Ein Board, eine Community und eine Vision
21.11.2025 SissachEin Skatewettbewerb für eine offene Jugendkultur
Der Skatepark in Liestal war lange ein Geheimtipp für ein paar Eingeschworene. Heute ist er ein Ort, an dem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Baselbiet zusammenkommen. Dahinter steckt die Idee, eine offene und ...
Ein Skatewettbewerb für eine offene Jugendkultur
Der Skatepark in Liestal war lange ein Geheimtipp für ein paar Eingeschworene. Heute ist er ein Ort, an dem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Baselbiet zusammenkommen. Dahinter steckt die Idee, eine offene und respektvolle Kultur zu leben.
Melanie Frei
Wer den Skatepark beim Gitterlibad in Liestal besucht, merkt rasch, dass es hier um mehr geht als Tricks auf vier Rollen. Aus tragbaren Boxen dringt Musik, neben einer Rampe steht ein selbst gebauter Pizzaofen und bunte Graffiti-Wände erzählen Geschichten vergangener Tage. Auf einer Kante prangt neu der Schriftzug «All-Love» – ein Motto, das viele hier im Alltag leben. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Baselbiet, aus Basel und der ganzen Schweiz treffen sich im Park, der längst zu einem zweiten Wohnzimmer geworden ist.
Vor einigen Jahren sah das noch anders aus. Nur wenige, fast immer dieselben, rollten über den Beton. «Über das Skaten habe ich viele meiner besten Freunde kennengelernt», sagt Nicolas Haffter (21) aus Liestal. Morris Chau (21) kannte er schon länger. Chau ist einer dieser, die man immer im Park antraf: «Für uns war der Skatepark immer ein Ort des Zusammenkommens – aber der Platz war oft leer.»
Um dies zu ändern, organisierten Chau und sein Freund Noah Gysin (20) aus Bubendorf im vergangenen Jahr einen Skatewettbewerb, der sich als voller Erfolg entpuppte. Mehr als 150 Menschen statteten Liestal einen Besuch ab. Der durchdachte Event wurde von der Stadt Liestal bestätigt. Die angrenzende Strasse war gesperrt, ein DJ sorgte für Musik und ein Buffet liess niemanden hungrig zurück.
Am Samstag, 29. November, geht es nach dem Erfolg des vergangenen Jahres in die zweite Runde: «Es wird um einiges grösser», erzählt Haffter, der zusammen mit Chau die Organisationsstränge in der Hand hält. So gross, dass sich die beiden schon seit Monaten mit der Planung beschäftigen – und das als Amateure in der Event-Planung. «Ohne Hilfe hätten wir das nicht hinbekommen», sagt Chau.
Die bekamen sie unter anderem von Berni Schneckenburger, der den Radix Shop – ein Fachgeschäft unter anderem für Skateboards – am Liestaler Wasserturmplatz betreibt. Schneckenburger ist seit jeher mit dem Skatepark in Liestal bekannt und ist Teil des Vereins «Lietsch Wheels» (seit 2006), der eine neue Ära für den Park einläutete: «Gemeinsam mit der Stadt Liestal konnten damals unter dem Vereinsnamen Sponsoren an Bord geholt werden, um den Neubau zu finanzieren», erzählt er. Einfach hatten sie es aber nicht: «Skateboarden und Inlineskaten galten damals als Randerscheinungen – oft missverstanden von der Gesellschaft. Skater wurden schnell als Randalierer, Kiffer oder Aussteiger abgestempelt.»
Mittlerweile hat sich die Vereinszusammensetzung geändert und junge Leute – darunter Morris Chau – treffen die Entscheidungen rund um den Skatepark. Schneckenburger steht ihnen mit «väterlichem Rat» zur Seite. «Skater sind Jugendliche, Skaten ist Kultur und Kultur ist Leben», fügt er hinzu. Ein Skatepark sei wichtig für viele Jugendliche und präge die Lebensweise – die weit über den Sport hinausgeht.
Erneut hilft die Stadt mit
Was Schneckenburger sagt, passt zur Überzeugung, die Chau und Haffter mit ihrem Engagement im Skatepark in die Region und darüber hinaus tragen wollen. Einen Ort zu schaffen, an dem es um mehr geht als nur Sport: «‹All-Love› ist zum Motto des Skateparks geworden. Es beschreibt, was wir leben. Es geht in dieser Community nicht nur ums Skaten, sondern um den Umgang miteinander. Du spürst die Liebe, den Respekt und das Verständnis füreinander», drückt es Chau aus. Haffter ergänzt: «Wenn jemand hinfällt, lacht niemand, sondern alle feuern ihn an, es noch einmal zu versuchen. Und wenn dann der Trick gelandet wird, jubelt der ganze Park. Dieses Miteinander ist das Herz von allem.»
Diese Leidenschaft liess es wohl auch zu, dass die beiden mit ihrem erarbeiteten Sicherheitskonzept auch in diesem Jahr bei der Stadt Liestal punkten konnten: «Der Anlass ist aus Sicht der Stadt Liestal eine positive Bereicherung der städtischen Jugendund Freizeitkultur. Er bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Plattform für Sport, Kreativität und Gemeinschaft», sagt Michael Augsburger, zuständig für die Prüfung des Konzepts, auf Anfrage.
Das eingereichte Veranstaltungskonzept zeichne sich durch mehrere Stärken aus: eine klare Struktur und Verantwortlichkeiten im Organisationskomitee und im Awareness-Team, ein durchdachtes Sicherheits- und Notfallkonzept sowie ein Brandschutzkonzept mit professioneller Aufsicht. «Der Anlass hat eine niederschwellige, nicht kommerzielle Ausrichtung mit Fokus auf Gemeinschaft, Prävention und Eigenverantwortung», ergänzt Augsburger.
Chau und Haffter durften seit Anfang der Planung helfende Hände von allen Seiten annehmen. «Freunde, Familie und Leute aus der Skate-Szene kommen bereitwillig zu Hilfe, und zwar freiwillig. Niemand wird entlöhnt für die geleistete Arbeit», sagt Haffter. Obwohl die beiden «den Laden schmeissen», sei es ein riesiges Gemeinschaftsprojekt.
Verantwortung entwickeln
Eine grosse Hilfe bei der Organisation ist auch das Ressort «Kind.Jugend. Familie» der Stiftung Jugendsozialwerk. Cedric Wilhelm ist Mitglied der Mobilen Jugendarbeit Region Liestal und steht Chau und Haffter begleitend und beratend zur Seite. Er beantwortet Fragen oder packt mit an, wenn Unterstützung benötigt wird. «In einem langjährigen Projekt wurden das soziale Zusammensein, die Förderung einer integrativen Stimmung unter den Skaterinnen und Skatern sowie die Organisation des Platzes wie die Reinigung und Renovationen mit den Jugendlichen geplant und umgesetzt», sagt Wilhelm.
Für die jungen Menschen sei es enorm wichtig, Orte zu haben, an denen sie nicht nur geduldet werden, sondern aktiv mitgestalten dürfen. Das fördere Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und eine positive Identifikation mit ihrer Stadt oder Gemeinde. «Wenn Jugendliche erleben, dass sie willkommen sind und ihre Meinung zählt, entsteht Zugehörigkeit. Dadurch übernehmen sie Verantwortung für den Ort – sie pflegen ihn, beleben ihn und machen ihn zu einem echten Teil ihrer Lebenswelt», so Wilhelm.
Und wer am 29. November beim «Gitterli» vorbeischaut, erlebt den Park so, wie ihn die Szene liebt: mit Essen, warmen Getränken, Musik und Gesprächen zwischen Menschen aller Altersstufen. Mitmachen darf jede und jeder – auch ohne eigenes Skateboard oder Erfahrung. Für alle Skate-Freudigen wartet ein selbst gebautes Überraschungsobjekt darauf, mit Tricks getestet zu werden.



