Ein Modell für das Oberbaselbiet?
31.07.2025 LaufenDas ambulante Gesundheitszentrum bewährt sich
Das Nachfolgeprojekt des geschlossenen Kantonsspital-Standorts Laufen ist seit anderthalb Jahren in Betrieb. In dieser Zeit hat das Gesundheitszentrum der Bevölkerung die Angst vor einer Unterversorgung genommen. Ein Besuch zeigt, ...
Das ambulante Gesundheitszentrum bewährt sich
Das Nachfolgeprojekt des geschlossenen Kantonsspital-Standorts Laufen ist seit anderthalb Jahren in Betrieb. In dieser Zeit hat das Gesundheitszentrum der Bevölkerung die Angst vor einer Unterversorgung genommen. Ein Besuch zeigt, wie dies gelungen ist.
Sander van Riemsdijk
Um den Kostenanstieg im Gesundheitswesen zu bremsen und gleichzeitig eine gute Versorgung sicherzustellen, setzt Regierungsrat Thomi Jourdan (EVP) unter anderem auf eine verstärkte Ambulantisierung – also auf Behandlungen ohne Übernachtung in einem Spital. Zu seinem Konzept gehören auch regionale Gesundheitszentren in ländlichen Gebieten. Im Interview mit der «Volksstimme» sagte Jourdan Anfang Juli, dass der Kanton auch im oberen Baselbiet Gespräche mit potenziellen Anbietern führe. Als denkbare Standorte gelten Sissach, Gelterkinden oder Ormalingen.
Doch was genau kann man unter einem «Gesundheitszentrum» verstehen und wie funktioniert ein solches? Die «Volksstimme» hat sich in Laufen umgesehen, wo eines von wenigen Gesundheitszentren im Kanton steht. Es wurde im März 2024 nach der Schliessung des Spitals Laufen eröffnet wird vom Kantonsspital Baselland (KSBL) betrieben. Als Erstes fällt auf: Die Lage in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof sorgt für eine gute Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Das Gesundheitszentrum Laufen, kurz GZL, dient als erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, die medizinische, pflegerische oder therapeutische Hilfe benötigen. Es verfolgt den Ansatz einer ganzheitlichen Versorgung mit einem breiten Leistungsangebot: modernste Diagnostik, Radiologie, spezialärztliche Sprechstunden, Hausarztmedizin, Kardiologie, Notfalldienst, Therapien und Beratungen.
Für die Erstversorgung steht der Bevölkerung rund um die Uhr eine «Walk-in-Notfallpraxis» zur Verfügung. Sie ist direkt zugänglich – mit eigener Zufahrt für Rettungswagen, Parkplätzen in der Tiefgarage und einem separaten Eingang. Patientinnen und Patienten müssen das Einkaufszentrum nicht durchqueren, um den Notfall zu erreichen, was die Anonymität sicherstellt.
«Das Gesundheitssystem entwickelt sich zunehmend zu einer patientenzentrierten Versorgung. In diesem Sinne ist das Gesundheitszentrum in Laufen eine passende Antwort. Wir bieten ein medizinisches Angebot in einer hochprofessionellen Infrastruktur, das sich an den regionalen Gegebenheiten orientiert und wohnortsnah ist», sagt Florian Nagar-Hak. Der Angiologe ist seit der Eröffnung des GZL dessen ärztlicher Leiter.
Nahe bei den Leuten
Nach der Spitalschliessung vor fast anderthalb Jahren machte sich die Bevölkerung im Laufental Sorgen um die medizinische Versorgung, vor allem während der Nacht. Heute, so Nagar, lasse sich sagen, dass «die kritischen Stimmen verstummt sind und das Gesundheitszentrum auf grosse Akzeptanz stösst». Er verweist auf viele positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung und auf die stetig steigende Zahl von Patientinnen und Patienten: «Nach einem sprunghaften Anstieg zu Beginn beobachten wir seither ein kontinuierliches Wachstum.»
Diese Entwicklung zeigt sich besonders deutlich bei den Notfällen. Wurden im ehemaligen Spital Laufen zuletzt rund 70 Notfallpatienten pro Woche behandelt, sind es im Gesundheitszentrum derzeit durchschnittlich 115. Das GZL bietet eine umfassende Versorgung – von der ärztlichen Grundversorgung über Prävention, Pflege und Reha bis hin zu Diagnostik. Fachärztinnen und -ärzte des KSBL sind regelmässig vor Ort und ergänzen das Spektrum, etwa mit der Endoskopie für Magenund Darmspiegelungen.
«Wir verfügen hier im Gesundheitszentrum über ein breiteres Angebot als das frühere Spital», sagt Nagar. Dennoch sei das «klassische Spital» mit seiner stationären Versorgung für eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung unerlässlich – die nächsten Spitäler befinden sich in Delsberg, Dornach, Basel oder auf dem Bruderholz, also zwischen 17 und 25 Kilometer von Laufen entfernt. Seit Kurzem bietet das GZL mit «Hospital at Home» eine Alternative: Spitalähnliche Behandlungen finden in diesem Fall bei den Patientinnen und Patienten zu Hause statt. Nagar: «Das Angebot hat viel Potenzial – besonders für ältere Menschen, die weniger mobil sind.» Ein landesweites Problem betrifft auch Laufen: fehlende Kinderärztinnen und -ärzte. Zwar gebe es in Laufen und Breitenbach je eine Kinderarztpraxis, mit denen eine gute Zusammenarbeit bestehe, so Nagar. «Dennoch versorgen wir im GZL – eher als ‹Notlösung› – regelmässig Kinder mit leichten Erkrankungen und Unfällen, wie sie auch der Hausarzt behandeln könnte.» Dies, obwohl niemand im Team über eine pädiatrische Ausbildung verfüge und die Infrastruktur nicht auf Kinder ausgelegt sei.
Ärztemangel fordert das GZL
Die Suche nach Fachkräften bleibt im Gesundheitswesen eine Herausforderung. Nagar zeigt sich jedoch zufrieden: Das GZL werde als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen, offene Stellen könnten gut besetzt werden. «Das zeigt, dass unser Zentrum nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch bei Fachkräften auf positive Resonanz stösst. Es ist bemerkenswert, wie rasch sich das Zentrum etablieren konnte.»
Die stetig wachsende Nachfrage nach umfassender Gesundheitsversorgung rund um die Uhr – nicht zuletzt durch den demografischen Wandel – stellt das GZL vor Her ausforderungen. Nagar: «Für unser Zentrum in Laufen bedeutet das, der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf unsere Personalplanung und die Infrastruktur.» Ob das Zentrum bald an seine Kapazitätsgrenze stossen wird? «Diese Frage wird sich zwangsläufig stellen», sagt Nagar. «Die Entwicklung ist erfreulich, aber die rückläufige hausärztliche Versorgung – etwa durch Praxisschliessungen ohne Nachfolge – ist eine grosse Herausforderung für uns.»
Könnte das GZL als Vorbild für Gesundheitszentren in grösseren Gemeinden im Oberbaselbiet dienen? Nagar empfiehlt eine differenzierte Betrachtung: «Unser Konzept lässt sich nicht einfach eins zu eins auf andere Regionen übertragen. Man muss genau hinschauen: Wo liegt der Bedarf? Welche Infrastruktur ist vorhanden? Wer bietet bereits welche Leistungen an? Sonst drohen Überangebote oder gar Konkurrenzsituationen.»