«Es braucht die, die vorausgehen»
13.11.2025 SportRémy Gröflin erhält einen Anerkennungspreis
Während die Nominierten für den Sportpreis für Stimmen im Online-Voting weibeln, weiss der Buckter Rémy Gröflin bereits, dass er bei der Verleihung am 27. November für 46 Jahre ...
Rémy Gröflin erhält einen Anerkennungspreis
Während die Nominierten für den Sportpreis für Stimmen im Online-Voting weibeln, weiss der Buckter Rémy Gröflin bereits, dass er bei der Verleihung am 27. November für 46 Jahre Funktionärstätigkeit geehrt wird – wenn auch in Abwesenheit.
Sebastian Wirz
Sie erhalten bei der Sportpreisverleihung in zwei Wochen einen Anerkennungspreis, können diesen aber nicht selber entgegennehmen. Ich hätte Ihnen sogar zugetraut, dass Sie Ihre Afrika-Ferien dafür unterbrechen, Herr Gröflin. Rémy Gröflin: Es bedeutet mir sehr viel, dass ich diesen Preis erhalten darf. Ich schätze es sehr, dass es diese Anerkennung für 46 Jahre Funktionärstätigkeit gibt. Unsere Reise durch Marokko haben wir aber schon vor anderthalb Jahren gebucht, und ich habe tatsächlich alle Möglichkeiten ausgelotet, um vielleicht doch noch dabei zu sein. Aber es klappt nicht. Mein OL-Jäckchen und das Turnband habe ich zur Sicherheit mitgenommen. In Münchenstein wird mich mein Sohn vertreten.
Vielleicht ist das noch passend: Die Familie hat einiges dazu beigetragen, dass Sie sich über Jahrzehnte in diversen Funktionen für Sportvereine, -verbände und -anlässe einsetzen konnten.
Ohne Rückhalt in der Familie wäre das neben einem 100-Prozent-Pensum und zwei Kindern nie gegangen. Es hat eigentlich immer gut geklappt: Meine Frau Ruth hat zu Hause geschaut, wenn ich Sitzungen hatte. Sie kannte das schliesslich selbst gut: Den Vorstandsposten im Baselbieter Turnverband habe ich in den 1990er-Jahren direkt von ihr übernommen.
Präsident des TV Hölstein, des BLTV, des regionalen OL-Verbands, diverse andere Positionen und OK-Mitgliedschaften – was war die befriedigendste Aufgabe?
Ich würde sagen, alle. Sonst hätte ich es auch nicht getan. Turnen, leiten, weiterentwickeln des OL – das lag
mir stark am Herzen. Nach meinem Abgang beim BLTV 2007 hatte ich so etwas wie Wehmut – ich war nicht mehr integriert im Baselbieter Sport. Und mit 50 nichts mehr zu tun, wäre mir schwer gefallen. Also sagte ich sofort zu, als ich 2013 vom regionalen OL-Verband angefragt wurde.
Bei all den Terminen und Sitzungen muss es auch schwierige Situationen gegeben haben.
Ich kann nichts Negatives sagen, würde alles noch einmal so machen. Aber klar, es war nicht immer einfach. Als ich Kantonalpräsident der Turner war, löste sich der Bezirksturnverband Arlesheim auf und der Kantonalverband wollte sich neu organisieren. Es gab ein riesiges Projekt, für das viel Geld ausgegeben wurde und das keine brauchbaren Resultate brachte. Vor allem aus Richtung BTV Sissach wurde die Meinung vertreten, dass es den BLTV nicht mehr brauche. Ich bin der gegenteiligen Meinung: Ohne den BLTV geht es nicht. Der Konflikt führte so weit, dass Vereine aus dem Bezirk Sissach unserem Jubiläumsfest zum 100-jährigen Bestehen des TV Hölstein fernblieben.
In Hölstein hat Ihre «Laufbahn» begonnen. Der Turnverein ist heute nicht mehr sichtbar.
Ja, und das ist eine herbe Enttäuschung. Ich habe 1984 eine Fusion angestossen, die leider nicht geklappt hat – es ging bei der Ablehnung wie so oft ums Geld. Dass wir mit unseren Plänen richtig lagen, sieht man daran, dass es in Hölstein heute faktisch keine Aktivriege mehr gibt. Weitere Fusionen haben funktioniert, wie etwa jene des Frauenturnverbands Baselland und des Kantonalturnvereins Baselland 1992 zum BLTV, bei der ich in
der Arbeitsgruppe beteiligt war. Und aktuell sind wir in meinem Wohnort Buckten daran, den Turnverein sowie die Turnerinnen- und Frauenriege zu fusionieren. Wir machen eigentlich alles zusammen, bis hin zu den Turnerabenden. Die Fusion ist nur noch ein rechtlicher Akt und die Turnenden sind an mich herangetreten, damit ich das Projekt leite.
Als jeweiliger Chef der ICT waren Sie mit dem Eidgenössischen Turnfest 2002 und dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2022 bei den beiden grössten Sportanlässen im Baselbiet involviert. Dazwischen dürfte sich in Sachen IT einiges getan haben …
Die Unterschiede waren riesig. Beim Turnfest haben wir einfach ein paar PCs in eine Turnhalle gestellt und einen Server eingerichtet. Das war das zentrale Rechnungsbüro, in dem eine erste Version einer Auswertungs-Software installiert war. Die Hauptarbeit wurde mit Excel-Tabellen ausgeführt. Die Resultate gab es auf Papier, Soziale Medien gab es nicht. Beim Schwingfest stand mir dann ein Budget von 800 000 Franken zur Verfügung. Wir haben in der Pampa ein Rechenzentrum aufgebaut und 17 Kilometer Glasfaserleitungen verlegt. Das C in ICT bedeutet schliesslich «communication» und dazu gehört das Fernsehen – ich war im Endeffekt verantwortlich, dass das Fernsehen gute Bilder produzieren konnte. Wir waren technisch insofern Vorreiter, dass wir 2022 am Esaf Tablets für die Resultatmeldung bei den Kampfrichtern eingeführt haben. Die klassischen Zettel waren nur als Back-up im Einsatz.
m Frühling haben Sie das Präsidium des ROLV abgegeben, Ihren Gemeinderatsposten schon vergangenes Jahr. Wo engagieren Sie sich heute noch, abgesehen von der abgesprochenen Buckter Turn-Fusion?
Ich versuche als Informatiker, Turnvereine bei der Professionalisierung und Digitalisierung der Vereinsarbeit zu unterstützen. Sie kämpfen zum Beispiel oft mit der Archivierung. Der Verband will, dass digital verwaltet wird, liefert aber kein Tool dafür. Ich bringe Vereinen ein Geschäftsführungs-Tool näher. Dazu präsidiere ich den Fanclub von Orientierungsläufer Tino Polsini und den Verein der Chalet- und Wohnungsbesitzer in Grindelwald. Hier zeigt sich ein riesiger Vorteil der heutigen Vereinsarbeit im Vergleich zu meiner Anfangszeit: Die nicht ortsgebundenen Online-Meetings erleichtern es, in diesen Gremien aktiv zu sein.
Trotz Videotelefonie fällt es Vereinen und Verbänden nicht einfacher, genügend Vorstände und Ähnliches zu finden. Wie blicken Sie in dieser Sache in die Zukunft?
Es steht und fällt mit Menschen, die mit dem Fähnchen vorausgehen. Und von diesen gibt es weniger als noch vor einigen Jahren. Ohne einen funktionierenden Vorstand funktioniert kein Verein. Ich hoffe, die Vereinskultur bleibt, denn sie wird in einer Welt mit den Sozialen Medien in meinen Augen wichtiger. Der Individualismus ist schon vor langer Zeit aufgekommen – man will nicht mehr helfen, sondern nur konsumieren. Mich hat das immer gestört. Ich war selber immer auch Aktiver – heute speziell im Indiaca – und nicht nur Funktionär. Und für mich gilt heute noch: Alleine trainieren kann ich nicht.
Anerkennungs- und Förderpreise
wis. An der Sportpreisverleihung vom 27. November werden neben dem Hauptpreis drei Anerkennungspreise verliehen (siehe Beitrag auf dieser Seite). Der Buckter Rémy Gröflin wird für 46 Jahre Funktionärstätigkeit im Turnen (unter anderem Präsident Baselbieter Turnverband, Präsident TV Hölstein, Ressort-Chef OL beim Schweizerischen Turnverband), Orientierungslauf (Präsident regionaler OL-Verband 2013 – 2025) und Schwingen (Leiter ICT Esaf 2022) geehrt. Der 67-Jährige ist eidgenössisch diplomierter Wirtschaftsinformatiker und hat 2017 zudem die Ausbildung zum Sportkoordinator beim Bundesamt für Sport absolviert.

