Gewinn für direkte Demokratie?
17.10.2025 OberdorfUmstrittene Entscheide an der Gemeindeversammlung
In Oberdorf kann die Gemeindeversammlung Sachvorlagen auch in Zukunft nicht direkt in eine Urnenabstimmung schicken. Einen entsprechenden Antrag hat die «Gmäini» abgelehnt. Ja sagte sie hingegen zur Erhöhung der ...
Umstrittene Entscheide an der Gemeindeversammlung
In Oberdorf kann die Gemeindeversammlung Sachvorlagen auch in Zukunft nicht direkt in eine Urnenabstimmung schicken. Einen entsprechenden Antrag hat die «Gmäini» abgelehnt. Ja sagte sie hingegen zur Erhöhung der Abwassergebühr.
Elmar Gächter
Würde man die Beschlüsse an der Gemeindeversammlung vom vergangenen Mittwochabend mit dem Ergebnis eines Fussballspiels vergleichen, stünde ein 2:2-Unentschieden zu Buche. Die 85 Teilnehmenden stimmten den Anträgen des Gemeinderats zu höheren Abwassergebühren und zu höheren Stellenprozenten beim Schulsozialdienst zu.
Sie lehnten jedoch ab, dass künftig bei Gemeindeversammlungen ein Drittel der anwesenden Stimmberechtigten beschliessen kann, die Schlussabstimmung über eine Vorlage an die Urne zu verlegen. Der Souverän beschloss zudem, nicht auf das Ansinnen des Gemeinderats einzutreten, Gemeindeland am Talweg zu verkaufen. Die Diskussionen verliefen sachlich, bei einzelnen Traktanden waren die Debatten eher kurz; die Abtimmungsergebnisse fielen teilweise relativ knapp aus.
Der Gemeinderat unterstützte den selbstständigen Antrag von Christoph Schneider, die Gemeindeordnung dahingehend zu ergänzen, dass künftig ein Drittel der anwesenden Stimmberechtigten beschliessen kann, die Schlussabstimmung über eine Vorlage an die Urne zu verlegen (die «Volksstimme» berichtete). Laut Gemeindepräsident Piero Grumelli stärkt ein Ja zur Vorlage die direkte Demokratie. «Wir vertrauen darauf, dass nicht jedes kleinste Geschäft an die Urne kommt.» Er hob zudem hervor, dass entsprechende Urnenabstimmungen nur für referendumsfähige Vorlagen gelten und sie keine Zusatzkosten verursachen, da sie mit obligatorischen Abstimmungen zusammengelegt würden.
Zweifel an Kompetenz?
Irritiert von den Erläuterungen zeigte sich Einwohner Peter Schneider. «Für mich ist die Gemeindeversammlung immer noch das höchste Gut der Demokratie. Ich interpretiere den Entscheid des Gemeinderats dahingehend, dass er das Gefühl hat, die Teilnehmenden an Gemeindeversammlungen seien nicht kompetent genug, über Vorlagen zu entscheiden.» Es brauche «Kreativität», um zu verstehen, wie eine Demokratie gestärkt werde, wenn ein Drittel die Mehrheit von zwei Dritteln überstimmen könne, so Schneider. Er befürchte, dass mit einer Zustimmung zur Vorlage noch weniger Stimmberechtigte an die Gemeindeversammlungen gehen würden.
Die politischen Instrumente hätten in Oberdorf bisher stets gut funktioniert, das Kunstrasenreferendum sei ein gutes Beispiel. Die Teilnehmenden sprachen sich mit 42 Neingegen 36 Ja-Stimmen gegen den Antrag aus.
Mit 39 zu 26 Stimmen entschied die Versammlung auf Antrag von Thomas Aebi, nicht auf den vom Gemeinderat vorgeschlagenen Verkauf einer gemeindeeigenen Parzelle am Talweg einzutreten. Seine kurze Begründung: Noch an der Juni-Versammlung sei ein solcher Verkauf abgelehnt worden.
Länger diskutiert wurde über die Vorlage, die Gebühren für die Abwasserbeseitigung zu erhöhen. Die Spezialfinanzierung gerät laut Gemeinderat Michael Wild zunehmend in Schieflage. Die heute gültigen Gebühren wurden 2017 gesenkt und seither nicht erhöht. Die gestiegenen Abwasserrechnungen des Kantons für die letzten beiden Jahre führten zu einem jährlichen Defizit von über 200 000 Franken und zu einer laufenden Abnahme des Eigenkapitals. «Die zweckgebundene Spezialfinanzierung muss grundsätzlich eigenwirtschaftlich sein. Wenn wir nicht reagieren, wird der Kanton die Gebühren festlegen», mahnte Wild.
Den Antrag von Thomas Aebi auf Nichteintreten – die Vorlage sei seiner Meinung nach mangelhaft – lehnte die Versammlung ebenso ab wie jenen des gleichen Stimmbürgers, die Versammlung über die Empfehlungen des Preisüberwachers beschliessen zu lassen. Dieser hatte empfohlen, für die Regenwassergebühr einen einheitlichen Satz pro Quadratmeter entwässerte Fläche anzuwenden und eine Etappierung der Erhöhung zu prüfen, was der Gemeinderat aber ablehnte. Mit 37 zu 28 Nein-Stimmen sprach sich der Souverän dafür aus, dass ab 2026 die Gebühr für verschmutztes Abwasser von bisher 50 Rappen auf 2.60 Franken erhöht wird. Zusammen mit einer um 10 Franken höheren Grundgebühr werden die Einnahmen auf jährlich rund 427 000 Franken verdoppelt.
«Wir werden zwar nach wie vor ein jährliches Defizit von rund 50 000 Franken aufweisen, gehen aber davon aus, dass die Einnahmen, insbesondere auch die Anschlussgebühren, aufgrund zusätzlicher privater Bautätigkeit steigen werden», sagte Gemeinderat Wild.
Mit einem klaren Mehr sprach sich die Versammlung dafür aus, die Stellenprozente für die Schulsozialarbeiterin von 30 auf 50 Prozent zu erhöhen. Gemeindepräsident Piero Grumelli sprach von einem Konsens, mit dem das Optimum zwischen Bedarf und Kosten erzielt werde. Er informierte zudem, dass Gemeinderat Andy Dettwiler Mitte 2026 sein Amt niederlegt. Er wird dannzumal eine halbe Amtsperiode absolviert haben.