Gleichstellung, Kita und ein Schnellzug
15.05.2025 OltingenFlorence Brenzikofer, Nationalrätin Grüne, Oltingen
Was für eine Woche! In der Sondersession des Nationalrats Anfang Mai ging es hoch her – und das im besten Sinne. Wer meint, Gleichstellungspolitik sei nur Streit, Polemik und Stillstand, durfte ...
Florence Brenzikofer, Nationalrätin Grüne, Oltingen
Was für eine Woche! In der Sondersession des Nationalrats Anfang Mai ging es hoch her – und das im besten Sinne. Wer meint, Gleichstellungspolitik sei nur Streit, Polemik und Stillstand, durfte diesmal eines Besseren belehrt werden: Gleich zwei gewichtige Vorlagen haben die Hürde genommen – die Individualbesteuerung und die Kita-Finanzierung. Zwei Kompromisse, ja. Aber zwei richtig gute.
Die Individualbesteuerung beendet endlich den steuerlichen Nachteil für viele erwerbstätige verheiratete Frauen. Wer arbeitet, soll nicht durch eine hohe Steuerprogression bestraft werden. Und der Kompromiss der Kita-Finanzierung bringt Entlastung für Familien und bessere Bedingungen für das Betreuungspersonal. Beides sind Reformen, die nicht nur gerecht sind, sondern auch ökonomisch Sinn ergeben. Ein doppelter Gewinn für die Gesellschaft – und das dank lösungsorientierter, parteiübergreifender Zusammenarbeit, wie sie es immer noch gibt – nicht nur in Sonntagsreden.
Auch ein weiterer bedeutender Meilenstein wurde erreicht: Die Verankerung des Prinzips der gewaltfreien Erziehung im Zivilgesetzbuch. Ein Satz mit grosser Wirkung: Kinder haben das Recht, ohne Gewalt, insbesondere ohne die Anwendung von körperlicher Bestrafung oder anderer Formen erniedrigender Behandlung, aufzuwachsen. Meine Erfahrung aus dem Schulalltag zeigt: Gewalt trifft Kinder hart – und viel zu oft ist nicht böser Wille, sondern Überforderung der Auslöser bei den Eltern. Deshalb verpflichtet die Vorlage die Kantone auch dazu, ausreichend Beratungs- und Unterstützungsangebote vorzusehen, die für die Betroffenen in scheinbar ausweglosen Situationen neue Lösungen aufzeigen können.
Auch persönlich war es eine besondere Woche für mich: Die Versammlung der Tarifverbunds Nordwestschweiz (TNW) hat mich vergangenen Freitag zu ihrer Präsidentin gewählt. Ab Januar 2026 übernehme ich das Präsidium des Verwaltungsrats des TNW und trete damit die Nachfolge von Ralph Lewin an. Das U-Abo hat dem öffentlichen Verkehr in unserer Region einen echten Booster verpasst – ein Erfolgsmodell, auf das wir stolz sein dürfen und das verpflichtet. Die Weiterentwicklung auch über die Grenzen des Verbunds hinaus muss zum Ziel haben, den öffentlichen Verkehr (öV) einfacher, klüger und cooler zu machen, gerade auch für junge Menschen. Denn wer früh einsteigt, steigt später weniger aus und kommt so besser durchs Leben!
Und als ob das nicht schon genug «Good News» wären, hat auch der Landrat Nägel mit Köpfen gemacht: Das Oberbaselbiet bekommt einen zweiten Schnellzughalt, wie das eine breit abgestützte ÖV-Petition bereits 2009 gefordert hat. Endlich! Damit wird das Pendeln für viele Menschen nicht nur bequemer, sondern auch ein kleines bisschen zügiger. Die Anbindung der Oberbaselbieter Dörfer an den öV soll in den Randstunden ebenfalls gewährt sein – damit auch die Nachtschwärmer sicher nach Hause kommen.
Kurz: Diese Woche war ein Aufbruch in kleinen und grossen Schritten. Für Gleichstellung, für Kinder, für den Klimaschutz, für den Alltag der Menschen. Und für die Zuversicht, dass Politik auch anders kann: mit Herz, Verstand und einer Prise Humor.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.