«Exotic»-Verein muss Vollzeit-Pfleger anstellen
31.07.2025 SissachKantonales Veterinäramt stellt bei Kontrolle der Voliere Mängel und Tierschutzverstösse fest
Dicke Post für den Verein Exotic. Bei einer Kontrolle dessen Voliere wurden zahlreiche Mängel festgestellt, die schleunigst behoben werden müssen. Ansonsten drohen ...
Kantonales Veterinäramt stellt bei Kontrolle der Voliere Mängel und Tierschutzverstösse fest
Dicke Post für den Verein Exotic. Bei einer Kontrolle dessen Voliere wurden zahlreiche Mängel festgestellt, die schleunigst behoben werden müssen. Ansonsten drohen Bussen. Von einer Schliessung ist noch nicht die Rede.
Christian Horisberger
Die Voliere des Vereins Exotic am Ufer der Ergolz wird von vielen Sissacherinnen und Sissachern gerne und häufig besucht: als Ziel eines Spaziergangs mit der Familie, als Ort im Grünen für eine Feier mit Freunden oder zur Beobachtung gefiederter Tiere.
Die Haltung einer grösseren Anzahl exotischer Vögel ist in Bezug auf Unterbringung, Betreuung und Fütterung aufwendig und anspruchsvoll. Zudem ist für eine «gewerbsmässige Wildtierschau», als was die Anlage in Sissach vom Baselbieter Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (ALV) eingestuft wird, eine Betriebsbewilligung erforderlich, die an eine Vielzahl von Auflagen geknüpft ist. Unter anderem muss eine Tierpflegerin oder ein Tierpfleger mit einem entsprechenden Fachausweis angestellt werden.
Im Frühling 2023 berichtete die «Volksstimme», dass der Verein Exotic Sissach als Voraussetzung für den weiteren Betrieb seiner mehr als 50-jährigen Voliere neu eine solche Bewilligung benötige. Nach dem ersten Schock spuckten Vorstand und Vereinsmitglieder in die Hände, um die Auflagen zu erfüllen. Die Bewilligung wurde schliesslich erteilt.
Jetzt hat «Exotic Sissach» erneut Post vom Kanton erhalten. Und wieder sind es keine erfreulichen Nachrichten für den Verein. Aufgrund einer Tierschutzmeldung führten eine amtliche Tierärztin und die Leiterin Tierschutz des ALV Anfang April eine unangemeldete Kontrolle der Voliere mit insgesamt 327 Vögeln in 14 Käfigen durch. Der Bericht stellt den Betreibern kein gutes Zeugnis aus.
Käfige dreckig, Schnäbel zu lang
In einer Verfügung des ALV, die der «Volksstimme» vorliegt, werden die Mängel Käfig für Käfig aufgezählt. Die Liste ist lang. In den meisten Volieren fehlte als Ergänzung zu Körnern das Frischfutter, und die Futterund Getränkeschalen seien mit Kot, Staub oder Federn zum Teil stark verschmutzt gewesen. In einem Futterbehälter wurden zudem verschimmelte Erdnüsse gefunden. Die Quarantänestation sei zweckentfremdet worden.
Der Bericht geht auch auf den Gesundheitszustand der Tiere ein. Jeder Vogel, der den Kontrolleurinnen durch kahle Stellen am Gefieder, einen ungeschnittenen Schnabel, fehlende Zehenglieder, ungeschnittene Krallen oder Symptome für Krankheiten oder Schmerzen auffiel oder der ein nicht artgerechtes oder gestörtes Verhalten an den Tag legte, wurde protokolliert. Es waren einige. Ebenso wurden Fälle von nicht tierschutzkonformer Unterbringung festgehalten. So sass beispielsweise ein Inkakakadu ohne gleichrassigen Partner in seinem Käfig und die nicht flugfähigen Zwergwachteln konnten sich weder vor den Vögeln über ihnen zurückziehen noch sich vor deren Kot schützen. Sie hätten gestresst gewirkt.
Bei der Kontrolle konnten weder eine Bestandesliste noch die Protokolle für die zweimal im Jahr vorgeschriebenen tierärztlichen Untersuchungen vorgelegt werden. Die amtierende Tierpflegerin oder der Tierpfleger konnte nicht benannt werden. Damit seien grundlegende Elemente für eine Tierhaltung nicht erfüllt gewesen.
Wie aus dem Bericht des Amts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen hervorgeht, hat der Verein «Exotic» sofort auf die Kontrolle reagiert: Innert kurzer Zeit seien der gesamte Vogelbestand von einem Tierarzt untersucht und das Schneiden der Schnäbel und Krallen der Tiere sowie die veterinärmedizinische Behandlung kranker Vögel vollzogen worden. Der Tierarzt habe anlässlich seiner Bestandeskontrolle festgestellt, dass die Tiere in einem sauberen und gepflegten Zustand seien und ausreichend einwandfreies Futter und Trinkwasser zur Verfügung hätten.
In ihrer Stellungnahme zum Protokoll der Kontrolle führt die Präsidentin des Vereins, Kathrin Rief-Heiniger, aus, dass am Tag vor der Kontrolle bei Bauarbeiten in der Nähe eine Wasserleitung beschädigt worden sei. Deshalb seien die Reinigung der Volieren und der Austausch des Trinkwassers nur kurzzeitig ausgefallen. Dass die Tiere nicht täglich, sondern nur einmal pro Woche Frischfutter erhalten, begründet sie damit, dass man die Vögel sehr gut kenne und wisse, welches Futter sie wann benötigten.
Die Unterbringung von Wachteln im Käfig mit darüber fliegenden Vögeln sei nicht verboten, so Rief. Als Grund für die als nicht tierschutzkonform kritisierte Einzelhaltung des Inkakakadus – er heisst übrigens Rico – gab sie an, dass dessen Partner Nico unlängst verstorben sei, er aber immer noch Gesellschaft von vielen anderen Vögeln habe. Insgesamt, so Rief in ihrer Stellungnahme, würden sich die Vereinsmitglieder mit Herzblut um das tägliche Wohlbefinden der Vögel kümmern, sie seien ausreichend geschult, und die Tierpflegerin des Vereins arbeite nach Krankheit nun wieder. Es lägen keine gravierenden Tierschutzmängel vor, wie vom ALV dargestellt.
«Mit Vogelhaltung überfordert»
Das ALV kommt in seiner Beurteilung der Tierhaltung in der «Exotic»-Voliere dennoch zum Schluss, dass «fundamentale Eckpfeiler als elementare Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung nicht gegeben sind und keinerlei Bemühen erkennbar ist, dass diese Mängel aus eigenem Antrieb behoben werden». Daraus lasse sich ableiten, «dass die Bewilligungsinhaberin und ihre Hilfspersonen mit der Vogelhaltung überfordert sind». Das Amt sieht zum jetzigen Zeitpunkt aber von einem Entzug der Bewilligung ab, «sofern der Verein willens und in der Lage ist, eine tierschutzkonforme Haltung für die Vögel herzustellen und künftig dauerhaft aufrechtzuerhalten». Es verfügte sieben Massnahmen. Zum Beispiel:
– Der Bestand von derzeit 327 Vögeln ist bis Ende November auf maximal 150 zu reduzieren, mit dem Ziel, eine tierschutzkonforme und verantwortungsvolle Tierhaltung sicherzustellen und dem Halter gleichzeitig eine praktikable Chance zur Umsetzung der notwendigen Verbesserungen einzuräumen.
– Es ist per sofort eine Tierpflege-Fachperson mit einem 100-Prozent-Pensum anzustellen.
– Alle, die Betreuungsaufgaben innehaben, müssen ab sofort jährlich einen Weiterbildungstag in einer anerkannten Institution absolvieren.
Bei Nichtbefolgen der Auflagen in der Verfügung vom 26. Juni werden Bussen angedroht, nicht aber der Entzug der Betriebsbewilligung. «Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verpflichtet uns, zunächst weniger einschneidende Massnahmen anzuordnen», erklärt dazu Judith Frehner, Ressortleiterin Tierschutz beim ALV, auf Anfrage der «Volksstimme». «Wenn sich so ein tierschutzkonformer Zustand herstellen lässt, wäre dies für die Betreiber der Voliere sowie auch für die Tiere die beste Lösung.»
Beschwerde eingereicht
Die finanziellen Möglichkeiten des Voliere-Vereins sind beschränkt, eine Vollzeitstelle für einen Tierpfleger dürfte er sich nicht leisten können. Mit einem Entgegenkommen des Kantons können die Vogelfreunde nicht rechnen. Frehner: «Das Erfordernis eines Tierpflegers ist in der eidgenössischen Tierschutzverordnung für eine solche Anlage zwingend vorgesehen.»
Der Verein Exotic Sissach hat gegen die amtliche Verfügung beim Regierungsrat Beschwerde eingereicht, sagt Präsidentin Kathrin Rief-Heiniger auf Anfrage. Mit Hinweis auf das laufende Verfahren gab sie zum Vorgang keine Stellungnahme ab.