Durch ein Videogame zum Funkenweben
17.10.2025 EptingenBettina Kürmann über ihren Weg zum Traditionshandwerk und die Endlichkeit des Seins
Vor sechs Jahren hat Bettina Kürmann aus Eptingen ihr Leben umgekrempelt, um ihrer Leidenschaft, dem Weben, nachzugehen. Seither sind mit Faden und Fingerfertigkeit unzählige Werke ...
Bettina Kürmann über ihren Weg zum Traditionshandwerk und die Endlichkeit des Seins
Vor sechs Jahren hat Bettina Kürmann aus Eptingen ihr Leben umgekrempelt, um ihrer Leidenschaft, dem Weben, nachzugehen. Seither sind mit Faden und Fingerfertigkeit unzählige Werke entstanden. Ohne Hilfe wäre das nicht möglich.
Carolina Mazacek
Es knarrt und quietscht im Webzimmer in Eptingen, während Bettina Kürmann mit der Hand das Schiffchen zwischen den Fäden repetitiv hin- und herschiebt. Am Boden liegt ihr Hund Samson und schaut sie mit ruhigen Augen an. Aus dem Radio tönt ein Hörspiel. Man bekommt fast den Eindruck, das sei schon immer so gewesen. Doch manches musste erst in Bewegung geraten.
Ihren ersten Kontakt mit einem Webstuhl hatte die 45-Jährige durch ihren Bruder, der das Computerspiel «Loom» gespielt hat. In diesem Fantasy-Spiel geht es um einen Knaben aus einem Webvolk, der verschiedene Herausforderungen meistern muss. Sie sei fasziniert von der magischen Welt rund um den Webstuhl gewesen, erzählt Bettina Kürmann, die in Eptingen aufgewachsen ist.
Also absolvierte sie zunächst einen Vorkurs an der Kunstgewerbeschule in Basel und bildete sich anschliessend im Textildesign aus. Da sie sich für die Pflege interessierte, absolvierte sie eine Zweitausbildung zur Pflegefachfrau.
Sie arbeitete zuerst im Spital, später in einem Altersheim. Aber irgendwie fehlte ihr etwas, das sie wirklich erfüllte. «Viele sagen: ‹Wenn ich pensioniert bin, mache ich dies und das.› Aber das Leben ist endlich», sagt die Pflegefachfrau. Mit genau dieser Einstellung begann sie einen Webkurs am Ebenrain. Obwohl sie lange nicht gewebt hatte, fanden ihre Finger schnell wieder den Rhythmus.
Der Wendepunkt im Ebenrain
An einem Kurstag wollte jemand anderes an dem Webstuhl weben, an dem Kürmann immer gewebt hatte. Das war für sie ein entscheidender Moment. «Danach wollte ich unbedingt einen eigenen Webstuhl haben, den mir niemand wegnehmen kann.» Mit ihrem Ehemann Johannes fuhr sie nach Ascona am Lago Maggiore, um einen Occasion-Webstuhl zu kaufen. So begann ein neuer Lebensabschnitt und bald gesellte sich auch der Welpe Samson dazu, der sie seither beim Weben begleitet.
Seit sechs Jahren webt Kürmann nun in ihrem Webzimmer, das an ein Tetris-Spiel erinnert. Ein 1,80 Meter grosser Webstuhl, zwei kleinere Webstühle und ein Drehkreuz finden im 12 Quadratmeter kleinen Zimmer Platz. Sie fertigt Kissen, Strand- und Handtücher sowie Tischsets und Taschentücher. Für frischgebackene Eltern webt sie Tragetücher. Diese Produkte verkauft sie in ausgewählten Läden in Liestal und Sissach sowie auf verschiedenen Märkten. «Am Anfang hatte ich Bedenken, ob meine Produkte gut halten werden oder schon nach einem Jahr kaputtgehen», sagt die Weberin. Nach dem Ausprobieren steht sie jedoch voll und ganz hinter ihren Produkten.
«Meine Wertschätzung für Selbstgemachtes ist durch meine Arbeit stark gestiegen», erzählt Kürmann. Denn beispielsweise dauert allein die Vorbereitung für das Weben von einem einzigen Kissen zwei Arbeitstage. Das Weben selbst nimmt dagegen «nur» vier Stunden in Anspruch. Den Pflegeberuf hat sie nicht aufgegeben und arbeitet weiterhin Teilzeit in einer Arztpraxis. «Ich brauche einen Ausgleich zum Weben», sagt Kürmann.
Für die Muster sucht sie weder nach Inspiration noch Ideen. «Wir werden durch Werbung und unsere Umgebung beeinflusst. Warum sollte ich dann noch aktiv nach etwas suchen?», fragt Kürmann und erklärt: «Wenn wir alle das machen würden, was in uns steckt, entstünde eine interessante Vielfalt.» Das spiegelt auch ihre Arbeitsweise wider. Sie wählt die Farben intuitiv und jede ihrer Arbeiten ist einzigartig. «Eine Idee ist wie ein Funke, der in meinem Zimmer eine Explosion auslöst, aus der ein Webstück entsteht», führt Kürmann aus. So kam sie auf den Namen ihres Ateliers: «Funkenweberin».
Sie führt Aufträge gerne aus, sofern die Vorstellungen des Kunden mit ihren eigenen Ideen übereinstimmen. «Ich übersetze den Auftrag, die Vorstellungen in die Realität. Wenn ich merke, dass sich meine Ideen und der Auftrag widersprechen, nehme ich ihn nicht an», sagt Kürmann.
All das wäre ohne die Unterstützung ihres Ehemanns nicht möglich. Sie ist deshalb dankbar, ein Leben führen zu können, das sie erfüllt, nicht zuletzt, in dem sie ihre Leidenschaft, das Weben, ausleben darf.