Ein 88-Jähriger geht voran
17.09.2024 Bezirk Sissach, Gemeinden, Hölstein, RegionKaum jemand hat im Baselbiet ein Kleinwindrad auf dem Dach. Der Energieertrag ist relativ bescheiden, dafür sind derartige Windräder günstig und produzieren Strom, wenn die PV-Anlagen fast nichts hergeben.
Andreas Hirsbrunner
Peter Zbinden ...
Kaum jemand hat im Baselbiet ein Kleinwindrad auf dem Dach. Der Energieertrag ist relativ bescheiden, dafür sind derartige Windräder günstig und produzieren Strom, wenn die PV-Anlagen fast nichts hergeben.
Andreas Hirsbrunner
Peter Zbinden spricht wie ein junger Klimaaktivist: «Man kann nicht nur immer jammern wegen des Klimas, sondern man muss etwas machen.» Aber Zbinden ist alles andere als ein aktivistischer, provokativer Zeitgenosse, der sich auf die Strasse klebt, sondern ein distinguierter Herr mit 88 Jahren Lebenserfahrung, der mit Bedacht handelt. Er sei ein Mensch, der offen für Neues ist und habe sich nun entschieden, eine Photovoltaikanlage aus 30 Modulen für 50 000 bis 60 000 Franken auf seinem Einfamilienhaus-Dach in Hölstein installieren zu lassen.
Und sozusagen als neckisches Accessoire soll es auf dem Dachfirst für ein paar wenige Tausend Franken ein Kleinwindrad geben, für das derzeit das Baugesuch läuft. Der pensionierte Chemiker sagt dazu: «Solche Kleinwindräder werden im Internet stark propagiert und finden vor allem in Deutschland grossen Anklang. Ich dachte, das sei eine ideale Ergänzung zur Photovoltaikanlage.»
Denn im Herbst und im Winter, wenn die Sonne weniger scheine, blase der Wind dafür umso mehr. Und wenn man PV- und Windanlage gleichzeitig installiere, komme das dank der Synergien beim Legen der Leitungen günstiger. Zbinden rechnet für sein Kleinwindrad noch mit Kosten von ungefähr 4000 Franken inklusive Baugesuch. Sein Projektverfasser, ein pensionierter Bauingenieur, ergänzt, dass bei Wind die Windgeräusche ums Haus grösser seien als jene des Windrads auf dem Dach. Und bei einem Sturm schalte die Anlage automatisch ab.
Das von Zbinden gewählte deutsche Modell, das weltweit schon über 13 000-mal im Einsatz steht, hat einen Rotor-Durchmesser von 1,5 Metern und eine Leistung von 1 Kilowatt. Der Hersteller spricht von einem Referenzertrag von 600 und einem Höchstertrag von bis zu 1400 Kilowatt-Stunden pro Jahr. Ein Schweizer Zweipersonenhaushalt (Einfamilienhaus) verbraucht durchschnittlich 3550 Kilowatt-Stunden Strom pro Jahr.
Man spart die Netzgebühren
Kleinwindräder fristen im Baselbiet bis jetzt ein Schattendasein. Laut Bauinspektorat wurden vier Anlagen bewilligt und abgenommen; dies in Langenbruck, Ramlinsburg, Frenkendorf und Münchenstein. In Liestal wurde auch ein Kleinwindrad bewilligt, aber noch nicht abgenommen. Und zwei Gesuche laufen derzeit, eben jenes von Zbinden in Hölstein sowie eines in Lampenberg. Rita Kobler, beim kantonalen Amt für Umwelt und Energie Leiterin erneuerbare Energien, sagt zur Bedeutung von Kleinwindrädern: «Innerhalb der kantonalen Energiestrategie spielen sie keine Rolle, aber sie können eine attraktive Lösung für die Eigenversorgung sein.»
Attraktiv deshalb, weil bei der Stromproduktion durch eigene Kleinwindräder – wie auch bei eigenen Photovoltaikanlagen – keine Netzgebühren anfallen, die etwa gleich hoch sind wie der Strom selbst. Somit könne ein Bauherr von einem Kleinwindrad profitieren, auch wenn der Preis pro Kilowattstunde höher sei als jener des Stromlieferanten. Eine solche Kosten-Nutzen-Abwägung müsse jeder für sich selbst vornehmen. Sinn, so Kobler, würden Kleinwindräder sowohl auf den Hügelzügen des Oberwie auch in den Ebenen des Unterbaselbiets machen: «Entscheidender als der grossräumige ist der kleinräumige Standort. Das heisst zum Beispiel, dass ein Windrad nicht auf dem Dach eines Einfamilienhauses inmitten von Hochhäusern erstellt werden sollte, wo es kaum windet.»
Zur Windenergie generell sagt Kobler: «Diese ist super, im Durchschnitt fallen zwei Drittel der Windstromproduktion im Winter an. Wir brauchen auch im Baselbiet grosse Anlagen, die je Strom für 1000 oder mehr Haushalte produzieren. Das macht mehr Sinn als viele kleine.» Die Nase vorne hat zurzeit die geplante Windkraftanlage des Münchensteiner Engergieversorgers Primeo Energie in der Muttenzer Hard. Aktuell passe die Gemeinde ihre Nutzungsplanung an, in etwa fünf Jahren könne die Anlage in Betrieb gehen, präzisiert Kobler den Stand des Projekts.