«Die Trainingsqualität machen die Spielerinnen, nicht ich»
18.12.2025 Sport, Fussball1.-Liga-Trainer Patrick Ivanovic verlässt den SV Sissach
Nach fünfeinhalb Jahren an der Seitenlinie des ersten Frauenteams des SV Sissach hat Patrick Ivanovic seinen Rücktritt gegeben. In Erinnerung bleibt ihm vor allem der Aufstieg in die 1. Liga ohne eine einzige ...
1.-Liga-Trainer Patrick Ivanovic verlässt den SV Sissach
Nach fünfeinhalb Jahren an der Seitenlinie des ersten Frauenteams des SV Sissach hat Patrick Ivanovic seinen Rücktritt gegeben. In Erinnerung bleibt ihm vor allem der Aufstieg in die 1. Liga ohne eine einzige Niederlage.
Sebastian Wirz
Woran denken Sie als Erstes, wenn Sie an Ihre Zeit an der Seitenlinie beim SV Sissach zurückblicken, Herr Ivanovic?
Patrick Ivanovic: Ganz klar an den Aufstieg in die 1. Liga. Wir haben eine lupenreine Meisterschaft ohne Niederlage gespielt, sind Meister geworden und verdient aufgestiegen. Das Folgejahr war auch top, aber aufzusteigen wünscht sich jeder Trainer. Also kommt mir das als Erstes in den Sinn.
Sie haben Team und Verein Ende November darüber informiert, dass Sie Ihr Amt niederlegen. Was sind die Gründe?
Ich habe gemerkt, dass wir weniger Anmeldungen für das Trainingslager haben, als das bei uns üblich ist. Also habe ich beim Captain-Team nachgefragt, das mir dann mitgeteilt hat, dass es Unstimmigkeiten im Team gibt. Trainer und Captains haben sich in der Folge zusammengesetzt. Dabei wurde klar, dass einige Spielerinnen mich für alles verantwortlich machen, was ihnen nicht gefällt. Darum mache ich einen Schritt zurück und den Weg frei. Mein Co-Trainer Michel Meier übernimmt das Team gemeinsam mit Assistent Kevin Schaub.
Sie haben das beste Oberbaselbieter Frauenfussball-Team 2019 übernommen. Gleich Ihre erste Saison wurde wegen der Pandemie abgebrochen. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Das ist noch witzig: Wegen des Fussballs habe ich recht genau in Erinnerung, wann die Pandemie war. Mit meinem Start ging eine gewisse Unsicherheit einher. Ich war zum ersten Mal im Frauenfussball engagiert, wir hatten ein knappes Kader mit mehreren Spielerinnen, die wir aus der 4. Liga hochgenommen hatten. Das Ziel war der Klassenerhalt. Im Endeffekt war dieser in der 2. Liga nie gefährdet.
Auf vier Plätze im Mittelfeld der Tabelle folgte 2023/24 die Aufstiegssaison mit nur einer einzigen Niederlage – im Cupfi nal. Woher kam der plötzliche Erfolg?
Als Aussenstehender kann man schon von plötzlichem Erfolg reden, für uns war er eher die Konsequenz einer kontinuierlichen Entwicklung. Ich war immer damit beschäftigt, neue Spielerinnen nach Sissach zu bringen. Es dauert jeweils, bis sich ein neues Team findet. 2023/24 blieb das Kader zudem verletzungsfrei, alle Schlüsselspielerinnen waren einsatzfähig. Weit weg von den Spitzenteams waren wir nie, mit den zusätzlichen Jahren an Erfahrung und mit einem voll einsatzfähigen Kader gehörten wir dann dazu. Aber dass es gleich eine fast perfekte Saison wird, dafür musste dann schon alles passen.
Nach dem Aufstieg mischte Ihr Team die 1. Liga auf und belegte sensationell den 2. Rang. Nun ist der SV Sissach zur Winterpause im Mittelfeld klassiert. Was hat sich verändert?
Die Verletzungen sind hier ein Faktor: Wir hatten in dieser Halbsaison schon mehr als damals im ganzen Aufstiegsjahr. Dazu Abschlusspech hier, ein Pfostenschuss dort – den Rückstand zur Spitze fängt man sich schnell ein.
Welche Entwicklung hat der SV Sissach in Ihrer Amtszeit bei den Frauen gemacht?
Der Fortschritt ist vorhanden: Dinge, mit denen wir früher Mühe hatten, sind nun selbstverständlich. Aber das sorgt nicht für Zufriedenheit, denn die Erwartungen sind gestiegen. Also regen sich einige heute über Dinge auf, die das Team vor zwei Jahren noch gar nicht von sich erwartet hat. Die Beständigkeit, dass ich das Team fünfeinhalb Jahre leiten durfte, hilft, aber die Trainingsqualität machen die Spielerinnen, nicht ich. Durch die Neuzugänge ist sie immer höher geworden, und davon profitiert Jede. Wenn ich zurückdenke: Ich kann mich an das erste Spiel gegen Baden erinnern, als wir chancenlos 0:5 verloren haben und vielleicht drei Mal überhaupt mit Ball aus der eigenen Platzhälfte kamen. Ein paar Jahre später gewannen wir, obwohl wir 60 Minuten in Unterzahl gespielt hatten. Wir sind besser geworden. Und als Teams wie Baden, «Congeli» und Schwarz-Weiss ihre erfahrenen Spielerinnen durch jüngere ersetzt haben, haben wir überholt.
Der Posten in Sissach war Ihr erstes Amt im Frauenfussball. Braucht ein Trainer bei den Frauen andere Fähigkeiten als bei den Männern?
Ich glaube, auch in der 1. Liga braucht es im Frauenfussball 70 Prozent Sozialkompetenz und vielleicht 30 Prozent fussballerische Fackompetenz. Bei den Männern ist das Verhältnis vielleicht eher bei 50 zu 50. Wenn bei den Viertligisten in der Nachspielzeit ein Fehlpass gespielt wird, der zu einem Gegentor führt, fallen dort Sätze gegen eigene Mitspieler, wegen derer eine Spielerin einen Monat wütend wäre. Es ist schon eine andere Herangehensweise nötig.
Die Heim-EM im Sommer war ein Erfolg; vielerorts heisst es, dass mehr Mädchen trainierten und spielten. Wie wird sich der Fussball der Frauen weiterentwickeln?
Wenn man mit Sponsoren und allgemein Menschen redet, ist stets zu hören, dass sie das cool finden. Es wird viel mehr über den Fussball der Frauen gesprochen, auch wir merken das. Lokal sind wir ein Aushängeschild. Das Niveau der 2. Liga und 1. Liga ist in den fünfeinhalb Jahren, die ich überblicke, auf jeden Fall gestiegen. Gelterkinden, Bubendorf, Liestal – wenn sie alle auch komplette Frauenabteilungen haben, hat der Frauenfussball eine grössere Schlagkraft. Wenn mehr Mädchen und Frauen spielen, wenn mehr Teams entstehen und mehr Vereine den Fussball der Frauen unterstützen, dann könnte es auch einmal ein Nationalliga-B-Team in der Region geben. Einige Spielerinnen kommen ja jetzt bereits aus dem Solothurnischen oder aus Basel nach Sissach.
Sie verlassen Sissach als erfolgreicher Coach. Nach dem Aufstieg hatten Sie aber nicht mehr die Möglichkeit, im Basler Cup einen Titel zu gewinnen. Schmerzen die jeweils zwei Niederlagen im Viertelfinal und Halbfinal sowie vor allem der Final 2024 rückblickend?
Nein, gar nicht. Der Erfolg, 2.-Liga-Meister geworden und aufgestiegen zu sein, wiegt schwerer als diese Niederlage. Ich kann mich noch genau erinnern, wie wir die perfekte Meisterschaft mit einem Tor in der 77. Minute im letzten Spiel in Therwil gesichert haben. Das ist mir viel mehr wert, als den Basler Cup gewonnen zu haben. Wenn ich die aktuellen Halbfinals anschaue, ist dort zudem eine positive Entwicklung abzulesen: Der FC Gelterkinden ist dabei, der zuvor kein Frauenteam hatte, und im anderen Halbfinal treffen die zweiten Teams des SV Sissach und des FFV Basel aufeinander. Vor ein paar Jahren haben sich noch die Fanionteams dieser Vereine um den Cup duelliert. Bei beiden werden auch in der zweiten Reihe Spielerinnen entwickelt.
Blicken wir zum Schluss nach vorne: Sieht man Sie bald an einer anderen Seitenlinie?
Mindestens bis im Sommer werde ich sicher Pause machen. Ich sage niemals nie, aber da müsste schon eine grosse Anfrage kommen, dass ich mir das noch einmal überlegen würde. Ich werde die Zeit geniessen – und ich will nicht ein Trainer sein, der zu einem anderen Verein wechselt und Spielerinnen mitnimmt. Vielleicht bin ich mal als Zuschauer an einem Match. Der SVS hat wegen Verletzungen und Abgängen eine schwierige Rückrunde vor sich. Ich hoffe, das Team schafft den Ligaerhalt und kann dann im Sommer Junge nachziehen.

