Eine Rückkehr mit Wirkung
26.06.2025 Fussball, SportSylvie Ruch könnte morgen Regio-Fussballerin des Jahres werden
Fast 30 Jahre nach ihrem ersten Spiel steht Sylvie Ruch noch immer auf dem Platz – und nun sogar zur Wahl als Regio-Fussballerin des Jahres. Ein Porträt über Leidenschaft, Pausen und das Glück, ...
Sylvie Ruch könnte morgen Regio-Fussballerin des Jahres werden
Fast 30 Jahre nach ihrem ersten Spiel steht Sylvie Ruch noch immer auf dem Platz – und nun sogar zur Wahl als Regio-Fussballerin des Jahres. Ein Porträt über Leidenschaft, Pausen und das Glück, zurückzukehren.
Luana Güntert
Schon mehr als 30 Jahre ist es her, seit Sylvie Ruch zum ersten Mal ihre Fussballschuhe schnürte. Sie spielte gemeinsam mit ihren beiden älteren Brüdern und ihrem Vater. Auf dem Pausenplatz traf sie sich mit Buben zum Spielen. In einem Verein war sie damals noch nicht, Mädchenteams gab es keine, zumindest nicht in Liestal, wo Ruch ihre ersten Lebensjahre verbracht hat. «Ich habe es einfach geliebt, Fussball zu spielen», erinnert sich Ruch heute.
Fast drei Jahrzehnte später ist diese Leidenschaft noch immer da. Die bald 39-Jährige hat soeben mit dem Frauenteam des SV Sissach die Saison in der 1. Liga auf dem 2. Platz abgeschlossen. Und: Sie ist für den Award der Regio-Fussballerin des Jahres nominiert – eine Ehre, mit der sie selbst kaum gerechnet hat.
Aufgewachsen ist Ruch in Liestal, später zog ihre Familie nach Sissach. Dort trat sie dem SV Sissach bei, wo es bei den D-Junioren gemischte Teams gab und sie mit ihrer Energie schon bald kräftig mitmischte. Sie spielte offensiv, war schnell, ehrgeizig und treffsicher – Eigenschaften, die sie auch bei ihrem Wechsel zum FC Baden 15 Jahre später auszeichneten. Zwei Jahre lang spielte sie dort in der Nationalliga B im Halbprofibereich und ein Jahr in der 1. Liga, trainierte viermal pro Woche und entwickelte sich zur dynamischen Flügelspielerin weiter.
«Ich habe in dieser Zeit extrem viel gelernt», sagt sie rückblickend. Und dennoch: Mit Ende 20 war für sie Schluss – vorerst. Die intensive Belastung mit Spielen an fast jedem Wochenende war ihr zu viel geworden. «Ich hatte nie das Ziel, Profi zu werden. Der Fussball war mir wichtig, aber nicht alles.»
Angebote, etwa vom damaligen Spitzenteam FC Concordia Basel, hatte sie schon vor ihrer Zeit beim FC Baden ausgeschlagen. Die Prioritäten lagen anders – bei der Musik und anderen Hobbys. 2015 zog sie sich aus dem Aktivfussball zurück. Jahrelang hatte sie keinen Ball am Fuss, spielte später aber hobbymässig in einer Trainingsgruppe in Lenzburg. Durch diese Gruppe kam sie mit dem FC Lenzburg in Kontakt, der sie mehrmals als Aushilfe für sein 4.-Liga-Team mitnahm. «Doch Mitglied im Verein war ich nie. Es waren nur sporadische Einsätze.»
Zweite Karriere im Oberbaselbiet
Kurz vor der Pandemie – sie lebte noch immer im Aargau – schloss sie sich einer neu gegründeten Seniorinnen-Gruppe beim SV Sissach an, die von Vera Gmür und Doris Schmassmann ins Leben gerufen wurde. «Ich fand die Idee von Anfang an super: Ein Team für Frauen, die nicht mehr im Meisterschaftsbetrieb spielen, aber die Freude am Fussball behalten wollen.»
Doch es blieb nicht beim lockeren Training. Als bei den Aktiven Not an der Frau war, sprang Ruch kurzfristig ein – zuerst jedoch nur in der 4. Liga. 2023 zog sie wieder heim ins Oberbaselbiet und wurde vom Trainer des Fanionteams, Patrick Ivanovic, angefragt, ob sie nicht wieder im ersten Team mitwirken will. Ruch sagte zu. «Damit hatte ich bei meiner Rückkehr wirklich nicht gerechnet», sagt sie. Und doch stand sie 2024 wieder in der 1. Liga auf dem Platz – ganze 20 Jahre, nachdem sie dort schon einmal mit dem SV Sissach gespielt hatte. Damals, 2004, war sie 17 Jahre alt gewesen und hatte mit drei Toren in den Aufstiegsspielen entscheidend zum ersten Aufstieg der SVS-Frauen in die 1. Liga beigetragen.
Dass sie eine der Ältesten und am Schluss die Älteste im Team war, störte Ruch nie – im Gegenteil. «Durch mein Team kam ich mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt und erlebte so Situationen ausserhalb meiner ‹Bubble› bei der Arbeit», sagt sie. Eine willkommene Abwechslung neben ihrer beruflichen Tätigkeit bei der Novartis. Durch die jüngeren Teamkolleginnen sei sie stets auf dem neusten Stand geblieben, was bei der Jugend gerade aktuell sei.
Schon während ihrer ersten Aktiv-Zeit beim SVS waren ihr Einsatz und ihre Liebe zum Verein aussergewöhnlich: Während ihres ETH-Studiums pendelte sie mehrmals pro Woche von Zürich ins Oberbaselbiet – nur um bei ihrem Verein trainieren zu können. «Der SV Sissach hat für mich einfach immer dazugehört.»
Nominiert – aber bescheiden
Heute steht Ruch am Ende ihrer aktiven Laufbahn – zumindest, was den Meisterschaftsbetrieb betrifft. Körperlich fühlt sie sich sehr fit. «Mir geht es besser als mit 25», sagt sie. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie heute polysportiv unterwegs ist: Sie geht biken, macht Fitnessübungen, bleibt beweglich. Auch die anfängliche Angst vor Verletzungen als ältere Spielerin – insbesondere an der Achillessehne – war unbegründet.
Auf dem Platz war sie zuletzt vor allem als vorbereitende Flügelspielerin gefragt. Eine, die mitdenkt, mitläuft, mithilft – und sich nie in den Vordergrund drängt. «Ich habe den Fussball nie wegen des Rampenlichts gespielt.»
Ab der kommenden Saison will sich Ruch ganz auf das Seniorinnen-Team konzentrieren – und dieses aktiv weiterentwickeln. «Wir möchten mehr Frauen ansprechen, die Lust auf Fussball haben – egal, wie alt sie sind oder ob sie früher schon gespielt haben.» In Sissach sei dieses Angebot noch relativ neu, aber umso wichtiger. «Alle sind willkommen. Das ist unser Grundsatz.»
Neben dem Fussball freut sich Ruch nun auch wieder auf spontane Wochenenden. «Einfach mal wandern gehen, ohne auf den Spielplan schauen zu müssen – das ist für mich inzwischen echter Luxus.»
Dass sie nun bei der «Fussballa» des Fussballverbands Nordwestschweiz morgen Abend für den Award Regio-Fussballerin des Jahres nominiert ist, ehrt und überrascht sie. «Für mich ist diese Nomination vor allem eine Anerkennung für das ganze Team und den Verein.» Ob sie gewinnt oder nicht, sei für sie zweitrangig. «Natürlich wäre es schön. Aber ich freue mich vor allem, dass Frauenfussball auf diesem Weg sichtbar wird.»
«Fussballa» – ein Event des Fussballverbands Nordwestschweiz mit unter anderem der Wahl zur Regio-Fussballerin des Jahres, Freitag, 27. Juni, 18 Uhr, Volkshaus, Basel.
Die Nominierten
lug. Neben Sylvie Ruch sind noch zwei weitere Spielerinnen für den Award Regio-Fussballerin des Jahres nominiert: Alina Leuthardt (FFV Basel) und Laura Oeschger (FC Concordia Basel). Bei den Männern sind Jonah Hänggi (FC Breitenbach), Marco Palmieri (FC Aesch) und der Gelterkinder Kevin Schreiber (FC Liestal) nominiert.
Die drei Trainer, die zum Trainer des Jahres nominiert wurden, sind: Mario Cantaluppi (FC Basel), Roderick Föll (FC Breitenbach) sowie Julien Roth (BSC Old Boys). Die zwei nominierten Schiedsrichter und die nominierte Schiedsrichterin heissen Vanessa Mühlheim, Ferdinand Roos und Diego Solenthaler.