Es fehlt hinten und vorne
05.09.2025 PolitikRaymond Tanner, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Vergangene Woche hat sich der Gemeinderat von Lauwil zur Klausur zurückgezogen. Bewusst ausserhalb, um den Blick über den Horizont nicht nur sprichwörtlich, sondern auch physisch zu vollziehen. ...
Raymond Tanner, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Vergangene Woche hat sich der Gemeinderat von Lauwil zur Klausur zurückgezogen. Bewusst ausserhalb, um den Blick über den Horizont nicht nur sprichwörtlich, sondern auch physisch zu vollziehen. Thema waren die Finanzen. Es geht uns gleich wie den meisten Gemeinden: Der Blick in die Zukunft ist alles andere als rosig. Meine gut vorbereiteten Ratskollegen trugen einer nach dem anderen vor, wie sie die finanzielle Entwicklung in ihren Ressorts für die nächsten fünf Jahre beurteilen oder prognostizieren. Allen war von vorherein klar, günstiger wird es in keinem Bereich. Und dass rund 80 Prozent der Gemeindefinanzen nicht durch die Gemeinde beeinflusst werden können, war auch klar.
Unser Fazit: Es fehlt vorne und hinten oder am Anfang und am Ende. Anders formuliert: Die Themen Schule und Alter belasten die Gemeindefinanzen zu immer grösseren Teilen. Viele Gemeinden geben bereits den grössten Teil ihres Steuersubstrats für diese beiden Posten aus. Es sind zwei gewichtige und auch wichtige Dossiers, zudem sind beide Themen mit vielen Emotionen beladen. Da ist es nicht so einfach, wie zum Beispiel bei den Liegenschaften, Geld einzusparen. Neue Lösungen sind gefragt.
In beiden Bereichen muss die Frage aber auch erlaubt sein, ob Leistung, Ziele und Grundidee gegenüber den Kosten noch im Gleichgewicht sind. Oder anders gefragt: Sind die Schulen vor zehn Jahren so viel schlechter gewesen als heute? Haben die Schüler von damals zu wenig mit auf ihren Lebens- und Bildungsweg bekommen? Denn die Hauptkostentreiber sind die immer zahlreicher werdenden Zusatzstunden, Stützkurse und anderen Massnahmen, die schwächere Schülerinnen und Schüler (angeblich) brauchen. Oder ist es vielleicht so, dass wir einen nicht zu erreichenden Perfektionismus anstreben?
Daneben hat man von aussen den Eindruck, dass eine Reform die nächste jagt. Und wenn jemand eine Idee hat, die gewissen Anklang findet, wird sofort eine Arbeitsgruppe eingesetzt, und daraus erfolgt eine entsprechende Anpassung des Unterrichts. Kein Wunder, wird die Belastung für die Lehrerschaft im administrativen Bereich immer grösser.
Es muss auch erlaubt sein beim zweiten Thema, dem Alter, kritische Fragen zu stellen. War es vor zehn Jahren wirklich so viel einfacher, die eigenen Verwandten zu Hause zu pflegen? Oder wieso soll die Gemeinde heute dafür Geld an die pflegenden Angehörigen bezahlen und damals nicht?
Verstehen Sie mich richtig, es gibt sicher sehr viele Fälle, in denen eine finanzielle Abgeltung für diese aufopferungsvolle Aufgabe gerechtfertigt ist. Alles, was mit Pflege zu tun hat und dafür sorgt, dass die betagten Menschen so angenehm wie möglich ihren Lebensabend gestalten können, hat aus meiner Sicht seine volle Berechtigung. Aber brauche ich wirklich eine Entschädigung der Gemeinde, wenn ich für meine Eltern einkaufen gehe oder die Korrespondenz für sie erledige, so wie das offenbar heute möglich ist?
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.