Ein Sturz, der alles verändert
04.12.2025Durch das Gletschertraining konnte ich tolle Fortschritte erzielen. Als ich nach Hause kam, kämpfte mein Mann gerade mit einer hartnäckigen Grippe. Zwei Tage vor meiner Abreise erwischte es dann auch mich. Fieberfrei, aber mit einem schweren Kopf und einem krächzenden Hals reiste ...
Durch das Gletschertraining konnte ich tolle Fortschritte erzielen. Als ich nach Hause kam, kämpfte mein Mann gerade mit einer hartnäckigen Grippe. Zwei Tage vor meiner Abreise erwischte es dann auch mich. Fieberfrei, aber mit einem schweren Kopf und einem krächzenden Hals reiste ich zum Saisonauftakt an. Mehr als 100 Athleten und Athletinnen waren vor Ort, eine besondere Stimmung, in einer besonderen Saison – einer paralympischen.
Der erste Wettkampftag verlief gut. Ich konnte mich trotz Krankheit gut konzentrieren und das Feedback der Trainer umsetzen. Zwar war ich zögerlich unterwegs, fühlte mich aber sicher auf der Strecke. Die Materialanpassungen hatten sich gelohnt. Ich belegte den 9. Platz, ein gutes Ergebnis, auch wenn ich mir die Top 8 als Ziel gesetzt hatte.
Am zweiten Tag stieg die Anspannung. Ich musste mehr Risiko eingehen, um meine Leistung zu steigern. Ich nahm mir viel vor – zu viel. Im ersten Lauf fiel ich hin, im zweiten wollte ich es unbedingt besser machen. Durch das höhere Tempo kam ich in einer Kurve gefährlich nah ans Sicherheitsnetz, korrigierte zum Tor hin – ein wenig zu stark, also korrigierte ich zurück. Das Hin und Her brachte mich aus dem Gleichgewicht, und ich rasselte ungebremst ins Netz.
Als ich hinter dem Netz auf dem Boden aufschlug, merkte ich sofort, dass etwas gewaltig nicht stimmte. Mein linker Arm hing einfach nach unten, die Schulter schmerzte heftig, an Aufstehen war nicht zu denken. Schnell waren Trainer und Rettungsteam bei mir. Die Diagnose Schulterluxation folgte bald. Noch vor Ort versuchte ein Arzt, die Schulter zu reponieren, erfolglos. In der Ambulanz wurde ein Teil der Kleidung aufgeschnitten, ein Zugang gelegt, und es wurde erneut versucht, ohne Erfolg.
Erst knapp zwei Stunden nach dem Unfall konnte die Schulter im Spital nach dem Röntgen endlich eingerenkt werden. Bald darauf wurden ich und meine Begleitung entlassen. Ich bin erleichtert, dass Rücken und Kopf keinen Schaden erlitten haben.
Die erste Nacht war ein Kampf, eine erträgliche Position fand ich kaum. Nun bin ich zu Hause und kann morgen für ein MRI in die Rennbahnklinik. Ich hoffe sehr, dass grössere Begleitverletzungen ausgeschlossen werden können und die Prognose für die Genesung positiv ausfällt. Der Alltag ist gerade eine grosse Herausforderung. Einarmig im Rollstuhl unterwegs zu sein, ist mühsam – einhändig eine Kolumne zu tippen, eine interessante Herausforderung.
Was bedeutet das für die weitere Saison? Sind die Paralympischen Spiele für mich unter diesen Umständen noch realistisch? Ich glaube fest daran.
Romy Tschopp
Vom Rollstuhl aufs Snowboard: Die Sissacherin Romy Tschopp (1993) ist die erste Schweizer Para-Snowboarderin, die an Paralympischen Spielen teilnehmen konnte. Sie wurde 2023 Vizeweltmeisterin im Snowboardcross.

