Geduld macht den Jagderfolg aus
09.10.2025 WintersingenBruno Frey hat in seinem Revier 169 Wildschweine erlegt
Mit insgesamt 169 in Wintersingen erlegten Wildschweinen ist Bruno Frey einer der erfolgreichsten Jäger der dortigen Jagdgesellschaft. Die meisten hat der 80-Jährige von seinem Hochsitz aus zur Strecke gebracht. ...
Bruno Frey hat in seinem Revier 169 Wildschweine erlegt
Mit insgesamt 169 in Wintersingen erlegten Wildschweinen ist Bruno Frey einer der erfolgreichsten Jäger der dortigen Jagdgesellschaft. Die meisten hat der 80-Jährige von seinem Hochsitz aus zur Strecke gebracht. Sind Wildschweine doch nicht so schlau, wie es immer heisst?
Christian Horisberger
Das «Jagdzimmer» ist Bruno Freys Reich. Es quillt fast über vor lauter Erinnerungen an eine offensichtlich erfolgreiche Karriere als Jäger: An den Wänden des Zimmers im Sockelgeschoss des Einfamilienhauses unter den Wintersinger Reben hängen viele Dutzend Geweihe von Rehen, mehrere Schilde mit den langen Hauern von Keilern, dem «Gewaff», darauf. Mittendrin eine alte Büchse. Das auffälligste Stück der Sammlung ist das ausladende Geweih eines Hirschs mit 14 Enden. Es stamme von einem Jagdausflug nach Ungarn, sagt der Jäger dazu und erzählt begeistert von seiner bisher letzten Auslandsreise mit der Büchse: Sie führte ihn und seine Kameraden nach Rumänien, und er habe einen gut 150 Kilogramm schweren Keiler erlegt. Der grösste Keiler, den Bruno Frey im eigenen Revier je zur Strecke brachte, war mit 101 Kilogramm im Vergleich geradezu ein Leichtgewicht. Nichtsdestotrotz liess der Jäger die Schwarte dieses Wintersinger Exemplars gerben. Sie ist eine weitere Trophäe an der Wand.
Zusammengetragen hat Bruno Frey, der im Januar seinen 80. Geburtstag feierte, all diese Trophäen während mehr als 40 Jahren. 1984 wurde ihm das vom damaligen Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektor Werner Spitteler unterzeichnete Jagdbrevet ausgehändigt – freilich hat das Dokument an der Wand des Jagdzimmers einen Ehrenplatz. Seither hat sich der Mann speziell als Wildsaujäger hervorgetan. Alleine im Revier Wintersingen habe er 169 Schwarzkittel erlegt, sagt er. Der Baselbieter Jagdverwalter Holger Stockhaus spricht von einer «beträchtlichen» Zahl: «Frey hat einiges mehr erlegt als viele andere», doch gebe es im Kanton sicherlich einige Spezialisten mit einer noch höheren Anzahl Wildschweinen auf dem Kerbholz.
Ausdauernd und wetterfest
Was Frey gegenüber manch anderem Jäger auszeichnen dürfte, sind seine grosse Ausdauer, Geduld und Wetterfestigkeit. Kaum ein Tag vergeht, an dem er sich nach dem Eindunkeln nicht auf die Lauer legt: «Man muss auch hinausgehen, wenn das Wetter nicht gerade verlockend ist», sagt er. Seine Methode ist einfach: Er lockt die Wildschweine mit Mais an. Die Lockfütterung – oder «Kirrung» – befindet sich 35 Meter von seinem Hochsitz entfernt, der idealen Distanz für einen «sauberen», einen tödlichen Schuss.
Wie kommt es, dass diese doch simple Methode seit Jahrzehnten funktioniert, wo Wildschweine doch als überaus intelligente Tiere gelten? Dazu Experte Frey: Werde ein Tier aus einer Rotte getötet, meide diese – und nur diese – Gruppe die Futterstelle tatsächlich, aber nicht auf Dauer: «Nach zehn bis vierzehn Tagen lässt sie sich wieder blicken.» In der Zwischenzeit schauen andere Rotten vorbei.
Ins Visier nimmt der Jäger hauptsächlich ältere Jungtiere, die sogenannten Überläufer. Die Muttertiere, welche die Rotte anführen, und noch gestreifte Frischlinge schont er. Vor dem Schuss beobachtet er die Rotte genau, um sicherzugehen, dass er kein zu schonendes Tier tötet, sagt Frey: «Vor wenigen Nächten traf ich zwei Bachen mit zwei Frischlingen an. Ich konnte nicht eindeutig erkennen, bei welcher Bache es sich um das Muttertier handelt, also liess ich sie ziehen.» Die vielen Nächte, in denen er ohne Beute heimkehrt, seien für ihn keine verlorene Zeit, sagt der Jäger. Während er konzentriert in die Natur höre und schaue, könne er abschalten und alles andere für eine Weile vergessen. «Um zufrieden zu sein, muss ich nicht schiessen.»
Zielfernrohr und Wärmebild
Wenn er aber schiesst, dann trifft er meistens auch. Einerseits ist er bestens ausgerüstet: Seine bevorzugte Jagdwaffe, eine Büchse der Marke Blaser, Kaliber 7,64 mm, verfügt über ein Zielfernrohr, kombiniert mit einer Wärmebildkamera. Ausserdem führt er stets ein Nachtsichtgerät mit, um das Wild «anzusprechen», es also zu beobachten und zu identifizieren. Andererseits ist Frey ein ausgezeichneter Schütze – im Sinne des Wortes: Zahllose Medaillen, Krüge, Wappenscheiben oder Zinnkannen im Jagdzimmer zeugen von Erfolgen an Schiesswettbewerben mit dem Karabiner und der Pistole. Aus einer mit Auszeichnungen vollgestellten Vitrine greift er einen Pokal für den Pistolen-Sektionssieg am traditionellen Rütlischiessen 2021. Die vielen «Kränze» unter der gläsernen Tischplatte und etliche Ehrengaben sind Belege für unzählige erfolgreiche Teilnahmen an Wettschiessen und seine Verdienste um den Schiesssport: Er ist Ehrenpräsident der Feldschützengesellschaft Wintersingen und des Bezirksschützenverbands sowie Ehrenmitglied der Kantonalschützengesellschaft. Darüber hinaus verfasst er als Aktuar seit 60 (!) Jahren die Protokolle seines Kaninchenzüchtervereins. Wenn sich Bruno Frey für etwas engagiert, dann richtig.
Das gilt im Familienleben genauso. Auf dem Hof der Grosseltern in Wintersingen aufgewachsen, absolvierte Frey eine Ausbildung zum Landwirt. Einen Hof übernehmen konnte er nicht, so liess sich der Jüngling auf dem Hof Farnsburg bei Ormalingen anstellen, wo er Inge traf. Die beiden heirateten, bekamen drei Töchter und bauten ein Haus. Am diesjährigen «Santichlaustag» wird das Ehepaar seinen 61. Hochzeitstag feiern. Nur der Landwirtschaft kehrte Frey den Rücken: Knapp 30-jährig verpflichtete er sich bei der Ciba-Geigy, der heutigen Novartis, als Tierzüchter und stieg später zum Einkäufer von Versuchstieren auf. Mit 60 liess er sich pensionieren. Mehr Zeit für die Jagd …
Eicheln und Schnecken
Bruno Frey ist nicht der einzige Wintersinger Jäger, der sich auf die Wildschweinjagd versteht. Im vergangenen Jagdjahr – von April 2024 bis März 2025 – erlegten die sieben Pächter der Jagdgesellschaft Wintersingen insgesamt 44 Schwarzkittel – mehr als jede andere Gesellschaft im Oberbaselbiet. Frey, der wegen eines Unfalls, der eine Operation nach sich zog, für längere Zeit ausfiel, steuerte «nur» vier Tiere dazu bei. Im Jahr des Unfalls gab er auch das Amt des Jagdaufsehers ab, das er seit 2010 ausgeübt hatte.
Obwohl er nun wieder fit ist, dürfte der Routinier 2025/26 kaum mehr Wildschweine zur Strecke bringen als vergangene Saison. Bisher stünden im gesamten Revier erst sechs Abschüsse zu Buche, er rechnet fürs ganze Jagdjahr mit höchstens 20 Tieren. Als wahrscheinlichen Grund für die tiefe Schätzung nennt er den in diesem Jahr von der Natur reich mit Eicheln, Bucheckern oder auch Schnecken gedeckten Tisch. Die Tiere würden den Mais an den Kirrungen daher eher verschmähen. Eher, aber nicht konsequent: Vor wenigen Tagen schoss Frey von seinem Hochsitz im Gebiet Kleematt, nur anderthalb Kilometer von seiner Haustüre entfernt, einen Überläufer. «Dieses ‹Säuli› behalte ich», sagt er. Denn der Jäger hat die Wildsau nicht nur gerne vor der Büchse, sondern auch auf dem Teller. Am liebsten verspeist er sie als Braten mit Kartoffelstock und Apfelschnitzen, zubereitet von seiner Ehefrau. «Mein Leibgericht.»