Frust und Freude bei den Schafzüchtern
01.04.2025 HölsteinDie für Schafe zuweilen tödliche Blauzungenkrankheit beschäftigt die Züchter und Halter nach wie vor stark. Dennoch sorgte die Frühjahrsschau in Hölstein auch für viel Ermutigendes. Eine Reportage.
Elmar Gächter
Seit ...
Die für Schafe zuweilen tödliche Blauzungenkrankheit beschäftigt die Züchter und Halter nach wie vor stark. Dennoch sorgte die Frühjahrsschau in Hölstein auch für viel Ermutigendes. Eine Reportage.
Elmar Gächter
Seit vergangenem Herbst ist die Welt der Schafzüchter und Schafhalter nicht mehr die gleiche. Viele ihrer Tiere wurden von der Blauzungenkrankheit heimgesucht mit einer grossen Mortalität. Sie hat unter anderem dazu geführt, dass die letztjährige Herbstschau des Schafzuchtvereins Baselland und Umgebung auf dem Schillingsrain in Liestal abgesagt werden musste (die «Volksstimme» berichtete).
Da sich die Situation über die Wintermonate vorübergehend beruhigt hat – mit den die Krankheit übertragenden Mücken ist in den wärmeren Monaten wieder zu rechnen –, liess sich indessen die traditionelle Frühjahrsschau in Hölstein durchführen. In der Bärenmatte stellten sich am Samstag rund 75 Tiere aus sieben der zwölf anerkannten Rassen des Schweizerischen Schafzuchtverbandes mit einem Mindestalter von vier Monaten dem Experten und seinen beiden Auszubildenden, den sogenannten Scholaren. Im Gegensatz zur Herbstschau, an der ausschliesslich Schafe der Vereinsmitglieder bewertet werden, kamen Schafzüchter aus der ganzen Region an den Anlass im Oberbaselbiet.
Keine Geburten
Kurt Vogt aus Hölstein liess zwei seiner Jungtiere bewerten. Er züchtet seit mehreren Jahrzehnten weisse Alpenschafe und meint: Selbstverständlich freue man sich an schönen Schafen. Wichtiger als das Aussehen sei jedoch die Zucht. «Die Bewertung zeigt mir die Entwicklung, und nicht zuletzt ist der Vergleich mit anderen Tieren wertvoll.»
Auch seine Herde war von der Blauzungenkrankheit befallen. Bei mehreren Tieren machten sich Anzeichen bemerkbar, eines musste er ärztlich behandeln lassen. Was ihm in diesen Frühjahrstagen besonders auffällt, ist der Umstand, dass noch kein einziges seiner Mutterschafe gelämmert hat. «Dies ist das erste Mal in meiner langen Zeit als Schafhalter und -züchter. Die Muttertiere nehmen entweder nicht auf oder haben Frühgeburten», so Kurt Vogt.
Da für ihn die Zucht und die Haltung von Schafen ausschliesslich Hobby sei, führe dies zu keinen wirtschaftlichen Einbrüchen. Er berichtet jedoch von einem Kollegen, der wegen der Blauzungenkrankheit seinen Betrieb mit mehr als 100 Schafen aufgegeben hat. Für Vogt war es klar, seine Schafe zu impfen.
Schafhalter warten auf Geld
Vereinspräsident Philipp Miesch ist an der Frühjahrsschau zwar mit keinem seiner rund 75 Schafe vertreten, jedoch in verschiedenen Chargen am Anlass im Einsatz. Auch er hat festgestellt, dass viele seiner Tiere nicht trächtig sind oder dann wesentlich später als normal ihre Jungen zur Welt brachten. «Ich schreibe dies dem Umstand zu, dass die Schafe im Herbst nicht ‹zwäg› waren.»
Er wird seine Schafe demnächst impfen in der Hoffnung, dass die Impfung mindestens dazu beiträgt, einen allfälligen Krankheitsverlauf zu mildern. Miesch geht davon aus, dass die meisten der Vereinsmitglieder ihre Tiere impfen lassen. Die Impfung mit dem Wirkstoff gegen BTV-3 ist angelaufen und geht zulasten der Tierhalter.
Einzelne der an der Frühjahrsschau teilnehmenden Schafhalter kritisieren gegenüber der «Volksstimme», dass die Auszahlung der Entschädigungen für Tiere, die wegen der Blauzungenkrankheit verendeten oder getötet werden mussten, viel zu spät erfolge und man sich sowohl beim Bund als auch beim Kanton eine grössere organisatorische Unterstützung wünsche (siehe auch Bildkasten auf dieser Seite). «Wahrscheinlich sind wir im Kanton Baselland zu unbedeutend im gesamtschweizerischen Vergleich», so die Meinung eines Züchters.
Hohe Qualität
Zurück zur Frühjahrsschau. Experte Andreas Binder aus dem zürcherischen Maschwanden bewertete mit seinen beiden in der Ausbildung stehenden «Scholaren» die Tiere nach den Hauptmerkmalen Typ (Format), Fundament und Wolle. Binder lobte die hohe Qualität vieler Tiere: «Wir konnten in allen Kategorien einzelnen Auen und Widdern die höchste Punktzahl geben.» Dies freut selbstverständlich die Schafzüchter und Schafhalter und motiviert sie bei aller momentanen Problematik, auch weiterhin ihrer Leidenschaft nachzugehen.
Rangliste der Frühlingsschau: www.svz-blu.ch
NACHGEFRAGT | MARIE-LOUISE BIENFAIT, KANTONSTIERÄRZTIN
«Es ist wichtig, dass alle Tiere geimpft werden»
Frau Bienfait, wie steht es um die Blauzungenkrankheit im Baselbiet, insbesondere bei den Schafen?
Marie-Louise Bienfait: Die Situation hat sich, bedingt durch die saisonale Inaktivität der übertragenden Gnitzen, entspannt. Gerade bei Schafen werden uns aktuell keine Krankheitsfälle gemeldet.
Laut Fachleuten soll die zweite Welle noch stärker werden als die erste.
Erfahrungen aus anderen betroffenen europäischen Ländern zeigen einen schwereren Verlauf im zweiten Jahr des Auftretens von BTV-3. Da uns hier die entsprechenden Erfahrungen fehlen, können wir dazu keine Angaben machen. Wir gehen jedoch davon aus, dass durch die Impfung weniger schwere Verläufe und Todesfälle auftreten.
Wie wird die Impfkampagne des Bundes im Baselbiet genutzt?
Da die Impfung freiwillig ist und dem Veterinärdienst nicht gemeldet werden muss, liegen uns keine Zahlen zur Anzahl geimpfter Tiere vor. Aufgrund von Gesprächen mit Landwirten und Tierärzten haben wir jedoch den Eindruck, dass die Impfbereitschaft hoch ist.
Stimmt es, dass die Impfung den Virus nicht abtötet? Wenn ja, was heisst dies für geimpften Schafe und die Schafhalter?
Gemäss aktuellem Wissenstand schützen die verfügbaren Impfstoffe gegen BTV-3 zwar vor schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen, nicht aber vor einer Ansteckung selbst. Das heisst, dass eine Ausbreitung der Blauzungenkrankheit trotz Impfung möglich ist. Aus diesem Grund ist es ausserordentlich wichtig, dass alle empfänglichen Tiere jeder Altersstufe geimpft werden. Die Impfung ist die einzige Massnahme, mit der schweren Krankheitsverläufen und massiven langfristigen wirtschaftlichen Schäden vorgebeugt werden kann.
Müssen die Tiere weiterhin in bestimmten Abständen geimpft werden?
Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von der Dauer des Impfschutzes, vom Infektionsdruck und so weiter. Laut Fachleuten soll der Impfschutz bis zu einem Jahr anhalten. Zurzeit können wir daher noch keine Empfehlungen für die Folgejahre aussprechen. Die Entwicklung wird jedoch genau beobachtet, damit Tierhalterinnen und -halter rechtzeitig über die aktuellen Impfempfehlungen informiert werden können.
Gibt es in der Zwischenzeit weitere Erkenntnisse, worauf der Schafhalter achten muss, damit die Tiere nicht mit dem Virus in Berührung kommen?
Halter können ihre Tiere zusätzlich zur Impfung schützen, indem sie den Mückenbefall senken. Dies ist zum Beispiel möglich durch die Unterbringung der Tiere im Stall über Nacht, das Anbringen von Insektenschutznetzen, eine gute Lüftung, die Behandlung der Tiere mit Insektenschutzmitteln, ein regelmässiges Entfernen des Mistes (1 Mal pro Woche) oder das Trockenlegen von Brutplätzen der Mücken.