Eine Chance für die Inklusion
19.07.2024 Sport, Weitere Sportarten, Gesellschaft, Hölstein, SportTobias Fankhauser organisiert «Zurich2024» mit
Im September geht in Zürich die Rad- und Para-Cycling-WM über die Bühne – zum ersten Mal in der Sportgeschichte als gemeinsamer Event. Der ehemalige Handbike-Profi Tobias Fankhauser aus Hölstein ...
Tobias Fankhauser organisiert «Zurich2024» mit
Im September geht in Zürich die Rad- und Para-Cycling-WM über die Bühne – zum ersten Mal in der Sportgeschichte als gemeinsamer Event. Der ehemalige Handbike-Profi Tobias Fankhauser aus Hölstein arbeitet im OK mit und erklärt, dass die WM nicht nur für Rollstuhlsportler gedacht sei, sondern ein Anlass für alle sein soll.
Luana Güntert
Der Sommer 2024 ist ein Traum für Sportfans. Nach der Fussball-EM bei unserem nördlichen Nachbarn können schon ab kommender Woche die Olympischen Spiele in Paris genossen werden. Und der dritte Sport-Grossanlass findet in der Schweiz statt: die Rad- und Para-Cycling-WM im September in und um Zürich.
«Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren», sagt Tobias Fankhauser. Der ehemalige Handbike-Profi arbeitet seit zwei Jahren im Organisationskomitee für «Zurich2024», wie sich der Anlass nennt. Zum ersten Mal in der Sportgeschichte wird die Rad- und die Para-Cycling-WM als gemeinsamer Event ausgetragen.
Der Hölsteiner ist für die Wettkämpfe der Para-Athletinnen und -Athleten sowie das «barrierefreie Eventerlebnis» zuständig. Im Sportbereich des OKs würden viele Personen mitarbeiten, die bereits bei der Tour de Suisse Erfahrung sammeln konnten, sagt Fankhauser. «In dieser bereits eingespielten Rennorganisation kann ich den Aspekt des Para-Cyclings einbringen.»
Für die Para-Rennen selbst war Fankhauser in den Jahren 2022 und 2023 für die Streckenbestimmung und die Marschtabellen mitverantwortlich. «Bei einer klassischen Rad-WM gibt es immer eine Schlussrunde, die von den Athleten mehrmals absolviert wird», erklärt der Hölsteiner. Jener «City Circuit» führt via Zürichbergstrasse in einer Schlaufe über die Forch zurück an den See. «Gewisse Para-Cycling-Athleten können diese Strecke problemlos absolvieren», so der 34-Jährige, der in der Planung versucht hat, möglichst viele Kategorien auf diese Schlussrunde zu schicken. Für Sportler mit stärkeren Einschränkungen ist diese Runde aber zu streng, weshalb speziell der flachere «Lakeside Circuit» kreiert wurde, um auch diesen Athleten eine attraktive Schlussrunde zu bieten.
Nicht nur rollstuhlgängig
Bei Fankhausers Arbeit für das barrierefreie Eventerlebnis geht es hingegen nicht direkt um den Sport: «Uns als Team ist es ein Anliegen, dass auch Menschen mit einer Behinderung den Anlass besuchen und geniessen können», so Fankhauser. Oft sei es an Konzerten oder Sportanlässen so, dass es für Behinderte spezielle Rollstuhlplätze gebe. «Dann sind wir aber immer separiert.»
In Zürich soll das anders sein und das ganze Veranstaltungsgelände ist barrierefrei zugänglich. Die «Hosted Areas» bieten gute Sicht auf das Zielgelände und ideale Sitzgelegenheiten. «Durch modulare Sitzwürfel kann ein Freundeskreis mit Personen im Rollstuhl und Fussgängern gemeinsam den Event geniessen.»
«Den meisten ist nicht bewusst, wie viele Menschen mit Behinderungen es gibt», sagt Fankhauser und erklärt, dass barrierefrei nicht dasselbe wie rollstuhlgängig sei. So wird an der «Zurich2024» auf viele Arten von Beeinträchtigungen Rücksicht genommen, zum Beispiel mit einem Rückzugsort für Menschen mit Autismus, die sich wegen der Reizüberflutung ausruhen müssen, oder einem Konzert von Popmusiker «Crimer», das in Gebärdensprache übersetzt wird. Auch für Personen, die Schwierigkeiten mit der Orientierung haben, wird auf der Website der Weg vom Bahnhof Zürich Stadelhofen zum Veranstaltungsgelände mit Fotos erklärt.
«Natürlich können wir nicht alles anbieten», so Fankhauser. Es sei daher umso wichtiger, klar zu kommunizieren, was es gibt und was nicht, damit sich die Radsportfans darauf einstellen können und es keine Missverständnisse gibt. «Wenn ich privat einen Anlass besuchen möchte und auf der Website nicht über barrierefreien Zugang kommuniziert wird, gehe ich gar nicht erst hin», erklärt der Hölsteiner seine Perspektive.
Weiter hilft Fankhauser mit, geeignete Hotels für den Pool an Unterkünften für die Athleten zu finden, er unterstützt die Medienarbeit und Kommunikation und zeigt auf, wie mit beeinträchtigten Menschen gearbeitet wird. «Das alles macht meine Arbeit sehr spannend und abwechslungsreich. Ich tanze gleichzeitig auf vielen Hochzeiten.»
Keine Eintagsfliege
Für seine Arbeit, der er zu 60 Prozent nachgeht, kann Fankhauser nicht nur von seiner Aktiv-Karriere, sondern auch von seinem Studium in Betriebsökonomie und Business Administration profitieren. «Ich muss mich in der Arbeitswelt aber noch finden», sagt er. Er habe nicht denselben «Tank», den Personen ohne Behinderung hätten, und könne nicht allzu lang einer hohen Belastung ausgesetzt sein. «Im vergangenen Jahr hatte ich oft Fieber. Ich muss lernen, mir meine Zeit besser einzuteilen.» Er möchte seinem Team auch mitgeben, dass Menschen mit Behinderung nicht schlechter arbeiten, sich aber manchmal zurücknehmen müssen. Dies zu wissen, sei für die gesellschaftliche Inklusion sehr wichtig.
Fankhauser sieht die Doppel-WM, mit Festgelände im Herzen von Zürich, als riesige Chance für die Gesellschaft, die über den Sport hinausgeht. Menschen mit und ohne Behinderung würden zusammenkommen und eine gute Zeit haben, was die Inklusion fördere. Er hofft auch, dass die WM beweist, dass das Konzept «verhebt» und der internationale Radverband weitere Doppel-Weltmeisterschaften planen wird. «Bei den kommenden Durchführungen, die bereits vergeben wurden, sind die beiden Disziplinen leider wieder getrennt.»
Trotz seiner Euphorie ist sich Fankhauser bewusst, dass der Para-Sport nicht selbsttragend ist und eine gewisse Querfinanzierung notwendig ist, um solche Anlässe auf die Beine zu stellen. «Andere Anlässe können aber von unserem Wissen profitieren, so bleibt ‹Zurich2024› keine Eintagsfliege.»
Über die unsichere Wetterlage heuer macht sich der Hölsteiner keine Sorgen. Notfallkonzepte seien vorhanden – und es brauche viel, bis ein Rennen abgesagt oder unterbrochen werde. «Im Gegensatz zu Fussballern sind Velofahrer ‹harti Sieche› und können auch bei Regen Vollgas geben», sagt er und lacht.
Die Rad- und Para-Cycling-Weltmeisterschaft
lug. Die Rad- und Para-Cycling-Weltmeisterschaft findet vom 21. bis 29. September in und um Zürich statt. Gestartet wird in mehr als 50 Rennen in unterschiedlichen Altersklassen (Elite, U23, Junioren) und Kategorien – je nach Stärke und Art der Beeinträchtigung (Velo, Tandem, Handbike und Dreirad). Rund 1700 freiwillige Helferinnen und Helfer werden an der Weltmeisterschaft im Einsatz stehen.
Tobias Fankhauser rechnet mit mindestens 650 000 Fans, bei schönem Wetter könnte sogar die 1-Million-Marke geknackt werden.