Fuchs, Dachs & Co. ertasten statt sehen
28.05.2024 OrmalingenJäger brachten blinden Menschen die Wildtierwelt näher
Jagd Baselland empfing Blindenhundführerinnen und -führer zu einem speziellen Event: Sie liessen sie die hiesige Tierwelt ertasten. Alle Teilnehmenden zeigten sich begeistert.
Elmar ...
Jäger brachten blinden Menschen die Wildtierwelt näher
Jagd Baselland empfing Blindenhundführerinnen und -führer zu einem speziellen Event: Sie liessen sie die hiesige Tierwelt ertasten. Alle Teilnehmenden zeigten sich begeistert.
Elmar Gächter
Es ist Samstagvormittag am Fuss der Ruine Farnsburg. Gespannt warten Mitglieder von Jagd Baselland auf ihre besonderen Gäste. Das Erlebnismobil Wald und Wild präsentiert seinen grossen Fundus und vom Grill her umschwärmt bereits heimeliger Rauch die Nase der Anwesenden. Und dann sind sie da, die zehn blinden oder stark sehbehinderten Personen mit ihren Blindenhunden samt ihren Begleiterinnen und Begleitern.
Gegen zwei Stunden waren sie auf ihrer anspruchsvollen Wanderung von der Wintersingerhöhe her unterwegs, um hier auf ihrem Weg nach Gelterkinden zu rasten und vor allem Interessantes zu erleben. Für die Führhundehalterinnen und -halter ist es der Abschluss ihres dreitägigen Seminars, Teil einer obligatorischen Weiterbildung. Sie alle haben ihre Hunde in der Blindenhundeschule Liestal ausbilden lassen.
«Der heutige Anlass ist ein besonderes Erlebnis für Mensch und Hund», hält Peter Kaufmann, Geschäftsführer der Schule, fest. Er macht dies einerseits an der Wanderung durch den Wald fest, andererseits und vor allem an der Möglichkeit, mit einheimischen Wildtieren auf Du und Du zu stehen und sie anfassen und betasten zu können. Rund 80 verschiedene Tiere, alle bei Verkehrsunfällen umgekommen, hat Jagd Baselland präparieren lassen, um sie seit rund 16 Jahren für verschiedene Interessengruppen präsentieren zu können, mit dem Ziel, die Jagd und die heimischen Wildtiere der Bevölkerung näherzubringen. «Unsere Jagdgesellschaften durften schon die verschiedensten Gäste, insbesondere auch Schulen, begrüssen, aber eine Gruppe von Blinden und Sehbehinderten wie heute ist erstmalig», sagte Ruedi Schweizer, langjähriger Obmann der Schwarzwildkommission bei Jagd Baselland.
Bei der Gästeschar rief nicht nur die Grösse des ausgestellten Keilers Staunen hervor, sie liess sich auch fesseln von den reichhaltigen Geschichten rund um die schlauen Schwarzkittel. Ebenso angetan zeigte sich die Besuchergruppe von den andern Waldbewohnern. «Mich hat der Dachs am meisten überrascht, ich habe ihn viel kleiner in Erinnerung», meinte Ivonne Rutschmann aus Pratteln, die mit sechs Jahren ihr Augenlicht weitgehend verloren hat und das Aussehen vieler Tiere nur vom Hörensagen her kennt.
Auch Astrid Hess aus Uzwil war begeistert, die Präparate anfassen und Gestalt, Fell und Grösse der Wildtiere hautnah spüren zu können. «Zudem kann man Fragen stellen und erhält Hintergrundinformationen über Wesen, die schon ewig lange mit uns zusammenleben.» Seraina Meyer aus Schwaderloch, die seit Geburt weitgehend blind ist, hat es der Fuchs mit seinem sich angenehm anfühlenden Fell besonders angetan. «Spannend sind für mich auch die Wildschweine, ich habe sie jedoch lieber als Bratwurst auf dem Grill», hielt sie mit Schmunzeln fest.
Intensive Hunde-Ausbildung
Alle Blindenhundführerinnen kamen über ihre vierbeinigen Lieblinge ins Schwärmen. Ob Airedale-Terrier, Königspudel, Weisser Schäfer oder Labrador, alle sind ihnen ans Herz gewachsen und sie würden ihre Hündin oder ihren Hund für kein Geld dieser Welt hergeben. Für Astrid Hess bedeutet ihre sechsjährige Labradorhündin sogar mehr als ein Sechser im Lotto.
Laut Thomas Wiggli, Vizepräsident des Vereins, bildet die Blindenhundeschule Liestal 14 verschiedene Rassen aus. Nach der bis zwei Jahre dauernden Kinderstube bei privaten und ehrenamtlich tätigen Haltern werden die Hunde je nach Rasse bis zu zehn Monate von professionellen Instruktorinnen und Instruktoren ausgebildet. «Rund die Hälfte der Hunde scheidet dabei als Führhunde aus, ein Teil von ihnen kann jedoch als Vertrauenshund für Autisten ausgebildet oder als Botschafterhund für Besuche in Alterswohnheimen oder in Heilpädagogik-Institutionen eingesetzt werden», so Wiggli.
Die Schule beschäftigt zurzeit 16 Mitarbeitende mit rund 10 Vollzeitstellen. Die rund 60 Hunde, die an die Klientinnen und Klienten der Schule ausgeliehen sind, bleiben Eigentum des Vereins. «Die Nachfrage nach ausgebildeten Führhunden ist sehr gross und deshalb müssen Interessierte bis zu drei Jahren Wartezeit in Kauf nehmen», hält Thomas Wiggli fest. Finanziert wird die Ausbildung der Führhunde, die bis zu 70 000 Franken pro Hund kosten kann, etwa zur Hälfte von der Invalidenversicherung. Die andere Hälfte muss durch Spenden gedeckt werden. Für die Aus- und Weiterbildungskosten von Instruktorinnen und Instruktoren sowie für die nötige Infrastruktur und deren Unterhalt ist der Verein vollumfänglich auf Spenden und Erbschaften angewiesen.