Ein Pirat wehrt sich gegen die e-ID
14.02.2025 SchweizDer Liestaler Jonas Sulzer wirkt im Referendumskomitee mit
Nachdem das Gesetz 2021 an der Urne deutlich gescheitert war, verabschiedeten im vergangenen Jahr die eidgenössischen Räte ein neues Gesetz zur elektronischen Identität (e-ID). Gegen dieses hat die Piratenpartei im ...
Der Liestaler Jonas Sulzer wirkt im Referendumskomitee mit
Nachdem das Gesetz 2021 an der Urne deutlich gescheitert war, verabschiedeten im vergangenen Jahr die eidgenössischen Räte ein neues Gesetz zur elektronischen Identität (e-ID). Gegen dieses hat die Piratenpartei im Januar das Referendum ergriffen. Mittendrin ein Liestaler.
Timo Wüthrich
Es war ein deutliches Ergebnis: Mehr als 64 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung lehnten im März 2021 das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (e-ID-Gesetz) ab. Das Gesetz sollte die Einführung eines digitalen Identitätsnachweises ermöglichen. Die Niederlage an der Urne sollte aber nicht das Ende einer elektronischen Identität sein: Im vergangenen Dezember haben die eidgenössischen Räte eine neue Fassung des e-ID-Gesetzes verabschiedet, die vorsieht, dass der Bund die elektronische Identität ausstellt – anders als bei der abgelehnten ersten Version, bei der private Unternehmen als Anbieter fungiert hätten.
Im Januar ergriff die technikaffine Piratenpartei das Referendum. Einer, der gegen die zweite Version der e-ID kämpft, ist Jonas Sulzer. Der Liestaler leitet die Kampagne des Referendumskomitees, das aus Mitgliedern der Piratenpartei besteht. Der 25-Jährige kennt sich aus, wenn es um Datenschutz geht: Nach der Matur am Liestaler Gymnasium begann er ein Informatikstudium an der Lausanner ETH. Aktuell befindet sich Sulzer im Masterstudium für Cybersecurity. Sein politisches Interesse entwickelte sich während seiner Zeit am Gymnasium. «Während sich mein Fokus zuerst vor allem auf allgemeine Themen wie die Nachhaltigkeit richtete, sprach mich zunehmend die Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Politik an», so Sulzer.
Fehlende Sicherheitsgarantien
In der Folge wurde Sulzer auf die Piratenpartei, die sich insbesondere für digitale Belange einsetzt, aufmerksam. Der Liestaler wurde Mitglied und engagiert sich mittlerweile im nationalen Vorstand. Sulzer sagt, dass er durch sein Wirken bei der Piratenpartei versuche, die Wichtigkeit der digitalen Integrität, der Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger im virtuellen Raum, der breiten Bevölkerung aufzuzeigen. «Die Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft werden zurzeit wesentlich von der Digitalisierung geprägt. Wir Bürgerinnen und Bürger dürfen es nicht multinationalen Tech-Konzernen überlassen, unsere Zukunft zu gestalten. Gerade wir jungen Menschen müssen erkennen, dass es um unsere Zukunft geht und wir eine menschenfreundliche Digitalisierung anstreben müssen.»
Angesprochen auf das zweite Gesetz zur elektronischen Identität erklärt Sulzer, das Hauptproblem seien die fehlenden grundlegenden Schutzgarantien. «Die sicherste Technologie, um einen Menschen zu identifizieren, ist aktuell immer noch die analoge Plastikkarte. Eine e-ID kann dann nützlich sein, wenn die Privatsphäre des Nutzers oder der Nutzerin genügend respektiert wird. Für eine solche Umsetzung braucht es gewisse Mindeststandards im Gesetz, zum Beispiel die Unverknüpfbarkeit von Daten. Dies verhindert die Überwachung.» Solche Standards fehlten im aktuellen e-ID-Gesetz jedoch komplett, erklärt Sulzer. Er betont, dass die Piratenpartei nicht grundsätzlich gegen eine elektronische Identifikation sei, sondern lediglich die jetzige Form des Gesetzes ablehne.
In einem Communiqué des Bundes heisst es, die e-ID verfüge über eine sichere Vertrauensinfrastruktur. Aktuell werde eine Lösung entwickelt, um den hohen Anforderungen zum Schutz der Privatsphäre gerecht zu werden. Und zur Unverknüpfbarkeit der Daten heisst es, dass nicht nachvollziehbar sein werde, wann die e-ID zu welchem Zweck verwendet wurde. 1 Million Franken an Forschungsgeldern wurde für die Entwicklung einer Technologie gesprochen, um die Vernetzung von Daten zu verhindern.
Sulzer sieht reelle Chance
Neben der Piratenpartei kündigten auch «Mass-Voll» und «Freunde der Verfassung», zwei Protestbewegungen gegen die Corona-Massnahmen, an, das Referendum zu ergreifen. Laut Sulzer grenze sich die Kampagne der Piratenpartei inhaltlich klar ab. «Wir stellen Argumente technischer und datenschutzrechtlicher Natur in den Vordergrund», so der Liestaler. Entscheidend für das Referendumskomitee um Sulzer ist, ob seine Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes von der Bevölkerung geteilt werden. Der IT-Spezialist sagt: «Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Risiken dieser Version der e-ID informiert werden, da es sich um ein zentrales Thema handelt. Schliesslich geht es dabei um sensible Daten zur Identität.»
Im Parlament stiess das zweite e-ID-Gesetz auf wenig Gegenwehr. Bei den Schlussabstimmungen in den beiden Kammern fielen die Resultate klar aus. Im National- und Ständerat votierten einzelne Mitglieder der SVP-Fraktion gegen das Gesetz. Bisher hat sich keine der grossen Parteien öffentlich gegen die zweite Version der elektronischen Identifikation ausgesprochen. Sulzer glaubt, dass das Referendum gute Chancen hat. Bis am 19. April haben der Liestaler und seine Mitstreitenden Zeit, um die Bevölkerung von ihren Argumenten zu überzeugen. Spätestens dann müssen die erforderlichen 50 000 Unterschriften für das Referendum gesammelt sein.
Online-Ausweis
tw. Die Piratenpartei der Schweiz wurde 2009 gegründet. Sie setzt sich vor allem für technische Anliegen ein: Datenschutz, Informationsfreiheit oder Schutz der digitalen Integrität sind die Flaggschiffe der «Piraten» und «Piratinnen». Weder im Baselbiet noch auf nationaler Ebene gelang der Piratenpartei der Einzug in ein Parlament, auch zur Nationalratswahl trat die Nischenpartei im Baselbiet bis anhin noch nie mit einer Liste an.
Mit der elektronischen Identität (e-ID) wird es möglich sein, sich online auszuweisen, zum Beispiel bei Online-Diensten mit Altersbeschränkung. Die e-ID soll auch in der «analogen» Welt verwendet werden können, etwa beim Kauf von Alkohol. Nach der Beantragung ist ein Selfie zur Authentifizierung erforderlich. Das Bundesamt für Polizei (fedpol) prüft die Angaben und stellt das Dokument auf einer dafür entwickelten App aus. Der Bezug erfolgt freiwillig. Der Bund plant, im kommenden Jahr die e-ID einzuführen.