Gemeinde kämpft gegen Abwärtsspirale
13.05.2025 KienbergFinanzielle Sorgen machen nötige Investitionen unmöglich
Um gemeinsam nach einem Ausweg aus der finanziellen Bredouille zu suchen, wurde der Gemeinderat von Kienberg jüngst von zwei Solothurner Regierungsräten empfangen.
Thomas Gubler
...Finanzielle Sorgen machen nötige Investitionen unmöglich
Um gemeinsam nach einem Ausweg aus der finanziellen Bredouille zu suchen, wurde der Gemeinderat von Kienberg jüngst von zwei Solothurner Regierungsräten empfangen.
Thomas Gubler
Die finanzielle Situation der Solothurner Gemeinde Kienberg am Fuss der Saalhöhe ist seit längerer Zeit prekär. Die Rechnungen der Jahre 2022 und 2023 schlossen jeweils mit einem Defizit von 204 000 beziehungsweise 142 213 Franken ab. Für 2024 wurde ein Fehlbetrag von 277 831 Franken budgetiert und für 2025 ein solcher von 282 648 Franken – rote Zahlen, so weit das Auge reicht.
Zwar soll gemäss Gemeindepräsidentin und Finanzchefin Adriana Marti-Gubler aufgrund eines einmaligen Faktors die Rechnung 2024 besser als erwartet, möglicherweise gar mit einer roten Null, abschliessen. «Das ändert aber nichts daran, dass unser Defizit strukturell ist», so die Gemeindepräsidentin. Es sind vor allem die Kosten für die Sozialhilfe, für die Bildung, die AHV-Ergänzungsleistungen und die Pflegekosten, die stetig ansteigen und welche die Gemeinde, da gebunden, nicht beeinflussen kann.
Bildung, Gesundheit und Soziales kosten die 530-Einwohner-Gemeinde mittlerweile rund 3,3 Millionen Franken im Jahr. Zwar sind auch die Steuererträge gestiegen und betragen mittlerweile rund 1,4 Millionen. Dennoch: «Die Einnahmen halten mit den ständig steigenden Ausgaben einfach nicht Schritt», sagt Adriana Marti.
Die Folge davon ist, dass dringend notwendige Investitionen, wie ein neues Feuerwehrmagazin, eine Ersatzlösung für die Abwasserreinigungsanlage, die fortlaufende Instandstellung des Wasserleitungsnetzes oder auch dringend notwendige Sanierungen der Gemeindestrassen praktisch unmöglich werden. Mit der Konsequenz, dass die Gemeinde die Investitionen vor sich herschiebt. Investitionsarbeiten aber werden durch Aufschub nicht billiger, sondern im Gegenteil dereinst teurer. Ein Teufelskreis.
Es droht die Zwangsverwaltung
Hält die Gemeinde jedoch an ihren Investitionsvorhaben fest, droht ihr in zwei bis drei Jahren die Bevormundung durch den Kanton, beziehungsweise die kantonale Zwangsverwaltung, bei welcher der Kanton in der Budgetierung ein gewichtiges Wort mitredet. Dabei ist die Situation aber nicht widerspruchsfrei: Ein Teil der Investitionen, etwa das Feuerwehrmagazin, wird nämlich von der Solothurnischen Gebäudeversicherung und damit quasi vom Kanton selber verlangt.
Natürlich versucht die Gemeinde, das Schicksal einer Bevormundung abzuwenden und hat deshalb nach Erstellen einer finanziellen Auslegeordnung das Gespräch mit den kantonalen Behörden – in diesem Fall mit dem Amt für Gemeinden (Agem) – gesucht. Basierend darauf versucht der Gemeinderat nun, einen Massnahmenplan zu erarbeiten, um bereits für das Budget 2026 erste Schritte zur Defizitsenkung einleiten zu können.
Und offenbar hat man auch in der Kantonsregierung den Ernst der Situation erkannt und Kienberg Hilfe angeboten. Zumindest haben vor wenigen Tagen Volkswirtschaftsdirektorin Brigitte Wyss und Bildungsdirektor Remo Ankli den Gemeinderat zu einer Aussprache empfangen. «Wir hatten einen guten Meinungsaustausch. In erster Linie ging es aber darum, Türen zu öffnen», sagt Adriana Marti-Gubler. Natürlich lägen noch keine Lösungen auf dem Tisch. «Wir stehen auch erst am Anfang eines steinigen Wegs.»
Verkauf des Tafelsilbers
Wie aber soll denn die Gemeinde den Hebel ansetzen, wenn ohnehin die meisten Ausgaben kaum beeinflussbar sind? Es gebe immer Möglichkeiten, so die Gemeindepräsidentin. «Die Frage ist einfach, ob sie zielführend sind.»
In Frage käme etwa der Verkauf von gemeindeeigenem Bauland, was zwar zu Mehreinnahmen führen würde, aber einen bloss einmaligen Effekt hätte. Möglicherweise könnten sich auch bei einer Neuverhandlung der Tarife bei der ambulanten Pflege oder bei der Überprüfung der Schulstrukturen Einsparungen ergeben. Auch über eine Erhöhung der einen oder anderen Gebühr könne man diskutieren.
Was Marti-Gubler möglichst vermeiden möchte, ist eine Steuererhöhung. Der Steuersatz liegt mit 129 Prozent der Staatssteuern bereits sehr hoch. Eine Erhöhung, so befürchtet sie, «könnte zu einer Abwanderung führen». Eine Befürchtung, die nicht aus der Luft gegriffen ist. Seit die Gemeinde nämlich 2020 ihren Steuersatz von extrem hohen 135 auf immer noch sehr hohe 129 Prozent gesenkt hat, verzeichnet sie einen leichten Bevölkerungszuwachs.
Die Entwicklungsmöglichkeiten von Kienberg sind vom heutigen Gesichtspunkt aus gering. Abgesehen von Landwirtschaft und etwas Kleingewerbe gibt es kaum wirtschaftliche Tätigkeit. Ein Windpark ist zwar seit gut einem Jahrzehnt geplant, wurde bisher aber von Gegnern in der Region erfolgreich verzögert. Um Wohnraum für neue Bewohner (und Steuerzahler) zu schaffen, wurde eine gemeindeeigene Liegenschaft einer örtlichen Baugenossenschaft im Baurecht abgegeben. Das vom Gemeinderat mit Anteilscheinen und zinslosem Darlehen forcierte Projekt Hübelistrasse war indessen innerhalb der Gemeinde alles andere als unumstritten. Demgegenüber ist Adriana Marti-Gubler nach wie vor vom Sinn und Nutzen des Vorhabens überzeugt.
Eigentlich wäre die Gemeinde Kienberg fast schon eine Fusionskandidatin. Doch abgesehen davon, dass man sich in der Region mit Fusionen nicht ganz leicht tut, kommt bei der Gemeinde Kienberg eine schier unüberwindbare Hürde hinzu: ihre Lage als solothurnische Beinahe-Exklave. Die gemeinsame Grenze mit der einzigen Solothurner Nachbargemeinde Erlinsbach misst nur rund 200 Meter und befindet sich erst noch in unwegsamem Gelände neben der Geissfluh.
Kommt hinzu, dass Erlinsbach ennet dem Jura im Mittelland liegt und Fusionen über den Berg schwer vorstellbar sind. Die anderen Nachbargemeinden aber gehören entweder zum Kanton Aargau wie Wittnau, Wölflinswil, Oberhof und Erlinsbach (AG) oder zum Kanton Baselland (Anwil und Oltingen). Mit wem also fusionieren?