Erfolg zwingt Wirtepaar zur Aufgabe
18.12.2025 ZeglingenNach 253 Jahren schliesst die Dorfbeiz Rössli
Mit einem «Abverkauf» hat gestern das traditionelle, beliebte und erfolgreiche Zeglinger Restaurant Rössli seinen Betrieb eingestellt. Damit ist das Gasthaus Geschichte – zumindest im Sinne einer klassischen ...
Nach 253 Jahren schliesst die Dorfbeiz Rössli
Mit einem «Abverkauf» hat gestern das traditionelle, beliebte und erfolgreiche Zeglinger Restaurant Rössli seinen Betrieb eingestellt. Damit ist das Gasthaus Geschichte – zumindest im Sinne einer klassischen Dorfbeiz.
Jürg Gohl
Geschirr, Besteck, Wäsche, Mobiliar, Kasse und vieles mehr stehen zum Verkauf.So steht es im «Volksstimme»- Inserat vom vergangenen Freitag, mit dem zum gestrigen «Abverkauf» in die Gaststube «Rössli» in Zeglingen eingeladen wurde. Am Nachmittag wurden gestern die Türen definitiv verriegelt. Möglicherweise werden sie im kommenden Frühling mit einem neuen Konzept, aber nicht mehr als klassische Dorfbeiz, wiedereröffnet.
Bereits in der Vorwoche stand das Pächterpaar Claudia und Walter Muntwyler letztmals hinter dem Kochherd und der Theke. Sie blicken halb erleichtert, halb wehmütig auf einen «schönen, stimmigen Abschluss» zurück. Als sie vor eineinhalb Jahren das «Rössli» in Pacht übernahmen, sprachen sie davon, dort mindestens bis im Herbst 2026 zu wirten. Doch nun ist früher Schluss.
Aussergewöhnlich ist der Grund für den verfrühten Abgang des Paars: der Erfolg. «Wir hören auf, weil wir zu viele Gäste haben», sagen Walter und Claudia Muntwyler, die unter anderem bereits die «Waldgrotte» in Buus führten und es nun in ihrem Wohnort Zeglingen nochmals wissen wollten. «Für uns wurden die Tage immer länger und die Knochen schmerzten immer stärker.» Zuerst dachten die beiden über reduzierte Öffnungszeiten nach, zogen dann aber die Notbremse. Wer kann es ihnen, dem 71-jährigen Wirt und der 63-jährigen Wirtin, verdenken? Sie wollen zuerst einmal richtig ausspannen.
Tatsächlich war das «Rössli» von Wandergruppen und Pensionierten sehr gut frequentiert. Die Gaststube und die Küche wurden gelobt, der Umsatz stimmte. Doch das Beizern habe sich in den vergangenen 40 Jahren stark verändert: hohe Frequenzen zu den Essenszeiten, dafür viele «tote» Stunden dazwischen. Selbst nach den Nachtessen blieben die Tische leer, bis zur späten Stunde noch die Vereine ihren Durst löschen und den kleinen Hunger stillen kamen.
«Früher traf man sich am Stammtisch, und es gab die Jassgruppen», hängt Walter Muntwyler den alten Zeiten nach, «sie brachten nicht den grossen Umsatz, aber zumindest Stimmung ins Haus.» Er ist deshalb überzeugt, dass Gastro-Betriebe mit einem durchdachten Konzept und jugendlicher Energie auch heute noch erfolgreich geführt werden können.
Trouvaille im ersten Stock
Das «Rössli» in Zeglingen kann auf eine aussergewöhnliche Geschichte zurückblicken, wurde es doch, so ist auf der Website nachzulesen, bereits 1792 erbaut. Gemäss Inschrift am Schlussstein der Kellertüre soll es sogar schon 1772 als zweigeschossiges Wohn- und Gasthaus mit einem angebauten Ökonomieteil entstanden sein. Es verfügt im ersten Stock wie viele andere Oberbaselbieter Gasthäuser über einen grossen Tanzsaal, in welchem sich zudem eine kulturhistorische Trouvaille befindet.
Der Basler Künstler Rudolf Löw hat dort um 1900 einen farbenfrohen Bilderzyklus geschaffen, der sich wie ein Band der Decke entlang durch den Saal zieht. So beglich er beim damaligen Wirtepaar seine Schulden. Allerdings sind die aufgetragenen Bilder vom Zerfall bedroht. Als «ein einmaliges kulturhistorisches Ensemble», bezeichnete es die frühere Kantonskuratorin Letizia Schubiger einst.
Das Ehepaar Muntwyler spricht auf der Website nur von einer vorübergehenden Schliessung «bis Ende Februar». Tatsächlich erwägt Besitzerin Judith Gysin, die einst selber als Wirtin das «Rössli» wiederbelebte und ebenfalls vom Erfolg überrascht wurde, ihr Restaurant mit Spezialanlässen zu den Themen «Wein und Käse» tageweise wieder in Betrieb zu nehmen. Festlegen will sie sich aber nicht. Bei ihr gilt das Gleiche wie für Muntwylers: Die Gesundheit geht vor.



