Ein glückliches, nicht immer einfaches Leben
13.02.2025 ZeglingenHeidi Buess blickt auf ihr 100-jähriges Leben zurück
Kürzlich konnte Heidi Buess aus Zeglingen ihren 100. Geburtstag feiern. Auch im hohen Alter wirkt sie vital und blickt zufrieden auf ein erfülltes und arbeitsreiches Leben zurück.
Sander van ...
Heidi Buess blickt auf ihr 100-jähriges Leben zurück
Kürzlich konnte Heidi Buess aus Zeglingen ihren 100. Geburtstag feiern. Auch im hohen Alter wirkt sie vital und blickt zufrieden auf ein erfülltes und arbeitsreiches Leben zurück.
Sander van Riemsdijk
Dichter, feuchtkalter Nebel hängt über den Feldern zwischen Zeglingen und Häfelfingen und schränkt die Sicht auf die Strasse fast ganz ein. Dank GPS findet das Auto den Weg zum Hof Wollstel. Hier wohnt und lebt Heidi Buess – seit 1946.
Vor knapp zwei Wochen, am 2. Februar, konnte sie im Kreis ihrer Familie ihren 100. Geburtstag feiern. Nicht weniger als 37 Personen fanden sich an diesem festlichen Sonntag im «Wollstel» ein, um gemeinsam diesen Meilenstein gebührend zu feiern.
Ob ihr der Rummel um ihre Person nicht zu viel geworden sei? «Nein, überhaupt nicht», sagt Heidi Buess bestimmt. «Ich habe in meinem Leben immer viele Menschen um mich herum gehabt, an das bin ich gewöhnt.» Geschenke gab es am nächsten Tag vom Gemeinderat Zeglingen, Blumen vom Baselbieter Regierungsrat.
Beim Gespräch mit der «Volksstimme» wird Heidi Buess von ihrer Schwiegertochter Theres unterstützt, denn Hören und Sehen haben mit den Jahren nachgelassen. Dafür hat sie ein sehr gutes Gedächtnis und kann sich noch an vieles aus ihrem langen Leben erinnern.
Von Oberdorf nach Buckten …
Hinter Heidi Buess, liebevoll «Mutti» genannt, liegt ein aktives und erfülltes Leben, das von harter Arbeit in der Landwirtschaft geprägt war. Als zweites Kind wuchs sie mit drei Brüdern und einer Schwester in Oberdorf auf. 1932 zog die Familie nach Buckten, wo die Eltern das Restaurant Sonne und einen Bauernhof führten. Bald zeigte sich, dass sich beides auf die Dauer nicht vereinbaren liess, und nach einem Jahr gaben sie den Gasthof auf.
Heidi Buess besuchte in Buckten die Schule bis zur 8. Klasse. «Am Anfang bin ich nicht gerne in die Schule gegangen», sagt sie und macht eine kurze Pause, «aber das hat sich später geändert.» Lehrer Schaub aus Rünenberg habe ihr immer gesagt, dass sie viel wisse, erzählt sie noch immer stolz. Turnen war ihr Lieblingsfach und sollte sie ihr Leben lang begleiten.
«Auch wenn es nicht immer einfach war, hatte ich eine schöne Jugend», sagt die Hundertjährige und blickt zufrieden zurück. «Ich war immer gerne bei den Tieren, vor allem bei den Pferden. Nähen oder Kochen war nichts für mich.» Nach der obligatorischen Schulzeit absolvierte Heidi Buess beim Roten Kreuz eine Ausbildung zur Krankenpflegerin, ehe sich der Zweite Weltkrieg ankündigte. In dieser Zeit war viel Militär in Buckten stationiert und die junge Heidi Buess wurde aufgrund ihrer pflegerischen Kenntnisse in die Armee eingezogen.
… und weiter nach Zeglingen
Heidi Buess war 18 Jahre alt, als ihr Vater an einer Lungenentzündung starb. Dieser Verlust war ein tiefer Einschnitt in ihr junges Leben. Von nun an musste sie auf dem Hof noch mehr mithelfen. Ihre jüngeren Brüder gingen noch zur Schule, ihre Schwester war mit 16 Jahren an Angina gestorben. «Damals hat man sofort angepackt, ohne darüber nachzudenken. Man wusste es ja nicht besser», sagt Heidi Buess mit authentischer Selbstverständlichkeit. Als der Hof der Mutter mit der Zeit zu gross wurde und keines der Kinder Interesse zeigte, ihn zu übernehmen, wurde er 1945 verkauft.
Mit dem Verkauf war das Hofleben für Heidi Buess nicht zu Ende. Im Gegenteil: Kurz darauf lernte sie auf dem Tanzboden des Restaurants Wilder Mann in Rümlingen ihren zukünftigen Ehemann Hans Buess vom Hof Wollstel in Zeglingen kennen. Sie heirateten 1946 und sie zog zu ihm. Im Lauf der Jahre wuchs die Familie um sechs Kinder, ein Mädchen und fünf Buben. Es waren anstrengende Zeiten. Erst 1964 wurde der erste Traktor gekauft.
Die Aussage «Früher war alles besser» relativiert die Jubilarin deshalb. «Das würde ich so nicht sagen.
Aber irgendwie war es früher gemütlicher und wir fühlten uns freier, nicht so eingeengt», so Heidi Buess. «Es gab weniger Gesetze und Regeln als heute.» Auch habe sie damals einen grösseren Zusammenhalt unter den Menschen erlebt. «Wir haben uns intensiver umeinander gekümmert und waren uns näher.»
Ein Schicksalsschlag traf die Familie 1959, als der Hof durch einen Brand fast vollständig zerstört wurde. Die Ursache wurde nie geklärt. 1987 übergaben Hans und Heidi den Hof an ihr viertes Kind, den Sohn Ernst, der den Betrieb zusammen mit seiner Frau Theres bis heute bewirtschaftet. Heidi Buess wohnt immer noch im Wohnhaus im Stöckli, ist gesundheitlich fit, aber wegen zunehmender Altersbeschwerden auf die Unterstützung von Ernst und Theres angewiesen. Sie nimmt zum Beispiel das Mittagessen mit dem Rest der Familie ein.
Urenkel als grosse Freude
Bis ins hohe Alter von 85 Jahren sang sie im gemischten Kirchenchor von Zeglingen und war im Frauenturnverein aktiv. Zu den abendlichen Gesangsproben und zu den Turnabenden ging sie bei jedem Wetter zu Fuss ins Dorf, ebenso nach Bad Ramsach, wo sie bis zu ihrem 95. Lebensjahr baden ging.
Heidi Buess hat dank ihrer optimistischen Art immer noch Freude am Leben und vor allem an ihren beiden Katzen. Um sich fit zu halten, dreht sie mithilfe eines Gehstocks jeden Tag ihre Runden um das Haus. Ansonsten schaut sie gerne fern, denn sie interessiert sich nach wie vor für alles, was in der Welt passiert. Viele soziale Kontakte hat sie nicht mehr, alle ihre Bekannten und Geschwister – bis auf einen 92-jährigen Bruder in Kanada – hat sie «überlebt». Eine grosse Freude ist für sie der Besuch ihrer Urenkel.
Jeweils samstags ist das der Fall und es gibt dann Kartoffelsuppe mit Würstchen. Auf die Frage nach ihrem Lebensgeheimnis muss Heidi Buess kurz überlegen. «Gesunde Ernährung, Bewegung und immer draussen sein», sagt sie schliesslich. Doch ein gesunder Lebensstil allein reicht offenbar nicht aus, um 100 Jahre alt zu werden, zumindest nicht bei Heidi Buess: «Ich war in meinem Leben immer zufrieden mit dem, was ich hatte. Das hat sich bis heute nicht geändert.»