«FCB»
11.07.2025 Polizei«Ludovic Magnin, heute Morgen wurden Sie kurz laut, als die jungen Spieler sich nach dem Training verabschieden wollten, ohne aufzuräumen.» Rein grammatikalisch handelt es sich hier nicht um eine Frage, und zudem kann die Wendung «heute Morgen» aus der Sicht des Lesers ...
«Ludovic Magnin, heute Morgen wurden Sie kurz laut, als die jungen Spieler sich nach dem Training verabschieden wollten, ohne aufzuräumen.» Rein grammatikalisch handelt es sich hier nicht um eine Frage, und zudem kann die Wendung «heute Morgen» aus der Sicht des Lesers nicht stimmen. Gleichwohl ist der einen Nordwestschweizer Tageszeitung der Einstieg in das ganzseitige Interview mit dem neuen FCB-Trainer, das am Montag vergangener Woche erschien, geglückt. Man lege mit einer aktuellen, einer scheinbar nebensächlichen oder einer witzigen Frage los, bevor man sich den grundsätzlichen Themen zuwendet. So die Faustregel.
Überraschenderweise erscheint im Konkurrenzblatt am selben Tag ebenfalls ein ausführliches Interview mit dem neuen Zuchtmeister des Klubs, der selbst in der ereignisarmen Vorbereitungszeit und trotz Frauen-EM die hiesigen Sportseiten beherrscht. Mehr noch der Zufälle: Die Interviewerin steigt mit der inhaltlich gleichen, einfach anders formulierten Frage ein. Und sie klärt uns am Schluss ihres Texts indirekt darüber auf, weshalb sich beide Blätter der gleichen Einstiegsfrage bedienen. Das Gespräch sei im Rahmen eines Mediengesprächs entstanden. Dieser Hinweis ist genau gleich wie bei einem schriftlich geführten Interview journalistische Pflicht.
Eine knackige, vielleicht sogar provozierende Überschrift ist aber wesentlich entscheidender dafür, ob ein Interview auf Interesse stösst, als ein gelungener Einstieg. Sie besteht in 99 Prozent der Fälle aus einem Zitat des Gesprächspartners, das zwischen Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt ist. Eine legendäre Ausnahme dieser Regel leistete sich einst die «Basler Zeitung». Sie titelte ihr Interview mit einem anderen FCB-Trainer nach einer hohen Niederlage zum Saisonstart mit der Frage: «Sind Sie der richtige Trainer für den FCB, Herr Gross?»
Bei ihren Überschriften griffen, um auf die zeitgleich erschienenen Interviews mit Ludovic Magnin zurückzukommen, beide Sportredaktionen daneben. «Kevin Rüegg hatte Angst, als ich gekommen bin» verstehen selbst Insider erst, wenn sie sich durch das ganze Frage-Antwort-Spiel durchgedribbelt haben; «Der Wille junger Spieler ist entscheidend» ist inhaltlich falsch.
Neben Magnin und Sokrates (dem griechischen Philosophen, nicht dem brasilianischen Kicker) kann sich auch FCB-Star Xherdan Shaqiri des Haderns über die Jungen nicht entsagen. Er wird vorgestern Mittwoch
– immerhin am Eröffnungstag der Frauen-EM – von einer der beiden besagten Tageszeitungen auf der Aufschlagsseite des Sportteils ganzseitig interviewt. Das Zwiegespräch trägt den Titel: «Der Hunger von den Jungen schwindet». Das hat er in Mundart auch so formuliert. Dessen können wir uns gewiss sein. Dennoch hätte sich die Redaktion der Buchreihe des deutschen Sprachkolumnisten Bastian Sick entsinnen und sich des Wes-Falls bemächtigen können. Ihr ebenso berühmter Titel lautet: «Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod.»
Jürg Gohl