschlossen. Reicht es heute für das Podest?
Ich muss zugeben, nach meiner bereits sehr tollen und erfolgreichen Saison ist mir schon der eine oder andere Gedanke an eine WM-Medaille durch den Kopf gegangen. Mir ist aber auch bewusst, dass ich mit meinen 20 Jahren immer noch der Jüngste im Feld bin. Ausserdem ist das Niveau in diesem Jahr so hoch wie noch nie. Es gibt sehr viele Athleten, welche sehr weit springen können. Meine letzten Trainings waren aber bombastisch und meine Form so gut wie noch nie. Für ein Top-Ergebnis muss natürlich vieles stimmen. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann: Ich war noch nie so bereit für einen Wettkampf wie für diesen Weitsprung an der WM!
Am Samstag haben Sie bereits den 100-Meter-Sprint bestritten und diesen auf dem zwölften Rang abgeschlossen. Was hatten Sie sich vor dem Rennen vorgenommen?
Im 100-Meter ging es mir vor allem darum, einmal alles durchzulaufen und Erfahrungen zu sammeln. Mit einem guten Lauf wäre es schon möglich gewesen, in den Final zu kommen, aber das hat leider nicht geklappt.
Was ist Ihr nächstes grosses Ziel nach der Para-Weltmeisterschaft in Neu-Delhi?
Wenn ich in meine sportliche Zukunft schaue, dann habe ich vor allem ein grosses Fernziel vor Augen: Ich möchte an die Paralympics 2028 in Los Angeles und dort die Goldmedaille im Weitsprung gewinnen.
Die Kategorie «T38»
tob. Elijah Thommen leidet seit seiner Geburt an Zerebralparese. Ausserdem hat er Spastiken und Hypertonie. Diese Krankheit behindert ihn im Alltag kaum. Beim Sport spürt er aber die Einschränkung. Er hat auf seiner rechten Körperseite weniger Kraft und generell koordinative Schwierigkeiten. Das führt dazu, dass der Gelterkinder nicht ganz mit den nicht-eingeschränkten Spitzensportlern mithalten kann. Deshalb startet der 20-Jährige seit 2021 bei den Para-Athleten.
Dort gibt es verschiedene Kategorien. Elijah Thommen fällt unter die Kategorie «T38». Die meisten Athleten in dieser Sparte haben dieselbe Erkrankung wie er. Dabei steht das «T» für «Track», also das englische Wort für «Bahn». Die Zahl 38 steht für die Art und Stärke seiner Einschränkung. Die 38 ist dabei die «harmloseste» Zahl bei den sehund bewegungsbeeinträchtigten Athleten.