«Die verwinkelten Gassen von Edinburgh werden tricky»
12.07.2024 SportOrientierungslauf | Tino Polsini startet an seiner ersten WM
Der Orientierungsläufer Tino Polsini startet heute an seiner ersten Sprint-WM in Edinburgh. Neben den verwinkelten Gassen ist die schottische Hauptstadt an vielen Orten auch steil. Er ist aber ...
Orientierungslauf | Tino Polsini startet an seiner ersten WM
Der Orientierungsläufer Tino Polsini startet heute an seiner ersten Sprint-WM in Edinburgh. Neben den verwinkelten Gassen ist die schottische Hauptstadt an vielen Orten auch steil. Er ist aber überzeugt, dass die Schweizer in Städten gegenüber den mitfavorisierten Skandinaviern einen Vorteil haben.
Luana Güntert
Herr Polsini, heute Morgen starten Sie an der Sprint-OL-WM in Edinburgh. Welche Leistung erwarten Sie von sich?
Tino Polsini: Da es meine erste WM ist, kann ich das nicht gut einschätzen. Ich denke aber, dass ich selbstbewusst starten kann. Ein Top-Ten-Platz ist mein Ziel.
Wie lief Ihre Vorbereitung?
Im Frühling hatte ich noch mit einer Knochenhautentzündung an den Schienbeinen und Problemen mit der Achillessehne zu kämpfen. Auch wenn das kleinere Blessuren waren, musste ich bibbern und der weitere Saisonverlauf war unklar. Nachdem sich die Situation gebessert hat, habe ich viel Zeit in den Sprint investiert und alles in eine Waagschale geworfen, um das Ticket für die WM zu lösen. Als ich dann im Mai an der Schweizermeisterschaft Gold holte, wusste ich, dass mein intensives Training langsam fruchtet. Nach den letzten Weltcuprennen hat mich der Verband für die WM selektioniert – in einem starken OL-Land wie der Schweiz ist das ein grosser Erfolg.
Sie werden in der Innenstadt von Edinburgh laufen. Was zeichnet die schottische Hauptstadt OL-technisch aus?
In der Stadtmitte hat es ein Schloss auf einem Hügel – das bedeutet für uns ein Wettkampf mit viel Steigung. Normalerweise sind Sprints in Städten auf flachem Gelände. Zudem ist Edinburgh sehr alt, hat unterschiedliche Beläge und viele verwinkelte Gassen. Es wird tricky sein, die richtigen Eingänge in die Gassen zu finden. Vor Ort werden viele Touristen unterwegs sein, was das Rennen ebenfalls speziell macht. Wir Schweizer können aber von der Stadt-Situ ation vor Ort profitieren, da die starken Skandinavier eher Dörfer mit vielen Feldern gewöhnt sind.
Mögen Sie grundsätzlich Stadtoder Wald-Wettkämpfe mehr?
Mir gefällt beides und ich möchte mich nicht spezialisieren. Es hat sich aber gezeigt, dass mir hektische Sprints in den Städten eher liegen, da ich physisch nicht der Stärkste bin, dafür technisch schnell reagieren und so meine Routenwahl anpassen kann. Nach der WM in Edinburgh wird es für mich wieder mehr Waldtraining geben und die EM in Ungarn findet ebenfalls im Wald statt. Diese Wechsel mag ich am OL.
Im Sprint haben die Schweizer Männer nur drei WM-Startplätze, im Knock-out-Sprint ebenfalls drei und in der Staffel laufen zwei Männer. Wie sehen Sie Ihre Rolle im starken Schweizer Team?
Auch wenn ich mit 25 nicht mehr ganz so jung bin, sehe ich mich als Rookie, da das meine erste WM sein wird. Wir sind drei Debütanten und drei erfahrene Läufer. Daniel Hubmann ist 41 Jahre alt und war schon an vielen Weltmeisterschaften. Auch Joey Hadorn und Ricardo Rancan haben viel WM-Erfahrung. Ich denke aber, dass wir Neulinge ihnen das Wasser reichen können.
Spürten Sie einen Konkurrenzkampf um die begehrten Plätze?
Nein, im Schweizer Team geht es sehr freundschaftlich zu. Wir teilen unsere Tipps und Erfahrungen miteinander und gönnen uns gegenseitig Erfolge. Wir können voneinander lernen und so noch mehr herausholen. Das macht uns stark im Vergleich mit anderen Nationen, in denen das nicht so ist.
Sie haben neu einen Fanklub. Werden Sie viele Unterstützer vor Ort haben?
Das ist kein richtiger Fanklub (lacht). Ich habe Hüte und Taschen produzieren lassen für meine Familie und Gönner. Damit kann man mich finanziell unterstützen. Die Schweiz wird viele Fans vor Ort haben, die kommen aber nicht nur wegen mir. Die Idee mit den Fanartikeln hatte ich, als meine Eltern ein Fan-T-Shirt gedruckt haben, das mir optisch nicht gefiel. Somit wollte ich selber Artikel kreieren. Zu Shirts kam ich bisher aber noch nicht.
In Schottland ist aktuell Hauptreisezeit. Werden Sie sich nach der WM auch Ferien gönnen und das Land bereisen?
Nein, aber ich werde noch bis Dienstag bleiben, um meine Kollegen anzufeuern. Ausserdem bin ich Reserveläufer für die Staffel und wäre bereit, falls ein anderer ausfällt. Nach meiner Rückkehr muss ich viel lernen, da ich an der ETH im August meine Prüfungen schreiben werde. Während der Saison schiebe ich die Lernerei oft hinaus, um mich auf den Sport fokussieren zu können. Das heisst, dass danach büffeln auf dem Programm steht.
Die Rennen an der OL-WM werden nicht im Free-TV übertragen. Unter tv.orienteering.sport können die Rennen gegen eine Gebühr mit deutschem Kommentar verfolgt werden.
Die WM in Edinburgh
lug. Die Sprint-Orientierungslauf-WM findet vom 12. bis 16. Juli in Edinburgh statt. Seit 2019 werden die Disziplinen an der WM und der EM aufgeteilt. Das bedeutet, dass es nicht nur eine Sprint-, sondern auch eine Wald-WM gibt für die Mittel- und Langdistanz und die Staffel. Die Schweiz tritt mit einer zehnköpfigen Delegation – sechs Männer und vier Frauen – an und hat sich das Ziel gesetzt, drei Medaillen zu gewinnen.