Gespräch im Kloster Schönthal mit Unternehmer Guido Fluri
Guido Fluri, Initiant der Wiedergutmachungsinitiative für Heimund Verdingkinder, sprach in Langenbruck über das erlittene Unrecht und darüber, warum finanzielle Entschädigungen allein keine Heilung ...
Gespräch im Kloster Schönthal mit Unternehmer Guido Fluri
Guido Fluri, Initiant der Wiedergutmachungsinitiative für Heimund Verdingkinder, sprach in Langenbruck über das erlittene Unrecht und darüber, warum finanzielle Entschädigungen allein keine Heilung bringen.
André Frauchiger
Guido Fluri, geboren 1966, hatte selbst eine schwere Kindheit. Er erlebte die «Ohnmacht, nicht angenommen zu werden», und das Gefühl, verstossen zu sein. Seine 17-jährige Mutter erkrankte kurz nach seiner Geburt an Schizophrenie; er wuchs bei den Grosseltern und im Heim auf. Mit Bodenständigkeit, Fleiss, Geschick und Glück schaffte er es als Erwachsener in den Kreis der 300 reichsten Personen der Schweiz. Sein heutiges Vermögen wird auf rund 375 Millionen Franken geschätzt. Einen beachtlichen Teil davon setze er für seine Stiftung ein, erklärte Fluri im Gespräch.
Im Rahmen einer interdisziplinären Veranstaltungsreihe im Saal des Klosters Schönthal in Langenbruck gab der Unternehmer und Initiant der Wiedergutmachungsinitiative für Heim- und Verdingkinder Auskunft über sein Engagement für Benachteiligte. Er habe sein Vermögen erwirtschaftet, «aber nicht mit zu grossem Risiko, denn dies würde bei mir Ängste auslösen».
Druck mit Iniative ausgeübt
Er führt heute eine eigene Stiftung, die sich mit Themen wie Gewalt an Kindern, Leben mit Schizophrenie und Hirntumoren befasst. Doch die Schilderungen über das Leid und die Not der Heim- und Verdingkinder verschlagen ihm nach wie vor fast die Sprache, wie das Gespräch mit Jeanette Fischer zeigte. Die Aufarbeitung der erlittenen Ungerechtigkeiten sei in der Schweiz schwierig gewesen – selbst mit dem Druck, den er mit seiner Initiative habe ausüben können, meint Fluri. Mit einer Mischung aus Hartnäckigkeit und und Kompromissbereitschaft habe er aber eine Entschuldigung der Eidgenossenschaft und eine Entschädigungszahlung von rund 25 000 Franken an alle Betroffenen erreicht. Für ihn ist klar: «Missbräuche sind auch mit Geld nicht wegzutherapieren.» Man könne jedoch lernen, damit umzugehen.
Wichtig sei, den längst erwachsenen Betroffenen mit Wertschätzung zu begegnen und ihnen, wo möglich, das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Das Problem bestehe nach wie vor, denn die Psyche sei dauerhaft beeinträchtigt. Fluri: «Es bleibt für die Betroffenen wie eine Falltür bestehen.» Das Erlebte könne jederzeit wieder präsent werden und schwere psychische Folgen haben.
Gegen Unrecht hilft Geld nicht
Auf die Frage aus dem Publikum, ob seine Bemühungen letztlich nicht bloss eine Alibiübung seien, wurde Fluri deutlich: Es sei ihm nicht darum gegangen, Täter zu suchen und anzuklagen – die meisten seien inzwischen verstorben. Das geschehene Unrecht könne nicht mit Geld gesühnt werden. Die Schweiz habe sich «viele Jahre mit dem Thema schwergetan», auch aus Angst, ein Präjudiz für andere Entschädigungsforderungen zu schaffen.
Sein Fazit: «Die Zahlungen und die Entschuldigung der Eidgenossenschaft waren für die Betroffenen ein Kompromiss – mehr war nicht zu erreichen.» Wichtig sei ihm, dass besonders die jüngeren Generationen über das begangene Unrecht informiert werden. Denn so etwas dürfe sich nicht wiederholen.