Geburtshelfer für Lumo
02.05.2025 GelterkindenESC-Maskottchen stammt aus dem Oberbaselbiet
Seit Langem stellen die Basler Zwillingsbrüder Urs und Beat Kipfer Larven her. Ihr Larvenatelier heisst «s’ander Atelier» und befindet sich seit rund fünf Jahren in Gelterkinden. «Anders» war auch ein aktueller Auftrag: In ihrem Atelier wurde das ESC-Maskottchen «auf die Welt gebracht».
Brigitte Keller
Der Endspurt der Vorbereitungen für den Eurovision Song Contest (ESC) vom 13. bis 17. Mai in Basel läuft. Die ersten Begleit-Veranstaltungen haben begonnen. Und auch das ESC-Maskottchen Lumo – ein Herz mit feurigen Haaren und Kulleraugen – hatte bereits seinen ersten Auftritt, und man wird ihm bald auf den Strassen Basels begegnen. Zum Leben erweckt wurden die Lumos – es sind zwei Stück – im «s’ander Atelier» in Gelterkinden.
Beim Besuch im Atelier der Brüder Kipfer wird schnell klar, weshalb es eine gute Idee war, den Bau des ESC-Maskottchens Lumo hier in Auftrag zu geben. Zusammen bringen es die Brüder auf mehr als 100 Jahre Erfahrung in der Herstellung von Larven und anderen anspruchsvollen Gebilden. Sie arbeiten mit allen denkbaren Materialien und kennen sich auch mit modernster Technik bestens aus. In ihrem Atelier hat es 3D-Drucker in allen Grössen.
Als sie zusagten, das ESC-Maskottchen zu bauen, wussten sie noch nicht, wie es aussehen würde. Auch nicht, welche Form es haben wird und welche Funktionen es erfüllen muss. «Wir fanden, es wäre ‹nett›, wenn es in der Region und nicht in China hergestellt wird, und haben unser Interesse angemeldet», erzählt Urs Kipfer.
Viel Erfahrung
«Was muss man mit dem Objekt machen können und was ist seine Funktion?» lautet jeweils eine der ersten Fragen, welche die beiden Spezialisten stellen. Ihre langjährige Erfahrung lässt sie schnell erkennen, worin jeweils die grössten Herausforderungen bestehen. «Die Leute kommen manchmal mit sehr originellen Ideen für Larven zu uns ins Atelier und wir sehen dann schnell, dass das so nicht funktionieren kann.» So war es auch bei «Lumo». «Dass es die Form eines Herzens hat, ist sehr sympathisch», sagen die beiden Künstler. Die runde Form, aber auch die Tatsache, dass das Maskottchen weich und kuschelig sein sowie sich bewegen können muss, habe verschiedenste Herausforderungen mit sich gebracht. Auch der zeitliche Rahmen war sportlich. Diese Punkte sofort zu erkennen und anzusprechen – damit hätten sie wohl auch die Auftraggeber überzeugt. «Solche Lösungen zu finden, das ist unser tägliches Brot», sagt Urs Kipfer.
Die Leidenschaft der Brüder für die Fasnacht und für das Bauen von Larven hat schon sehr früh angefangen. Mit sechs Jahren seien sie zum «Barbara-Club 1902», einer der alten Basler Stammcliquen, gekommen, und bereits mit zehn Jahren seien sie zum ersten Mal im Larvenatelier gestanden. Dannzumal hätten noch viele Cliquen ihre Larven selber hergestellt. Im Alter von 15 Jahren hätten sie begonnen, die ganzen Larven für die Junge Garde anzufertigen. Das bedeutete damals, rund 200 Larven herzustellen, «die früher erst noch um einiges grösser und aufwendiger waren», so die Brüder.
Sie sind über all die Jahre beim Larvenbauen geblieben. Zuletzt waren es deren 200 bis 300 pro Jahr. Nächstes Jahr, wenn sie «ins Pensionsalter» kommen, werden es noch mehr werden, das wüssten sie bereits. Denn ab dann wollen sie sich beide zu 100 Prozent dem Larvenbauen widmen und nochmals richtig Gas geben. «Ja, man muss angefressen sein
– und das sind wir offensichtlich», gibt Urs Kipfer lachend zu. «Ab September bis zur Fasnacht hat man kein freies Wochenende, und reich wird man dabei nicht.»
Damit die Fasnächtler aus Basel für das Anpassen der Larven nicht jedes Mal nach Gelterkinden fahren müssen, hat sich Urs Kipfer im Vorfeld der letzten Fasnacht etwas Neues einfallen lassen. Er eröffnete eine kleine Dependance. Klein im wahrsten Sinne des Wortes, denn diese befindet sich in einem ehemaligen Kiosk. Dort gab der Larvenbauer vor und während der Fasnacht Tipps und Tricks für das Herstellen von Larven, nahm Larven aller Art zur Reparatur entgegen oder flickte kleinere Schäden gleich vor Ort. Die Idee mit dem «Fasnachtskiosk» an der Schützenmattstrasse fand grossen Anklang in Basel, wie auch das Medienecho zeigte.
Das ESC-Maskottchen konnte sich beim Entstehen also in den wohl fähigsten Händen fühlen. Und auch Lynn Brunner, die das Maskottchen entworfen und damit den ESC-Wettbewerb gewonnen hatte, ist froh um das Fachwissen der Brüder Kipfer. Denn die 20-jährige Studentin der Hochschule für Gestaltung und Kunst der FHNW hat beim Entwerfen noch nicht daran gedacht, was es alles braucht, damit Lumo dereinst in Menschengrösse zum Leben erweckt werden kann.
Bald sind die Lumos unterwegs, um den Menschen Freude zu bereiten. Die wenigsten werden, wenn sie ihnen begegnen, daran denken, was alles bis dahin nötig gewesen ist. Die eine oder andere Person wird sich vielleicht Gedanken machen, wie anspruchsvoll es ist, mit dem Maskottchen herumzulaufen, zu tanzen und zu knuddeln. Im Innern wurde ein Tragegestell montiert mit jeweils einem Ventilator. Doch ein paar Schweissperlen wird es bestimmt geben beim Tragen der rund 12 Kilogramm schweren Lumos.