Feldforschung mit dem Feldstecher
03.10.2025 LauwilAuf der Ulmethöchi werden Vögel gezählt
Einfangen, beringen und wieder freilassen: Aktuell läuft die Ulmet-Aktion oberhalb von Lauwil. Der Basellandschaftliche Naturund Vogelschutzverband wird dabei von zahlreichen Freiwilligen unterstützt. Ein Augenschein.
...Auf der Ulmethöchi werden Vögel gezählt
Einfangen, beringen und wieder freilassen: Aktuell läuft die Ulmet-Aktion oberhalb von Lauwil. Der Basellandschaftliche Naturund Vogelschutzverband wird dabei von zahlreichen Freiwilligen unterstützt. Ein Augenschein.
Brigitt Buser
Bei der Vogelstation Ulmethöchi bei Lauwil läuft derzeit die bereits 64. Beringungsaktion. Die Netze sind aufgespannt, der Ofen in der Ulmethütte wärmt die bis zu zwölf Personen, die dort Platz finden, und die erste Equipe unter der Leitung von Ulmet-Obmann Martin Furler ist im Einsatz.
Nun heisst es: Vögel vorsichtig aus den Netzen befreien, in «Stoffsäckli» setzen, wo sie auf das Prozedere warten – sprich Gesundheitszustand prüfen, Alter bestimmen und wiegen. Die Tiere, die noch keinen Ring tragen, erhalten einen aus Aluminium, individuell gekennzeichnet mit fortlaufender Nummer und Buchstabenkombination. In der Schweiz werden ausschliesslich Ringe der Vogelwarte Sempach verwendet. Als Herkunftsangabe dient die Inschrift «Sempach Helvetia». Ist auf dem Ring noch Platz vorhanden, ist zudem «retour» eingestanzt – was bedeutet, dass gefundene Ringe oder zumindest deren Daten an die Vogelwarte zurückgemeldet werden sollen. Die so gesammelten Informationen geben Aufschluss über die Zugwege der Vögel und erlauben Rückschlüsse auf Routen und Rastgebiete.
So war es auch bei einem Mönchsgrasmücken-Männchen, das nach der Beringung von einem Kind, das mit seinen Grosseltern die Station besuchte, in die Freiheit entlassen werden durfte. «Vor allem Kinder schauen bei der Beringung gerne zu und können sich kaum von der Station trennen – besonders dann, wenn es gerade viele Vögel zu beringen gibt», sagt Martin Furler, seit 2013 Obmann der Ulmetstation.
Auch die Helferinnen und Helfer, die in sechs Gruppen à zwölf Personen bis Mitte November auf der Ulmethöchi im Einsatz sind, geniessen ihre Leidenschaft sichtbar: Vögel aus den Netzen befreien, sie beringen oder die vorbeiziehenden Schwärme beobachten. Am Montag etwa zogen Ringeltauben in grossen Formationen über die Region. Solche Schwärme werden geschätzt, indem man sie im Kopf in gleich grosse Gruppen teilt und diese zusammenzählt – anfangs eine Herausforderung, doch mit der Zeit gewöhnt sich das Auge. Einfacher sind klare Formationen, die meist mit Fernrohr oder Feldstecher erfasst werden. So konnten selbst in der Nacht 27 Graureiher gezählt werden. Neben zahlreichen Singvögeln wurde dieses Jahr zudem der 25. Steinschmätzer beringt.
Wer auf der Ulmet mitarbeiten will, profitiert von soliden ornithologischen Grundlagen, etwa einem Feldornithologiekurs. Barbara aus Bern, die den Kurs absolviert hat, kommt jedes Jahr wieder. «Hier hat man die Möglichkeit, die Vögel aus einer anderen Perspektive zu sehen – nicht nur im Feld, sondern auch einmal aus der Nähe», erzählt sie.
Gabriele leitet Exkursionen für Schulklassen in Liestal. Nach einem ersten Besuch während ihres Kurses war sie so begeistert, dass sie seit vergangenem Jahr aktiv bei der Ulmet-Aktion mitmacht. Ihr Partner Markus ist schon länger dabei. «Es ist einer der schönsten Orte im Baselbiet. Man sieht die Vögel aus nächster Nähe, lernt viel über ihr Verhalten und trägt gleichzeitig zur Grundlagenforschung über den Vogelzug bei», sagt er.
Der 24-jährige Cedric interessiert sich seit Kindheitstagen für Vögel. Er studiert Biologie und erlernt nun unter Anleitung von Martin und Sara Oakeley das Beringen. Nach mindestens 200 dokumentierten Beringungen und einer Prüfung darf er es selbstständig ausführen. Obmann Martin Furler ist seit 35 Jahren jeweils eine Woche auf der Ulmet, seine Frau Regula seit dem Moment, als die drei gemeinsamen Kinder mitkommen wollten. Heute sorgt sie für das leibliche Wohl.
Klimawandel wirkt langfristig
Auf die Frage der «Volksstimme» an Raffael Ayé, Geschäftsführer von «Bird-Life Schweiz», ob und wie sich die Klimaerwärmung auf den Vogelzug auswirkt, antwortet er, dass das Zugverhalten von der Temperatur nur wenig beeinflusst werde, da das Gefieder die Vögel gut isoliere. «Es ist mehrheitlich genetisch verankert», so Ayé. Kurzfristig steuere die Tageslänge den Vogelzug, langfristig sei es die Nahrungsverfügbarkeit.
Vögel, die in ihrem Überwinterungsgebiet nicht genug Nahrung finden, hätten weniger oder gar keine Nachkommen. «Wenn heute mehr Ringeltauben, Zilpzalpe oder Stare bei uns überwintern, liegt das daran, dass ihre Vorfahren in den vergangenen 20 bis 30 Jahren im Winter genügend überlebt haben», so Ayé.
Kommt es zu einem plötzlichen Wintereinbruch mit geschlossener Schneedecke, reagieren die Vögel mit sogenannter «Winterflucht». Mäusebussarde, Rotmilane, Stare, Feldlerchen, aber auch seltene Arten wie Kiebitz oder Goldregenpfeifer können dann in grosser Zahl Richtung Südwesten ziehen.
Zudem gebe es zahlreiche Beobachtungen, dass Zugvögel im Herbst früher nach Süden aufbrechen als in vergangenen Jahrzehnten. Dies betreffe Weissstörche, Mauersegler, Kuckucke, Schilfrohrsänger und weitere Arten. «Der Hintergrund ist, dass diese Vögel im Frühling früher an den Brutplätzen eintreffen, entsprechend früher mit dem Brüten beginnen und auch früher wieder aufbrechen», erklärt Ayé.