Experte Beat Stauffer über kriminelle Maghrebiner und illegale Migration
Von jungen Nordafrikanern begangene Einbrüche und Diebstähle mehren sich auch im Baselbiet (siehe Artikel oben). Im Interview ordnet der Publizist und Maghreb-Experte Beat Stauffer aus Basel die ...
Experte Beat Stauffer über kriminelle Maghrebiner und illegale Migration
Von jungen Nordafrikanern begangene Einbrüche und Diebstähle mehren sich auch im Baselbiet (siehe Artikel oben). Im Interview ordnet der Publizist und Maghreb-Experte Beat Stauffer aus Basel die Situation ein.
Paul Aenishänslin
Herr Stauffer, was für Menschen flüchten aus dem Maghreb in die Schweiz?
Beat Stauffer: Es handelt sich dabei fast ausschliesslich um junge Männer mit schlechter Bildung und ohne besondere berufliche Qualifikation. In Marokko, Algerien und Tunesien haben sie wenig bis gar keine Perspektive. In der Schweiz – respektive Europa – sehen viele Maghrebiner die letzte Chance auf ein besseres Leben.
Die Chancen, dass sie in der Schweiz Asyl erhalten und bleiben dürfen, sind jedoch äusserst gering.
Das ist so: Weniger als 1 Prozent der Asylgesuche von Maghrebinern werden gutgeheissen. Das hält sie jedoch nicht davon ab, teils unter prekären Bedingungen nach Europa zu kommen. Denn sie wollen hier Fuss fassen und arbeiten – notfalls auch illegal. Gewisse tauchen nach einem negativen Asylentscheid unter, andere wiederum stellen gar kein Asylgesuch und schlagen sich von Anfang mit «Schwarzarbeit» durch.
Klappt es mit dem «Schwarzarbeiten» nicht, werden junge Maghrebiner anderweitig kriminell.
Sie begehen dann aus finanzieller Not Diebstähle und Einbrüche. Ich bezeichne solche Menschen als «Desperados», da sie aus Verzweiflung handeln. Zurück in ihre Herkunftsländer wollen sie nämlich nicht. Es gibt aber auch junge Maghrebiner, die mit der Zeit eine Art Hass auf Europa entwickeln und deshalb beginnen, systematisch zu klauen.
Von jungen Maghrebinern begangene Straftaten nehmen im – und der ganzen Schweiz – seit vergangenem Jahr stark zu (siehe Artikel oben). Weshalb?
Die eine Erklärung dafür gibt es nicht. Klar ist, dass in der Schweiz – einem Land mit vergleichsweise hohem Wohlstand – viel zu holen ist. Die Täter wissen zudem, dass die Rückführungsabkommen, welche die Schweiz mit Algerien und Tunesien hat, nur schleppend funktionieren. Und sie wissen, dass die Polizei bei kleineren Delikten ziemlich machtlos ist.
Ist diese Asylkriminalität ein europaweites Phänomen?
Ja. Junge Maghrebiner ziehen durch ganz Europa, von Land zu Land. Sie machen das recht geschickt, indem sie jeweils dorthin gehen, wo sie noch am ehesten geduldet sind und die Behörden weniger durchgreifen. Nehmen in einem Land die Ausschaffungen zu, verlassen sie es blitzartig.
Diebstahls- und Einbruchswellen verlaufen also konjunkturmässig?
Das kann man so sagen. Die Situation in Frankreich spielt aber auch eine gewisse Rolle. Denn in den Banlieues von Paris, Lyon oder Mulhouse leben Zehntausende junger Maghrebiner ohne Aufenthaltsberechtigung. Wenn sie Geld brauchen, kommen sie auch in die Schweiz, um zu stehlen.
Müssten die Strafbehörden härter durchgreifen, um kriminelle Maghrebiner zu stoppen?
Die von ihnen ausgehende Kriminalität ganz zu unterbinden, ist ausserordentlich schwierig. Eine gewisse Chance, sie zumindest einzudämmen, sehe ich tatsächlich darin, dass bei bestimmten Delikten härter durchgegriffen wird. Eine Möglichkeit wäre, zusätzliche Zentren für renitente Asylsuchende und irreguläre Migranten einzurichten, wo diese eine Zeit lang bleiben müssen. Das ist rechtlich gesehen aber problematisch. Klar ist: Ohne funktionierende Rückführungsabkommen sind keine markanten Verbesserungen zu erwarten.
Funktionieren diese Abkommen zurzeit nicht?
Die Maghrebstaaten haben kein grosses Interesse an der Rücknahme abgelehnter Asylsuchender. Mit Algerien und Tunesien hat die Schweiz zwar entsprechende Abkommen, doch aus bürokratischen Gründen dauert es jeweils mehrere Monate, bis eine Rückführung vollzogen wird. Noch schwieriger und zeitaufwendiger sind Rückführungen nach Marokko.
Bundesrat Beat Jans will, dass Asylgesuche direkt an der Grenze innert 24 Stunden durchgeführt werden. Ist das die Lösung?
Kurzfristig ist es eine prüfenswerte Idee, um die illegale Immigration an der Grenze zu stoppen und Personen, die keine Aussicht auf Asylgewährung haben, gleich wieder wegweisen zu können. Die Frage ist nur, ob das in der Praxis funktionieren wird.
Wie kann die illegale Immigration langfristig eingedämmt werden?
Meiner Meinung nach hilft da nur etwas: Marokko, Algerien und Tunesien müssen sich wirtschaftlich so entwickeln, dass die jungen Leute dort eine Perspektive haben und nicht flüchten wollen. Die Schweiz könnte einen Beitrag leisten, indem sie Studienplätze und Stipendien vergibt, Berufsbildungszentren im Maghreb mit aufbaut und Kontingente für die legale Migration anbietet. So könnten Maghrebiner hier arbeiten und sich ausbilden lassen und später ihr Heimatland voranbringen.
Was denken Sie: Wie entwickeln sich die Migrationsbewegungen?
Ich befürchte, dass die illegale Migration aus den Maghrebstaaten nach Europa stark zunehmen wird. Dies, weil die Bedingungen dort sehr schlecht sind – insbesondere in Tunesien, wo die politische und wirtschaftliche Lage sehr angespannt ist.
Zur Person
pae. Beat Stauffer (70) aus Basel ist Publizist und Maghreb-Experte. Im Jahr 2019 ist im NZZ-Verlag sein Buch «Maghreb, Migration und Mittelmeer» erschienen, das grosse Beachtung gefunden hat. Stauffer bereist die Länder Nordafrikas seit 40 Jahren.