Gestohlene Kunst, gefundene Frau
16.05.2024 OberdorfRolf von Siebenthals Raab im Kampf gegen Filz, Kunstdiebe und Neonazis
In diesen Tagen erscheint der neunte Krimi von Rolf von Siebenthal, der dritte mit dem «lieben» Einbrecher Raab. Der Protagonist sucht über 420 Seiten seine frühere Partnerin, die Journalistin Jo ...
Rolf von Siebenthals Raab im Kampf gegen Filz, Kunstdiebe und Neonazis
In diesen Tagen erscheint der neunte Krimi von Rolf von Siebenthal, der dritte mit dem «lieben» Einbrecher Raab. Der Protagonist sucht über 420 Seiten seine frühere Partnerin, die Journalistin Jo Lerch. Das Hauptthema in «Trugbild» ist das Geschäft mit der verschollenen «entarteten Kunst» aus der Nazizeit.
Jürg Gohl
«Und du, ausgerechnet ein Dieb, hast einen so ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit wie niemand sonst, den ich kenne.» Das sagt Jo Lerch zu Raab auf der 395. der total 450 Seiten von «Trugbild», dem neuen Krimi von Rolf von Siebenthal. Wenig später wird nochmals aus allen Rohren geballert. Raab springt in diesem Schlussbouquet dem Teufel, nicht zum ersten Mal im Buch, von der Schippe.
«Trugbild» ist der neunte Kriminalroman des 63-jährigen Schriftstellers aus Oberdorf. Dabei schafft der Titelheld einen Hattrick. Wie in seinen beiden letzten Büchern, dem «Römerschatz» vor zwei Jahren und «Sternenfeld» von 2023, nimmt wieder Raab, diese «schwer fassbare Figur», die Hauptrolle ein. Der treffende Beschrieb kommt von seiner zwischenzeitlichen Partnerin Jo Lerch, einer Lokaljournalistin der «Basler Zeitung».
Nora kommt nach Lauwil
Raab wird das ganze Buch hindurch nur bei seinem Übernamen genannt und profitiert auch dieses Mal mehrmals von seinen kriminellen Fähigkeiten. Er verdient sein Geld nämlich mit Auftragseinbrüchen. Näheres zu seiner Jugend in Birsfelden und zu seinem Werdegang haben wir im letzten «Von Siebenthal» erfahren, jetzt taucht er wieder in seine Anonymität ab. Weil er sich fortwährend mit allem Bösen dieser Welt anlegt, verbirgt er sich wieder einmal in seinem Häuslein auf einer Matte oberhalb von Lauwil.
Doch gleich auf der ersten Seite taucht Nora, die erwachsene Tochter von Jo Lerch, in diesem vermeintlichen Versteck auf und bittet ihn um Hilfe, weil ihre Mutter spurlos verschwunden ist, ja sogar Suizid begangen haben soll. Und so geht es in «Trugbild» darum, die vermisste Journalistin aufzuspüren, bevor das den Gegenspielern gelingt. Jo Lerch hat sich mit ihren Recherchen nämlich gleich mit einer ganzen Reihe angelegt.
Neonazis und Kunstszene
Ein Basler Regierungsrat, bei dem der Verkehr mit einer Escort-Dame noch eines der kleineren Übel ist, Neonazis und vor allem die Kunstszene trachten nach Jo Lerchs Leben. Am Schluss schaltet sich sogar noch der israelische Geheimdienst ein. Alle sind darüber hinaus irgendwie miteinander verbandelt. Dass der an sich vorsichtige und gewitzte Raab bei seiner Suche nach der fast 400 Seiten lang vermissten Ex-Geliebten die falschen Leute ins Vertrauen zieht, erleichtert ihm seine Suche auch nicht. Sie hinterlässt ihm immer wieder geheime Spuren, damit er sie in ihrem Versteck im Oberbaselbiet finden kann, ohne dass ihm das versammelte Böse zuvorkommen kann. Einmal beschuldigt die Polizei Raab sogar, selber die Verschollene umgebracht zu haben.
In «Trugbild» steht die «entartete Kunst» aus der Nazizeit thematisch im Zentrum. Das sind Bilder, die von Hitlers Leuten beschlagnahmt wurden, weil sie angeblich nicht dem deutschen Geist entsprechen, aber unter der Hand weiterverkauft wurden. Im Krimi steht «Der Schützengraben» von Otto Dix im Mittelpunkt, der von den Nazis als Musterbeispiel für «entartete Kunst» betrachtet wurde und seit 1940 als verschollen gilt. Befindet es sich tatsächlich in Basel?
Die Ausstellung «Zerrissene Moderne», die vom Oktober 2022 bis Februar vergangenen Jahres im Basler Kunstmuseum gezeigt wurde, habe ihn zu seinem neusten Buch inspiriert, schreibt Rolf von Siebenthal, der selber wie seine Hauptdarstellerin einst als Redaktor für die «Basler Zeitung» schrieb. Das Kunstmuseum konnte im Jahr 1937 selber 21 solcher «entarteter» Meisterwerke übernehmen, die zuvor aus deutschen Museen entfernt worden sind.
«Ich fand das Thema der Ausstellung äusserst spannend und beschloss, daraus einen Krimi zu machen», schreibt der Autor in seinem Nachwort. Er weist auch darauf hin, dass die Schweiz eine grosse internationale Drehscheibe für Kunstwerke war, welche die Nazis gestohlen und verkauft haben. Mit der Basler Ausstellung wurde auch das Thema Provenienzforschung aufgenommen und vertieft, die sich mit der Frage nach dem Ursprung und der möglicherweise widerrechtlichen Aneignung von Kunst befasst. Einzig die Geschichte selber ist frei erfunden.
Es zählt zu den Markenzeichen des Krimiautors aus dem Waldenburgertal, dass er uns nicht nur die Fingernägel kauen lässt, sondern uns auch grössere und kleinere Themen aus der Aktualität näherbringt. Der grösste Reiz aller Raab-Krimis, aber auch der älteren Werke mit der damaligen Hauptfigur Max Bollag, liegt darin, dass sich die Schauplätze in der Region befinden. Hauptsächlich bewegen wir uns in Rolf von Siebenthals Neuntem in Basel. Ein Puzzlestück findet dieser Raab aber auch in einem alten Haus in Nusshof, seine Ruhe in Lauwil und am Schluss in Zeglingen sein Glück.