Glühwein, Glockenseil und Schangis Gebiss
28.12.2024 ItingenReaktion auf unsere Weihnachtsbaum-Geschichte
Die Würdigung des Itinger «Weihnachtsbaum-Tarzans» Quinto Bazzocco hat einiges Echo ausgelöst. Journalist Urs Buess erinnert sich aus seiner eigenen Itinger Jugendperspektive.
Urs Buess
...Reaktion auf unsere Weihnachtsbaum-Geschichte
Die Würdigung des Itinger «Weihnachtsbaum-Tarzans» Quinto Bazzocco hat einiges Echo ausgelöst. Journalist Urs Buess erinnert sich aus seiner eigenen Itinger Jugendperspektive.
Urs Buess
Kürzlich fiel’s mir bei der Durchfahrt als früherer Itinger ebenfalls auf, dass dort oben beim Schützenhaus der Weihnachtsbaum nicht mehr strahlt. «Die Zeiten ändern sich », dachte ich – und dann las ich die wunderbare Geschichte über den «Weihnachtsbaum-Tarzan» («Volksstimme» vom 19. Dezember, Seite 5).
Als der Baum erstmals leuchtete, war ich 15 und spielte in der Itinger Dorfmusik Posaune. An Heiligabend zogen wir zu siebt oder acht von Strassenlaterne zu Strassenlaterne und spielten Weihnachtslieder. Wenn das Repertoire durch war, hörten wir auf, es kamen Leute aus den Häusern und gaben uns Punsch oder sonst was Alkoholisches zu trinken, bevor wir zur nächsten Strassenlaterne aufbrachen.
Die Lichter oben beim Weihnachtsbaum wurden immer bunter und verschwommener, die Kälte erträglicher und als ich zu Hause zur Familienfeier eintraf, war ich erstmals im Leben ziemlich besoffen. Den Eltern war das egal, weil ich als aktives Mitglied des Musikvereins meinen ersten Rausch eingefangen hatte und nicht etwa in einer düsteren Spelunke.
Am Glockenseil zur Decke
Seither gehörte der leuchtende Baum oben beim Schützenhaus zum Advent. Er leuchtete jahrelang in die Stube der Eltern. Ich bin mir nicht so sicher, ob alle Leute aus Itingen damals wussten, dass Quinto Bazzocco die Lichter in der mächtigen Tanne vor dem Advent jeweils hochzog. Vor ihm, dem Schulhausabwart, hatten tatsächlich alle Kinder im Dorf Respekt. Er wohnte damals im Schulhaus, zusammen mit seiner Frau Lina und Tochter Annemarie. Die Abwartswohnung erschien uns Kindern etwas düster. Sie lag im ersten Stock des Schulhauses auf der westlichen Seite. Auf der östlichen Seite erstreckte sich die Unterschule, wo Lehrer Karl Jost die erste bis dritte Klasse unterrichtete. Im Gang zwischen Wohnung und Unterschule hing das Seil von der Schulhausglocke herunter, und wenn Lina um elf Uhr läutete, durften wir helfen. Beim Ausläuten klammerten wir uns ans Seil und liessen uns zur Decke hochziehen.
In der Abwartswohnung lebten nicht nur Quinto, Lina und Annemarie, sondern auch Quintos Schwiegervater, der Heiz Schangi. Er half beim Putzen der Schulzimmer, und einmal hat er sein Gebiss auf dem Fenstersims der ersten bis dritten Klasse liegenlassen. Uns Kinder hat das gegrüselt. Lehrer Jost hat das Gebiss mit einem Lineal in eine leere Blumenvase geschoben und rüber in die Abwartswohnung gebracht.
Quintos Lebensweisheit
Heiz Schangi hielt Kaninchen hinter dem Schulhaus. Wenn er eins schlachtete, achtete er darauf, dass er es während der grossen Pause tat. Wir haben das jeweils interessiert beobachtet. Soviel ich weiss, hat es diesbezüglich nie Reklamationen vonseiten irgendwelcher Eltern gegeben.
Und eine Lebensweisheit von Quinto hat mich das Leben lang begleitet. Als er mal mit Peter Lüthi, dem Mittelschullehrer, rauchend vor dem Schulhaus stand, beide die Zigi zwischen den Fingern, stiess er den Rauch aus und sagte: «Mit dem Saufen kann man aufhören, wenn man wirklich will. Mit dem Rauchen geht das nicht.»
Urs Buess, geboren 1953, war jahrzehntelang Journalist in Zürich und Basel. Er ist in Itingen aufgewachsen. Heute lebt er in Birsfelden.