«Fairer Handel ist zentraler als Bio»
09.10.2025 GelterkindenPräsidentin Julia Brunschwiler zu 45 Jahren Claro-Weltladen Julia Brunschwiler ist 46 Jahre alt; ein Jahr älter als der Laden, den sie leitet. Sie ist seit 2022 Präsidentin des Vereins Claro-Weltladen Gelterkinden. Sie spricht über faire Produkte mit Gesicht ...
Präsidentin Julia Brunschwiler zu 45 Jahren Claro-Weltladen Julia Brunschwiler ist 46 Jahre alt; ein Jahr älter als der Laden, den sie leitet. Sie ist seit 2022 Präsidentin des Vereins Claro-Weltladen Gelterkinden. Sie spricht über faire Produkte mit Gesicht und Marronicrème mit Suchtpotenzial.
Barbara Saladin
Frau Brunschwiler, wie kam es, dass Sie als Primarlehrerin seit drei Jahren in Ihrer Freizeit einen Laden leiten?
Julia Brunschwiler: Diese Aufgabe fiel mir gewissermassen in den Schoss. Vor vier Jahren wurde ich angefragt, ob ich mir vorstellen könne, Präsidentin des Vereins Claro-Weltladen Gelterkinden zu werden. Dazu muss ich sagen: Ich kenne den Weltladen, seit ich Kind bin. Meine Mutter war schon dort engagiert, und ich verjubelte dort immer mein Sackgeld … Zuerst war ich völlig überfordert von der Idee, doch dann lernte ich diese wunderbare Gruppe von Leuten kennen – elf Frauen und einen Mann –, die sich hier für etwas Nachhaltiges engagieren. Ich merkte: Damit kann ich dem Dorf etwas zurückgeben, in dem ich aufwuchs und heute wieder mit meiner Familie lebe. Ich habe es nie bereut. Es ist eine sehr erfüllende Arbeit.
Der Claro-Laden in Gelterkinden wurde 1980 gegründet und hiess damals Drittwelt-Laden.
Er hat also schon 45 Jahre auf dem Buckel. Wie geht es ihm heute?
Dieses Jahr mussten wir leider einen deutlichen Umsatzrückgang verzeichnen. Mitverantwortlich ist sicher der finanzielle Druck, den viele Familien spüren und der stets wächst. Dafür habe ich grosses Verständnis, und umso mehr freue ich mich über jene, die trotz angespannter Lage bei uns einkaufen und klar für Solidarität und Menschlichkeit einstehen – es sind auch nicht generell alle Produkte teurer bei uns. Wir haben zum Glück eine sehr treue Kundschaft, aber ich hoffe, dass wir wieder neue Kundinnen und Kunden gewinnen können.
Ist es ein politisches Statement, bei Euch einzukaufen?
Nein, überhaupt nicht. Wir sind nicht politisch, und das Letzte, was wir wollen, ist, moralisch belehrend zu sein. Das wäre der falsche Weg. Unser Geschäft ist eine Einladung, solidarisch etwas beizutragen. Früher dachten ja viele, Weltläden seien nur was für Ökos, aber so ist es längst nicht mehr. Leute, die das erste Mal zu uns kommen, sind oft ganz erstaunt, wie gross, hell und modern unser Geschäft ist. Wir gehen mit der Zeit. Trotzdem: Die Solidarität mit den Menschen auf dieser Welt muss an erster Stelle stehen.
Die internationale Solidarität hat im Moment einen eher schweren Stand, wenn man die Weltlage anschaut … Spürt dies auch der
Claro-Laden?
Ein Stück weit schon, aber ich wiederhole gern: Wir sind nicht politisch. Wir sind einfach für fairen Handel – dafür, dass Menschen von dem leben können, was sie arbeiten. Wir wollen Existenzen unterstützen und haben gerade auch für Frauen verschiedene Projekte am Laufen. Wir sind immer auf der Seite der Menschen, nicht der Politik eines Landes. Und gerade in Zeiten wie heute ist internationale Solidarität wichtiger denn je. Wir haben Produkte mit einem Gesicht und einer Geschichte.
Und wir zeigen, dass Globalisierung nicht per se Ausbeutung heisst, sondern dass sie auch Fairness und Respekt bedeuten kann.
Und wie ist es mit Bio? Früher war Bio ein Nischenprodukt, heute gibt es das überall. Wie kommen Sie mit der Konkurrenz zurecht?
Bei uns ist der faire Handel zentraler als Bio, auch wenn die meisten unserer Produkte Bio sind. Wir sichern Existenzen mit langfristigen Partnerschaften und haben faire Preise, die stabil bleiben. Bei uns steht der Mensch im Vordergrund.
Sie sind also das nahbare Gesicht von Globalisierung und Menschlichkeit?
Das ist eine Motivation für mich, ja. Wenn du hier verkaufst und mit den Leuten ins Gespräch kommst, ist das etwas enorm Lebensbejahendes, das macht Freude, und das trägt uns auch als Team. Wir haben auch ein kleines Bistro, wo die Kundschaft verweilen kann. Und à propos Menschlichkeit: Viele Leute kommen explizit zu uns, um ein Geschenk zu kaufen. Das ist doch auch schön.
Dann ist der Laden auf Geschenke spezialisiert?
Gewissermassen ja, wir haben eine grosse Auswahl, dazu auch Geschenktaschen und fertig gemachte Geschenke auf dem Geschenktisch – wir arrangieren aber auch nach Wunsch.
Was kaufen die Leute am liebsten – ausser Geschenken?
Sehr beliebt sind Schals, Taschen und Schmuck. Unsere Kundschaft kommt auch gerne für Kerzen, Karten und schönes Geschirr zu uns. Natürlich schätzen unsere Kundinnen und Kunden auch das breite Lebensmittelangebot. Momentan haben wir eine grosse Aktion von handgestrickten Socken, von deren Erlös wir einen Teil an «Médecins sans frontières» spenden. Das lief vergangenes Jahr wie wahnsinnig.
Welches ist Ihr persönliches Lieblingsprodukt aus dem Claro-Sortiment?
Ich liebe unseren Kaffee. Seit ich den Claro-Kaffee kenne, habe ich viele andere Kaffees nicht mehr so gern ... Den weissen Aceto Balsamico mag ich auch sehr, der ist ein Verkaufsschlager. Und unsere Marronicrème – die ist gedacht für aufs Brot, aber ich könnte sie auch pur löffeln.
Claro-Weltladen Gelterkinden bas.
Der Claro-Weltladen verkauft zu 80 Prozent die Fairtrade-Produkte von der Hauptgeschäftsstelle Claro in Orpund (BE), bei den restlichen 20 Prozent handelt es sich um lokale Angebote. Beispielsweise Biowein aus Gelterkinden, Honig aus Böckten, Linsen und Kichererbsen aus Wenslingen, Aronia aus Anwil oder Zwetschgenprodukte von Posamenter. Die Leute, die sich im Team engagieren, erhalten für ihren Einsatz keinen Lohn ausbezahlt, bekommen pro Stunde aber einen kleinen Beitrag an Einkaufsgutscheinen, mit denen sie Waren im Laden beziehen können.
Schweizweite Bewegung bas.
In der Schweiz wurde der erste Claro-Weltladen im Jahr 1977 gegründet. Heute gibt es mehr als 100 Läden in der ganzen Schweiz, von Carouge bis Rorschach und von Porrentruy bis Poschiavo.
Claro fördert eine vollständige Herstellung in den Ursprungsländern und will so die lokale Wirtschaft nachhaltig stärken. Fast alle Produkte sind biozertifiziert, und auf CO2-armen Transport wird geachtet.

