Farben, Formen, Fungi – das Werk von Hans Walty
03.10.2025 BaselEine Wiederentdeckung der kunstvollen Pilztafeln
Farbenfroh aquarelliert, präzise gezeichnet und exakt beschriftet – die Pilztafeln des Schweizer Kunstmalers Hans Walty (1868 – 1948) sind ein Genuss. Das neu im Christoph Merian Verlag erschienene Buch «Pilzwerk» ...
Eine Wiederentdeckung der kunstvollen Pilztafeln
Farbenfroh aquarelliert, präzise gezeichnet und exakt beschriftet – die Pilztafeln des Schweizer Kunstmalers Hans Walty (1868 – 1948) sind ein Genuss. Das neu im Christoph Merian Verlag erschienene Buch «Pilzwerk» zeigt und erschliesst eine Auswahl seiner schönsten Tafeln.
vs./tho. Pilze sind derzeit wieder voll im Trend und geschätzt für verschiedenste Verwendungen: selbstverständlich jetzt im Herbst in der Küche, neu auch als Verpackungsmaterial oder beim Abbau von Plastikabfällen. Der erste Hype um Pilze nahm im 19. Jahrhundert seinen Anfang, zuvor fürchteten sich grosse Teile der Bevölkerung vor den Pilzen – natürlich völlig zu Recht, war der Pilzgenuss doch häufig ein Experiment mit ungewissem Ausgang …
Viel dazu beigetragen, dass die Pilze bei uns laufend populärer wurden, hat im vergangenen Jahrhundert der Maler, Zeichenlehrer und Restaurator Hans Walty (1868 – 1948). Fast allen Pilzsuchenden früherer Generationen in der Schweiz war er bis in die 1970er-Jahre ein Begriff. Die fünf zwischen 1942 und 1972 in vielfachen Auflagen erschienenen, handlichen und erschwinglichen Taschenbücher mit dem Titel «Schweizer Pilztafeln» dienten als einfache Bestimmungshilfe und machten Waltys lebendige, detailgenaue Zeichnungen im ganzen Land bekannt.
Pünktlich zur Hauptsaison der Pilze bringt nun der Basler Christoph Merian Verlag den Band «Pilzwerk» mit einer Auswahl an wunderbar gezeichneten Tafeln von Hans Walty heraus. Das elegant gestaltete Buch ermögliche eine Wiederentdeckung und erlaube «planvolles Suchen ebenso wie planlosen visuellen Genuss kunstvoller Pilzwelten in leuchtender Farbpracht», heisst es im Pressetext zum Buch.
Ausführlich geht der Band auf Waltys Leben und Wirken ein: «Er schuf Kunst und betrieb Wissenschaft», schreibt Herausgeber Hannes Mangold unter anderem. Mangold selbst machte den Fund, der zur Publikation führte: Im Bestand der Schweizerischen Nationalbibliothek stiess er bei einer ganz anderen Recherche zufällig auf eine Auswahl der originalen Tafeln und brachte sie für dieses Buch wieder ans Licht.
Waltys Pilzliebe erklärt sich aus der um 1900 modischen Rückbesinnung auf die Natur. Über Jahrzehnte schuf er ein umfangreiches Werk von mehr als 400 Aquarellen. Mit grosser Präzision stellte er jeden Pilz in mehreren Ansichten und detaillierten Querschnitten dar; für seine Arbeit entwickelte er eine eigene Technik des mikroskopischen Zeichnens, wie der Verlag zur Neuerscheinung schreibt. Gleichzeitig ist sein Faible für Formen- und Farbenvielfalt spürbar: Er verwebt professionelle Malerei und naturkundliche Genauigkeit.
Giftig? Essbar? Verdächtig?
Als eigentliches Nachschlagewerk ist das kunstvolle Buch heute eher mit Vorsicht zu benutzen: Zwischen Waltys Zeit und heute haben sich Neubewertungen ergeben. Pilzforscher Walty führte beispielsweise den Glimmertintling noch bei den «essbaren» Pilzen auf; neuere Werke weisen darauf hin, dass er – wie der nahe verwandte Falten-Tintling – im Zusammenhang mit Alkoholkonsum als giftig gilt. Auch der im Buch dargestellte Grünblättrige Schwefelkopf wird heute nicht mehr bloss als «ungeniessbar», sondern als giftig geführt (wenn auch nicht mehr als tödlich, wie in jüngerer Vergangenheit noch angenommen wurde); ähnlich verhält es sich beim Schwefelgelben Ritterling, der heute mehr als nur verdächtig ist. Der Umbrabraune Scheidenstreifling hingegen gilt inzwischen als essbar, statt wie bei Walty «verdächtig», und der laut Buch ebenfalls «verdächtige» Anhängselröhrling wird heute sogar als «Gelber Steinpilz» geadelt. Auch der Netzstielige Hexenröhrling, der beim Anschneiden so fantastisch wie verdächtig blau anläuft, gilt mittlerweile als guter Speisepilz, vorausgesetzt, er wird – wie fast alle Wildpilzarten – genügend und ausreichend lange erhitzt.
Gefunden hatte der im Aargau aufgewachsene Walty, der in Basel studiert und unter anderem in Leipzig und Rom gewirkt hat, seine «Modell-Pilze» teilweise auch im Baselbiet – so in Tecknau, Liestal, Aesch oder Münchenstein, wie den Detailbeschreibungen zu jeder einzelnen Pilztafel im Buch «Pilzwerk» zu entnehmen ist. Schöner als Waltys wunderbare Pilzbilder sind nur die Originale da draussen im Wald. Gerade jetzt.
«Pilzwerk – Die fantastischen Farben, Formen und Fungi von Hans Walty». 168 Seiten, ca. 70 meist farbige Abbildungen, gebunden, 20 × 27 cm. Christoph Merian Verlag, Hannes Mangold (Hg.). Der Band enthält zudem einen Text von Künstlerin/Autorin Ishita Chakraborty und ein mykologisches Essay von Pilzwissenschaftler Nicolas Küffer. Buchvernissage ist am 23. Oktober in Basel.