«Es sollen nicht alle für einen Einzelfall büssen»
16.10.2025 BaselBalz Stückelberger kritisiert eine verstärkte Bankenregulierung
Die Bankengesetzgebung soll geändert werden. Systemrelevante Banken müssten mehr Eigenmittel halten und die Befugnisse der Finma würden erweitert. Bankenfachmann und FDP-Landrat Balz ...
Balz Stückelberger kritisiert eine verstärkte Bankenregulierung
Die Bankengesetzgebung soll geändert werden. Systemrelevante Banken müssten mehr Eigenmittel halten und die Befugnisse der Finma würden erweitert. Bankenfachmann und FDP-Landrat Balz Stückelberger ist nicht mit dem ganzen Paket einverstanden.
Paul Aenishänslin
Herr Stückelberger, was macht Ihnen in Bezug auf unser Land Sorgen, wenn wir die aktuelle Weltlage betrachten?
Balz Stückelberger: Die Schweiz ist als kleines Land mit einer stark exportorientierten Wirtschaft besonders stark von globalen Entwicklungen betroffen. Die aktuellen geopolitischen Spannungen, die wirtschaftlichen Unsicherheiten und der zunehmende Protektionismus bereiten mir Sorgen. Das grösste Problem für die Schweizer Wirtschaft ist aktuell natürlich die US-Zollpolitik. In dieser Situation ist es wichtiger denn je, dass sich die Schweiz auf ihre Stärken besinnt und ihre Innovationskraft und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Dazu gehört auch ein wirtschaftsfreundliches Regulierungsumfeld. Es wäre Gift, die Wirtschaft nun mit zusätzlichen, hausgemachten Hemmschuhen zu belasten.
Damit wären wir auch schon beim Thema: Derzeit wird über eine verstärkte Bankenregulierung diskutiert. Der Bundesrat will als Folge der CS-Krise bei den Banken die Schraube anziehen. Dazu hat er ein Massnahmenpaket vorgelegt mit zum Beispiel strengeren Eigenkapitalvorschriften. Was halten Sie davon?
Die Absicht des Bundesrats ist nachvollziehbar. Bei der Nachbearbeitung einer Krisensituation ist es aber wichtig, die richtigen Schlüsse zu ziehen und voreilige Überreaktionen zu vermeiden. Für mich ist klar: Einen «Fall Credit Suisse» darf es nie mehr geben. Die Bank ist aber nicht wegen ungenügender Regulierung ins Straucheln geraten, sondern wegen grober Managementfehler und weil die Aufsichtsbehörde ihren Handlungsspielraum nicht ausgenutzt hat.
Heisst das, dass Sie eine verstärkte Regulierung grundsätzlich infrage stellen?
Nein, es gibt auch sinnvolle Punkte, die ich begrüsse. Zum Beispiel das sogenannte Senior-Management-Regime. Dabei geht es darum, klare Verantwortlichkeiten für die obersten Entscheidungsträger zu definieren, um bei Fehlverhalten auch die verantwortlichen Personen identifizieren zu können. Es kann nicht sein, dass eine Bank an die Wand gefahren wird, und dann will es niemand gewesen sein.
Dieses Problem der unklaren Verantwortlichkeiten dürfte sich aber in erster Linie bei grossen
Banken stellen …
Das ist so, deshalb fordern wir auch eine Umsetzung mit Augenmass und Erleichterungen für kleinere Banken. Wir dürfen nicht vergessen, dass zwei Drittel der rund 230 Banken KMU sind. Dort ist in aller Regel klar, wer wofür verantwortlich ist. Es ergibt keinen Sinn, diese nicht systemrelevanten Banken mit Auflagen zu überziehen, die nur Kosten und Bürokratie und keinen Mehrwert bringen. Ich wehre mich dagegen, dass nun alle Banken für einen gravierenden Einzelfall büssen müssen.
Ein weiterer Teil des Regulierungspakets sind die Kompetenzen der Aufsichtsbehörde Finma. Braucht Sie mehr Handlungsmöglichkeiten?
Der PUK-Bericht zur CS hat deutlich gezeigt, dass die Finma ihren Handlungsspielraum und ihr bestehendes Instrumentarium nicht ausgeschöpft hat. Bevor nun über neue Kompetenzen diskutiert wird, sollte zuerst analysiert werden, welche Kompetenzen bisher fehlten. Neue Kompetenzen auf Vorrat und ohne Bezug zur Credit-Suisse-Krise lehne ich entschieden ab.
Kommen wir zum «Pièce de résistance» des gesamten Regulierungspakets: Systemrelevante Banken sollen künftig ihre Auslandsbeteiligungen mit 100 Prozent Eigenkapital unterlegen müssen. Was denken Sie darüber?
Diese Massnahme erachte ich als brandgefährlich. Sie würde bei der UBS als letzte global systemrelevante Grossbank zu Mehrkosten von mehr als 20 Milliarden führen. Damit wäre die Bank international nicht mehr konkurrenzfähig, weil kein Land der Welt so rigide Eigenkapitalanforderungen kennt. Grob geschätzt würde das gesamte Massnahmenpaket des Bunds bedeuten, dass die UBS rund 50 Prozent mehr Eigenkapital halten muss als ihre globalen Konkurrenten. Das ist unverhältnismässig. Die Schweiz sollte sich an internationalen Regulierungsstandards orientieren und nicht darüber hinausschiessen – mit fatalen Folgen für die einheimischen Banken.
Glauben Sie, dass die UBS die Schweiz verlassen wird, wenn die Massnahme wie vorgeschlagen umgesetzt wird?
Ich kann nicht für die UBS sprechen. Aber ich bin genügend nahe an der Bank, um zu wissen, dass sie alles daransetzen wird, um in der Schweiz bleiben zu können. Ich erwarte von der Politik, dass sie ihre Verantwortung wahrnimmt und die Rahmenbedingungen so setzt, dass sich die Diskussion über einen Wegzug erübrigt.
Was wären die Konsequenzen eines Wegzugs aus Arbeitgebersicht?
Darüber möchte ich nicht spekulieren. Aber grundsätzlich vermisse ich an der ganzen Diskussion über die Bankenregulierung den Aspekt der Arbeitsplätze. Die Banken in der Schweiz bieten mehr als 120 000 attraktive Arbeitsplätze und bilden jährlich mehr als 3000 Lernende aus. Dafür brauchen sie ein Umfeld, das eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit in der Schweiz zulässt. Mein Verband warnt deshalb, dass die Regulierungsvorschläge Arbeitsplätze kosten werden. Das sehen übrigens nicht nur wir aus Arbeitgebersicht so. Auch die Bankgewerkschaften äussern Bedenken.
Sie sprechen die Politik an: Sie sind selbst FDP-Politiker, und das Regulierungspaket stammt aus der Küche Ihrer Parteikollegin, Bundesrätin Karin Keller-Sutter.
Das überrascht mich tatsächlich auch.
Was kann Ihr Verband Arbeitgeber Banken in dieser Thematik bewirken?
Wir sind einer der grössten Branchenarbeitgeberverbände der Schweiz und vertreten die Arbeitgeberinteressen der Banken. Neben unserer Hauptaufgabe – der Beratung der Banken – sind wir vor allem im Hintergrund tätig, indem wir uns mit Behörden, der Politik und den Gewerkschaften austauschen. Dabei haben wir immer die gleiche, einfache Botschaft: «Die Wirtschaft» ist kein abstraktes Gebilde. Dahinter stehen Menschen – Arbeitgeber und Arbeitnehmende –, die sich gemeinsam dafür einsetzen, gute Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten, und damit zum Wohlstand der Schweiz beitragen.
Bund könnte für 16,5 CS-Milliarden haften
sep. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass es keine Rechtsgrundlage für den Abschreiber in Höhe von 16,5 Milliarden Franken gab, den die Finanzmarktaufsicht der Credit Suisse 2023 mit Segen des Bundesrats auferlegte. Dabei wurden die Hochrisiko-Anleihen, welche die Bank aufgenommen hatte, um liquid zu bleiben, auf einen Schlag für wertlos erklärt. Nur so war die UBS zur Übernahme der CS bereit. Dagegen haben die Geldgeber der CS geklagt: Sie seien als Gläubiger schlechter behandelt worden als die Aktionäre der Bank. Der vom Staat befohlene Abschreiber sei nur bei einer staatlichen Rettung zulässig, sagen sie. Das letzte Wort in dieser Frage hat das Bundesgericht.
Zur Person
pae. Dr. iur. Balz Stückelberger ist 53 Jahre alt und wohnt in Arlesheim. Seit 2006 sitzt er für die FDP im Landrat und ist Direktor des Verbands Arbeitgeber Banken mit Sitz in Basel.