«Eine Riesenchance für die Kirchen»
17.11.2023 LäufelfingenDer scheidende Pfarrer Christoph Albrecht über seine Arbeit als Feldprediger
Ende Jahr geht Pfarrer Christoph Albrecht in Pension. Damit verlässt er die Kirchgemeinde Läufelfingen im 22. Amtsjahr. Von 1997 bis 2021 diente Albrecht zudem als Feldprediger in der Schweizer ...
Der scheidende Pfarrer Christoph Albrecht über seine Arbeit als Feldprediger
Ende Jahr geht Pfarrer Christoph Albrecht in Pension. Damit verlässt er die Kirchgemeinde Läufelfingen im 22. Amtsjahr. Von 1997 bis 2021 diente Albrecht zudem als Feldprediger in der Schweizer Armee. Im Interview erzählt er über die 26 Jahre als Milizoffizier.
Rudolf Senn
Herr Albrecht, ein Feldprediger hat den Rang eines Hauptmanns – weshalb?
Christoph Albrecht: Die Militärorganisation von 1883 stellte den Feldprediger in den Rang eines Hauptmanns im Regimentsstab. Der Hauptmannsgrad war ein Scharniergrad, der dem Geistlichen den Zugang zur Truppe, aber auch zu den höheren Stäben öffnete, was sonst nicht möglich gewesen wäre.
In welchen militärischen Verbänden haben Sie Dienst geleistet?
Von 1997 bis 2003 war ich im Stab des basel-städtischen Infanterie-Regiments 22 eingeteilt. Aufgrund der Auflösung der kantonalen Truppen und der Brigadisierung der Armee übte ich von 2003 bis 2011 die Funktion des Feldprediger-Dienstchefs der Infanterie-Brigade 5 aus. Nach erneuten Umstellungen in der Militärorganisation engagierte ich mich von 2012 bis 2021 schliesslich im Lehrverband Infanterie.
Wie sah Ihr Feldpredigeralltag aus?
Im Regiment umfasste mein Dienst Truppenbesuche in den Bataillonen und Stäben, Seelsorge an den Soldaten, Mithilfe beim Lösen sozialer Nöte in ihrem Zivilleben, Teilnahme an Manövern, Regimentsrapporte und das «Wort zum Tag» im Regiments-Stab. Im Brigade-Stab oblagen mir die Betreuung und die Unterstützung der unterstellten Feldprediger in den Bataillonen. Dazu besuchte ich meine Feldprediger in den Bataillonen und organisierte Brigade-Feldprediger-Rapporte. Auch das Seelsorgeangebot an alle, mehr als 90 Offiziere des Brigade-Stabs, die Teilnahme an Brigade-Rapporten und das «Wort zum Tag» im Brigade-Stab gehörten dazu.
Das Feldpredigerwesen ist ein Dienst der Kirchen an die Armee. Profitieren die Kirchen auch von der Armee?
In hohem Mass! Ich finde es eine Riesenchance für unsere Kirchen, in der Armee – das heisst, bei den Soldaten und Soldatinnen – präsent zu sein. Es wäre eine verpasste Chance, wenn man sich als Pfarrperson nicht seelsorgerisch Menschen in Not zur Verfügung stellt. Die Menschen in einem Bataillon, einem Regiment oder einer Brigade empfinde ich wie eine zweite Gemeinde. Durch die Armeeseelsorge erhalten Soldaten Hilfe bei persönlichen Nöten und Sorgen.
Wie profitieren die Kirchen?
Für sie ist es eine Chance, von den zumeist aus der Kirche ausgetretenen oder kirchenfernen Angehörigen der Armee als echte Hilfe erlebt zu werden. Dadurch – nicht qua Existenz – macht die Kirche für die Leute Sinn. Durch Engagement vor Ort wird Vertrauen geschaffen. Der Dienst als Armeeseelsorger eröffnet aber auch Beziehungsräume weit über die einzelnen Diensttage hinaus. Es ist ein Vertrauensbeweis, wenn man als Feldprediger auch ausserdienstlich von Armeeangehörigen kontaktiert wird, um sie an Lebensübergängen zu begleiten: Sei es bei Trauungen, Taufen oder Beerdigungen.
Es ist schon lange her, als es hiess: «Die Schweiz hat keine Armee, die Schweiz ist eine Armee.» Sicher ist, dass die Schweizer Armee früher ein grosses Ansehen in der Bevölkerung hatte. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Warum?
Die Erfahrung einer akuten militärischen Bedrohung fehlt – Gott sei Dank – seit Jahren. Die Erinnerungen an Kriegszeiten verblassen. In einer friedens- und wohlstandsverwöhnten Gesellschaft verkümmert das Bewusstsein, dass ein Leben in Freiheit nicht nur einen finanziellen Preis hat. Eine lange Friedenszeit nährt die Illusion, der Friede in Freiheit sei eine natürliche Selbstverständlichkeit. Diese Illusion wird durch gewisse politische Kreise, zum Beispiel durch die GSoA oder die SP, bewusst geschürt. Denn sie streben eine Abschaffung der Armee an.
Können Sie das ausführen?
In keinem Departement wurde das Budget in den vergangenen Jahren derart zusammengestrichen wie im VBS, das für die Verteidigung und den Bevölkerungsschutz zuständig ist. Doch Sicherheit zum Nulltarif gibt es nicht, ebenso wenig Sicherheit auf Knopfdruck. Es braucht Beschaffung, Ausbildung und so weiter. Man gründet auch keine Feuerwehr erst dann, wenn es brennt. Der Ukraine-Krieg war ein Weckruf, der uns ein Goethe-Zitat schmerzlich vor Augen führt: «Das ist der Weisheit letzter Schluss: Nur der verdient sich Freiheit, wie das Leben, der täglich sie erobern muss!» Das muss gemäss Verfassung zugunsten einer optimalen Landesverteidigung umgesetzt werden.
Vor zwei Jahren sind Sie nach 40 Dienstjahren aus der Armee entlassen worden. Wie blicken Sie heute darauf zurück?
Ich habe in der Armee menschlich und fachlich mindestens genauso viel zurückbekommen, wie ich gegeben habe. Ich durfte interessante Menschen aus allen Berufen kennen und Militärfachliches verstehen lernen. Auch konnte ich jahrzehntelange Freundschaften schliessen. Das hat meine innere Verbundenheit mit unserer Armee womöglich noch vertieft. Ich freue mich, weiterhin die jährliche Wehrmännerentlassung der Kantone Baselland und Basel-Stadt mit einem Beitrag mitgestalten zu dürfen.
Pfarrer Christoph Albrecht wird morgen Samstag, 18. November, bei einer Feier in der Kirche in Läufelfingen verabschiedet.