«Familienbetriebe würden zerstört»
30.07.2024 SchweizFür Daniela Schneeberger spricht vieles gegen die Erbschaftssteuer
Die Thürner Nationalrätin Daniela Schneeberger, Präsidentin des Schweizerischen Treuhänder-Verbandes, erkennt in der Juso-Initiative zur Erbschaftsbesteuerung eine grosse Gefahr für den ...
Für Daniela Schneeberger spricht vieles gegen die Erbschaftssteuer
Die Thürner Nationalrätin Daniela Schneeberger, Präsidentin des Schweizerischen Treuhänder-Verbandes, erkennt in der Juso-Initiative zur Erbschaftsbesteuerung eine grosse Gefahr für den Wirtschaftsstandort. Sie hat deshalb beim Bundesrat eine Interpellation eingereicht.
Jürg Gohl
Frau Schneeberger, weshalb ist die Juso-Initiative, die eine nationale Erbschaftssteuer anstrebt, für Sie so problematisch?
Daniela Schneeberger: Es sind eigentlich drei Gründe: Zuerst einmal führt die Initiative zu einer doppelten Besteuerung des Vermögens, denn dies wird bereits mit einer meist progressiven Steuer in Kantonen und Gemeinden belastet. Die Vermögenssteuereinnahmen betragen jährlich immerhin rund 9 Milliarden Franken. Zweitens führt diese Doppelbesteuerung des Vermögens zu einem klaren Signal an vermögende Personen, die Schweiz zu meiden und zu verlassen. Dies hätte dann auch tiefere Einnahmen bei den Einkommenssteuern bei Bund, Kantonen und Gemeinden zur Folge. Drittens würden insbesondere grosse, traditionelle Familienunternehmen durch die Initiative schwer belastet und dieses Modell gar zerstört.
Weshalb sollen gerade diese gefährdet sein?
Eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent ist happig. Bei Familienunternehmen könnten die Erben diese Steuer unter Umständen gar nicht bezahlen, ohne die Firma zu verkaufen. Bei einer Annahme der Initiative gäbe es ausserdem kaum noch einen Anreiz, ein Unternehmen aufzubauen, das dann an die Nachkommen übergeben werden könnte.
Die Superreichen, die von der Initiative betroffen wären, geniessen die schöne und vor allem sichere mit ihrer Infrastruktur. Glauben Sie, dass es bei einer Annahme zu einem Exodus käme?
Fakt ist, das zwei Drittel der direkten Bundessteuereinnahmen heute von den rund 5 Prozent einkommensstärksten Steuerpflichtigen generiert werden. Bei der Vermögenssteuer stammen schätzungsweise über 44 Prozent der Erträge von 1 Prozent der vermögendsten Personen. Sie tragen so zum Beispiel wesentlich zur Finanzierung von Bildungseinrichtungen, öV und Sozialhilfe bei. Die Erbschaftssteuer trifft aber auch vor allem Unternehmensnachfolger, was sich unweigerlich auch auf die Arbeitsplätze auswirken wird.
Sind Wegzüge nicht eher Drohkulisse als Realität?
Nein. Einen Beweis, dass Wegzüge dann wirklich ein Thema werden, liefert zum Beispiel unser Kanton. Als er die Pauschalbesteuerung abschaffte, fanden tatsächlich Wegzüge statt. Doch auch auf internationaler Ebene beobachtet man etwa in Norwegen aktuell konkrete Fluchtbewegungen aufgrund exzessiver Steuern.
Haben Sie Ihre Interpellation auch in Ihrer Funktion als Präsidentin der Schweizer Treuhänder eingereicht? Wie stark würde Ihre Branche bei einem Ja leiden?
Ja, auch. Denn es sind viele Fragen offen. Die Verunsicherung bei den von der Initiative betroffenen Personen ist gross. Auch Berater müssen derzeit sehr vorsichtig navigieren: umsichtig agieren, genau hinschauen und sorgfältig beraten – ohne unnötig Ängste zu schüren. Insbesondere wäre ein klares Statement des Bundesrats zur Wegzugsbesteuerung beziehungsweise auf die Frage sehr wichtig, mit welchen Massnahmen er die Steuervermeidung verhindern will. Das würde die jetzige Situation beruhigen. Denn diese ist derzeit schädlich für den Standort und das Vertrauen.
Für die grösste Irritation sorgt bei der Juso-Initiative, dass diese Erbschaftssteuer rückwirkend eingeführt werden soll. Ist das überhaupt möglich?
Immerhin hat sich der Bundesrat bereits dahingehend geäussert, dass er der Ansicht ist, dass die verlangte rückwirkende Besteuerung «staatspolitisch problematisch» sei. In diesem Sinne hat die Interpellation bereits eine gewisse Wirkung gezeigt. Würde die Steuer tatsächlich rückwirkend eingeführt, so würde das zu Rechtsunsicherheit führen. Das ist für mich ein absolutes «no go» – wie die gesamte Initiative natürlich auch.
In Umfragen erfährt die Vorlage nicht einmal ein Drittel Zuspruch. Machen wir uns nicht zu grosse Sorgen?
Wirtschaftspolitische Anliegen von Links hatten in letzter Zeit immer häufiger Gehör gefunden. Eine Ablehnung bleibt zwar wahrscheinlich, aber entscheidend ist, dass die Menschen im Land überzeugt werden und bewusst Nein sagen zu dieser – ich wiederhole es – schädlichen Initiative.
Sie schreiben in Ihrem Vorstoss von einer Wegzugsteuer. Wie soll die genau funktionieren?
Es wäre zum Beispiel denkbar, dass der Bundesrat ein nachwirkendes Besteuerungsrecht einführen möchte. Das würde bedeuten, dass nach einem Wegzug ins Ausland die Pflicht zur Erbschaftssteuer in der Schweiz bestehen bliebe – zum Beispiel für fünf Jahre. Stellen Sie sich das einmal vor, das ist doch gegen unser Rechtsempfinden!
Fast alle Kantone erheben eine Erbschaftssteuer. Damit wird Kapital, das bereits als Einkommen und als Vermögen besteuert wird, ein drittes Mal besteuert. Wie stellen Sie sich grundsätzlich zum Prinzip der Erbschaftssteuer?
Der Steuerwettbewerb unter den Kantonen ist sehr wichtig, er führt dazu, dass wir Steuerzahlende möglichst wenig belasten – das ist gesund und gut. Die Erbschaftssteuerinitiative hingegen geht komplett in die falsche Richtung.
Was heisst das fürs Baselbiet?
Wir sollten in Baselland meines Erachtens eher schauen, wie wir den neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten Rechenschaft tragen: Sollen langjährige, unverheiratete Partnerinnen und Partner 15 Prozent Erbschaftssteuern entrichten? Müssen unverheiratete Paare zwingend zusammen gewohnt haben, damit keine Erbschaftssteuer anfällt? Soll das Kind von langjährigen Konkubinatspartnern hohe Erbschaftssteuern zahlen müssen? Das sind in der Praxis immer wieder anspruchsvolle Themen, die mir aufgefallen sind.
60 Personen im Baselbiet wären betroffen
vs. Die «Initiative für eine Zukunft» der Juso Schweiz will eine Erbschaftssteuer mit einem Steuersatz von 50 Prozent einführen. Betroffen wären Personen mit einem Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken. Die Steuereinnahmen sollen für «sozial gerechte Klimaschutzmassnahmen und den ökologischen Umbau der Wirtschaft» verwendet werden. Schweizweit wären mehrere 100 Personen betroffen, im Baselbiet rund 60 Personen, wie die Steuerverwaltung auf Anfrage schreibt.