Die «Stächpalme» gedeiht prächtig Das ist Sissach (33. Teil)
22.08.2025 SissachGruppierung stellt Gemeindepräsidenten, Ständerätin und Regierungsrat
Seit mehr als 30 Jahren mischt die links-grüne Bewegung Stächpalme die lokale Politik auf. Heute stellt sie zwei Gemeinderäte, darunter Präsident Peter Buser. Mehr noch: Aus ihr gingen ...
Gruppierung stellt Gemeindepräsidenten, Ständerätin und Regierungsrat
Seit mehr als 30 Jahren mischt die links-grüne Bewegung Stächpalme die lokale Politik auf. Heute stellt sie zwei Gemeinderäte, darunter Präsident Peter Buser. Mehr noch: Aus ihr gingen auch Regierungsrat Isaac Reber und die Ständerätin Maya Graf hervor. Ein Blick zurück.
Maya Graf
«Das Parteigefüge in der Sissacher Politlandschaft ist in den vergangenen Jahren kräftig durcheinandergeraten.» Mit diesem Satz beginnt in der Heimatkunde Sissach von 1998 auf der Seite 348 das Kapitel « Politlandschaft im Wandel» unter dem Stichwort «Gemeindepolitik». Autor Rolf Wirz fährt fort: «Die alteingesessenen politischen Parteien haben bei Gemeindewahlen zugunsten von losen Gruppierungen immer mehr an Boden verloren.»
Später heisst es im gleichen Beitrag: «Ein weiteres politisches Erdbeben gelang der links-grünen Stächpalme bei den Gesamterneuerungswahlen 1996. Dort konnte sie einen Sessel im Gemeinderat erobern, andererseits baute sie ihre Stärke in der Gemeindekommission aus, in der sie schon seit Längerem vertreten war. Unterdessen verfügt sie gar über zwei Gemeinderatssitze.»
Es war tatsächlich so, dass damals Isaac Reber als Vertreter der «Stächpalme» bei den Gemeindewahlen 1996 einen Gemeinderatssitz der SVP eroberte und einen «Bisherigen» verdrängte. Ein Jahr später konnte bei der Ersatzwahl nach dem überraschenden Rücktritt von Beatus (Battli) Häberli Rolf Cleis als zweite «Stächpalme»-Vertretung in den Gemeinderat einziehen. In der Gemeindekommission sassen zu diesem Zeitpunkt drei «Stächpalme»-Vertreterinnen und -Vertreter: Heiner Oberer, Lilo Killer und Martin Hauswirth, der für Rolf Cleis nachrückte.
Wer aber ist diese (partei)lose Gruppierung Stächpalme, die in Sissach die langjährige konstante Parteienlandschaft aufmischte? In der Heimatkunde Sissach beschreibt sie der Autor des oben erwähnten Kapitels wie folgt: «Die Stächpalme ist ein Produkt des Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahre heftig geführten Kampfes für und gegen die Umfahrung Sissach. Als politische Gruppierung ohne hierarchische Strukturen war und ist sie das Sammelbecken der Umfahrungsgegner.»
Ich würde sagen: Das ist zu kurz gegriffen. Der Widerstand gegen die Umfahrungsstrasse Sissach stand zwar am Anfang der Bewegung, die von der Ortsgruppe des VCS unter anderem vom Verkehrsexperten Ruedi Suter, Urs Martin und Urs Chrétien angeführt wurde. Die beiden Abstimmungskampagnen – erst eine zum Projekt, danach eine zum Kredit – wurden im Dorf heftig mit zwei Komitees ausgetragen. Man schenkte sich nichts.
Den Höhepunkt der Emotionen bildete sicher die illegale «Plakatierung» der Sissacher Fluh mit einem riesigen Tunnelloch, auf dem wuchtig «NEIN» stand. Beinahe kam es auf der Sissacher Fluh zu Handgreiflichkeiten und bis heute ist das Geheimnis nicht gelüftet, wer diese Meisterleistung an Bergsteigertechnik vollbrachte.
Doch zurück zum Beginn der 1990er-Jahre. Damals war das strittige Sissacher Verkehrsprojekt mit dem (knappen) Entscheid der Baselbieter Stimmbevölkerung für einen Bau der Umfahrungsstrasse geklärt. Und dies war auch der richtige Zeitpunkt für die Umfahrungsgegnerinnen und -gegner, sich für einen beruhigten Dorfkern, ein wohnliches Sissach und Umweltschutz einzusetzen. Dazu brauchte diese lose Gruppierung einen Namen.
Gut gegen Gicht
Die «Gründung» der «Stächpalme» müsste nach meinen Erinnerungen daher im Jahr 1991 an einer Sitzung zusammen mit Urs Chrétien, Jürg Rudin und Heiner Oberer erfolgt sein. Heiner Oberer und ich gehörten bereits seit 1988 der Gemeindekommission Sissach an, damals noch unter der Bezeichnung «Frischer Wind».
Mit gefällt der Name Stächpalme für unsere umweltbewusste Ortsgruppe noch heute sehr gut. Sie bezeichnet ein einheimisches, immergrünes, widerstandsfähiges, geschütztes Stechgewächs. Es kann auch für Heilanwendungen, etwa gegen Gicht und Rheuma, angewendet werden und sorgt im Winter, wenn es kalt ist, mit den roten Beeren für Nahrung und Farbtupfer. Das schöne Logo der Stächpalme stammt aus der Feder vom vor drei Jahren verstorbenen Dieter Oberer aus Ormalingen.
Interessant ist, dass solche lose Ortsgruppen junger Menschen, die sich in den 1980er-Jahren politisch für mehr Wohnlichkeit und Umweltschutz in ihren Gemeinden einsetzen wollten, ohne einer Partei anzugehören, auch in anderen Baselbieter Gemeinden gegründet wurden. So wurde als Erstes die WIG Knoblauch in den Gemeinderat von Münchenstein gewählt. Es folgte «Schimpfe längt nid », die SLN, in Therwil oder die bis heute erfolgreiche «Neue Liste Oberwil», NLO, und die «Frischluft Arlesheim».
Erstaunlich ist diese Entwicklung nicht. Denn sowohl die Problematik des «Waldsterbens» infolge des sauren Regens, verursacht durch den motorisierten Verkehr, wie auch die AKW-Katastrophe in Tschernobyl und der grosse Chemieunfall Schweizerhalle 1986 haben besonders in unserer Region eine breite Umweltbewegung bis ins bürgerliche Lager ausgelöst. Und die etwas älteren «Jungen» hatten bereits «Widerstandsluft» bei der Besetzung des AKW Kaiseraugst geschnuppert. Es war eine bewegte Zeit …
Die etablierten Parteien, ausser der SP, konnten die Forderungen dieser vielen jungen Umweltaktivistinnen und -aktivisten nicht aufnehmen. Auch ich zähle mich zu diesen über das Ausmass unserer Umweltzerstörung besorgten ungeduldigen jungen Menschen von damals. Wir wollten, dass die Politik handelt und die Welt besser wird; und dafür mussten wir selbst aktiv werden.
In den 1980er-Jahren wurden überall grüne Parteien gegründet und sie eroberten auf Kantons- und Bundesebene sehr schnell erste Mandate. Nach den Erneuerungswahlen von 1987 zogen die Grünen erstmals in den Baselbieter Landrat ein. Sie hatten gleich zehn Sitze erobert. Und 1991 wurde die Liestaler Ärztin Ruth Gonseth als erste Grüne unseres Kantons in den Nationalrat gewählt. Zehn Jahre später konnte ich für sie ins nationale Parlament nachrücken.
Anstelle der Grünen
In Sissach aber entstand vorerst keine grüne Ortspartei, sondern es war die parteiungebundene «Stächpalme», die im Bezirkshauptort gut gedieh. Sie versteht sich bis heute als Plattform für alle Einwohnerinnen und Einwohner, die sich für ein lebenswertes Dorf und einen sorgsamen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen einsetzen. Oder wie es unser heutiger Gemeindepräsident Peter Buser, ein Mitglied der «Stächpalme», im «Regionaljournal» von SRF einmal treffend ausdrückte: «Man kann mich nicht einfach in eine Schublade stecken», sagt er. Weil die «Stächpalme» keine Partei im klassischen Sinn ist, sei sie in der Bevölkerung breiter abgestützt.
Neben Peter Buser ist die «Stächpalme» mit Robert Bösiger aktuell mit einem zweiten Gemeinderat vertreten. In der Gemeindekommission sitzen drei «Stächpalmen»: Elvira Graf, Thomas Schmelzer und Catharina Braun. Ein Sitz ist vakant. Marcel Werdenberg ist in der Sozialhilfebehörde tätig.
Wir sehen: Die «Stächpalme» gedeiht im Sissacher Politklima seit 30 Jahren prächtig. Sie hat sogar einen Regierungsrat und die erste Ständerätin des Baselbiets heranwachsen lassen. Ganz unbescheiden könnte man also auch sagen, dass die «Stächpalme» die erfolgreichste Ortsgruppe der Schweiz ist. Doch auch bei ihr wie überall in Politik und Vereinen sind engagierte Menschen gesucht. Zu hoffen ist, dass dieses einheimische wohltuende, immergrüne Stechholzgewächs noch lange in der Sissacher Politik mitmischt.
Maya Graf aus Sissach ist Gründungsmitglied der «Stächpalme» und aktuell Baselbieter Ständerätin.
Die nächsten Jubiläumsanlässe
Seit 17. Januar: Die Kulturkommission Sissach bringt im Rahmen des Jubiläumsjahres «Sissach2025» Vergangenheit und Gegenwart in einen Dialog. Alte Gemälde und Zeichnungen hängen im Gemeindehaus aktuellen Fotografien des Theaterfotografen Ernst Rudin (70) gegenüber. Die Ausstellung kann zu den Schalteröffnungszeiten im Gemeindehaus besichtigt werden.
Bis zum 29. August: «Hanny-Moolerei». Interaktives Projekt mit Musik, Malerei und Publikum mit Zeichnerin Heinke Torpus und Musikerin Deborah Regez. Zweiter von drei Teilen. 21. bis 24. sowie 28. und 29. August, 16 bis 19 Uhr. Freilicht-Atelier «Am Schluuch» zwischen Bahnhof Sissach und Kulturhaus Cheesmeyer.
Bis zum 23. August: Kino-Open-Air im Innenhof der Weinhandlung Buess. Beginn jeweils 20 Uhr. Abendkasse. Gezeigt werden noch die Filme «F1» am Freitag und «Das Kanu des Manitu» am Samstag.
23. und 24. August: Nischenmarkt im frisch renovierten Pfarrhaus an der Pfarrgasse 1. Samstag, 14 bis 20 Uhr, Sonntag, 11 bis 17 Uhr. 19 Kunstschaffende präsentieren ihre zum Teil speziell für diesen Anlass angefertigten Kunstwerke.