Die Stadt der Eishockey-Romantiker Olten
31.07.2025 Sport, EishockeyDer Nationalliga-B-Dinosaurier will wieder mehr Zuschauer anziehen
König Fussball regiert die Sport-Schweiz. Die ganze Schweiz? Nein. In Olten ist Eishockey die klare Nummer 1. Asterix und Obelix würden hier für den EHC spielen, der sich seit 1970 in den obersten beiden ...
Der Nationalliga-B-Dinosaurier will wieder mehr Zuschauer anziehen
König Fussball regiert die Sport-Schweiz. Die ganze Schweiz? Nein. In Olten ist Eishockey die klare Nummer 1. Asterix und Obelix würden hier für den EHC spielen, der sich seit 1970 in den obersten beiden Ligen hält.
Sebastian Wirz
«Ein Sommer in Olten», heisst die Serie der «Volksstimme». Und Thema dieses Beitrags ist Eishockey. Vielleicht sagt dies schon alles über den Stellenwert der Wintersportart in der Drei-Tannen-Stadt aus.
Aber dabei wollen wir es dann doch nicht belassen.
Im Stadion Kleinholz hat der Winter bereits Einzug gehalten. Das Gebäude ist runtergekühlt. Als gestern gerade die allerersten Runden mit der Eismaschine gedreht werden, sagt Christian Roth: «Für mich ist das immer ein emotionaler Moment.» In der Lounge hoch oben über der Eisfläche gibt der CEO Auskunft zur Lage des Clubs, zu den Herausforderungen, Zielen und zur Beziehung zum Baselbiet. Die emotionale Nähe zum Eis ist beim ehemaligen Oltner Junior also gegeben. Nach 1.- Liga- und berulichen Jahren auswärts ist der heute 49-Jährige zurück beim EHCO. Zuerst war er Verwaltungsrat, seit Anfang Juli ist er nun der operative Chef des Traditionsvereins.
Letzteres ist der EHC zweifellos. «Intern wissen wir das, aber wir müssen es noch selbstbewusster nach aussen tragen», sagt Roth. 1934 gegründet, fand der Verein 1966 erstmals in die 1. Liga und 1970 in die Nationalliga B. Seither war Olten immer Bestandteil der Nationalliga – also seit 56 Jahren ohne Unterbruch.
Aufstiegsreise nach Brasilien
Ganz zuoberst im Schweizer Hockey-Olymp hat es dann doch nicht dauerhaft geklappt: Bei drei Aufstiegen in die Nationalliga A kamen insgesamt sieben Saisons im Oberhaus zusammen. Beim letzten Aufstieg war ein Oberbaselbieter an vorderster Front mit dabei: Nach vier NLA-Jahren stiess Kevin Schläpfer 1992 als gestandener Eishockey-Profi zum EHC Olten in der NLB. «Das war eine Hockey-Stadt, es gab nur Hockey», erinnert sich der Sissacher, «das ist natürlich immer das Schönste für einen Spieler.»
Der Stürmer absolvierte sämtliche 36 Spiele und trug mit 12 Skorerpunkten dazu bei, dass Olten in die oberste Liga aufstieg – mit den entsprechenden «Begleiterscheinungen»: «Es gab eine riesige Euphorie und ein Riesenfest», erzählt der heutige Sportchef des EHC Basel. Vor allem an das zweiwöchige Trainingslager in Toronto und die Mannschaftsreise nach Rio de Janeiro hat er besondere Erinnerungen. «Ich wüsste nicht, dass das ein anderer Verein noch einmal gemacht hätte. Das war schon speziell.» Zudem genoss es der Oberbaselbieter, nah bei Familie und Freunden zu sein.
Den Ligaerhalt schaffte der Verein nicht, aber Schläpfer konnte seine individuellen Zahlen (9 Tore, 11 Assists) nach oben schrauben. Nach dem Abstieg machte der Oberbaselbieter 1994/95 mit 53 Skorerpunkten gar sein bestes Jahr überhaupt in der Nationalliga B – und Werbung in eigener Sache: Nach drei Jahren verliess er Olten in Richtung Lausanne, wieder in die Nationalliga A.
1400 Zuschauer weniger als 2015
Die Hockey-Schweiz ist klein, aber Schläpfers Schweiz als Eishockey-Funktionär ist noch kleiner: Abgesehen vom Abstecher nach Kloten war Schläpfer in Biel, Langenthal und Basel Trainer oder Sportchef, also immer innerhalb von 60 Kilometern um Olten. «Ich hatte immer Berührungspunkte mit dem EHCO», sagt Schläpfer. In der Stadt gelandet ist er dennoch nie. «Wenn man als Trainer oder Sportchef wechseln will, ist alles immer eine Frage des Timings», sagt der 55-Jährige. Man müsse genau dann ohne Vertrag sein, wenn ein Club jemanden in der richtigen Position brauche. «Es gab Gespräche, aber es hat vom Timing her nicht gepasst.»
Schläpfers Erinnerung an die «Eishockey-Stadt» deckt sich mit jener eines Mitglieds der «Wall of Fame» des EHC Olten mit Oberbaselbieter Bezug: Dino Stecher. «Olten ist so etwas wie die Stadt der Eishockey-Romantiker», sagt der langjährige Oltner Torhüter, der von 2018 bis 2020 als Trainer an der Bande des EHC Zunzgen-Sissach stand. Während die Eishockeyaner andernorts mit der Konkurrenz durch König Fussball zu kämpfen haben, herrscht hier der Sport mit dem Puck. Der FC Olten spielt regional in der 2. Liga.
Hockey hat hier Identität, ein schönes Stadion, Zuschauer, Stimmung. Aber Stecher sagt auch: «Es ist eine Hockey-Idylle, umzingelt von Grossen.» Das sieht CEO Roth gleich: Es ist zwar eine Chance für Olten, bezahlbaren Wohnraum bieten zu können, während die ÖV-Wege zum Zürcher Hauptbahnhof, nach Bern oder Basel kurz sind. Doch sind auch die Wege für Eishockeyfans zu den ZSC Lions, dem SC Bern, dem EV Zug oder dem EHC Biel nah. Wer Eishockey-Fan ohne Lokalkolorit ist, kann mit kurzer Anreise National-League-Spiele besuchen. Warum dann ins Kleinholz?
«Wir wollen für schnelles, offensives, attraktives Hockey stehen», nennt Roth mögliche Beweggründe. Junge Spieler und Menschen sollen hier entwickelt werden und sich für eine Karriere empfehlen. Früher seien oft Ex-NHL-Spieler eingekauft worden, die Olten mit ihren Toren nach vorne schiessen sollten. Die Strategie sieht anders aus: «Wir wollen künftige NHL-Spieler entwickeln, statt ehemaligen NHL-Spielern das Karriereende zu vergolden», so der CEO. Mit dem ehemaligen Junioren-Nati-Trainer Christian Wohlwend habe man dafür den perfekten Mann.
Neben der Show auf dem Eis soll das Erlebnis Matchbesuch auch sonst wieder attraktiver werden: «Wir gehören zur Unterhaltungsbranche.» Diese misst sich neben dem wirtschaftlichen Erfolg am Zuschaueraufkommen. Und dieses entwickelt sich seit einigen Jahren in die falsche Richtung. «Es ist nicht besorgniserregend», sagt Roth, «aber wir müssen etwas tun.»
Von 2004 bis 2015 kannten die Zahlen nur eine Richtung: nach oben. Im Durchschnitt besuchten 2004/05 gut 1000 Personen ein Qualifikationsspiel des EHCO. 2008 wurde die 2000er-Grenze geknackt, und 2015 strömten mehr als 3600 Personen ins Kleinholz. Olten war der Fan-Krösus, hatte im Ligavergleich stets den besten oder zweitbesten Zuschauerschnitt. Nach der Pandemie erholten sich die Zahlen 2022 wieder in Richtung 3000, doch in den vergangenen beiden Jahren waren die Heimspiele wieder deutlich schwächer besucht. «Das Oltner Publikum ist kritisch», sagt Roth, «kommen die Resultate nicht, bleiben schnell Plätze leer. Wir haben aber die höchsten Einschaltquoten im Livestream auf ‹Sky›, was belegt, dass wir eine sehr grosse Fanbasis haben. Diese Leute müssen wir wieder ins Stadion bringen.»
Zunzgen-Sissach als «cooles Los»
Vergangene Qualifikation – sie verlief so schwach wie seit 2012 nicht mehr – kam es gar zur Situation, die noch vor Kurzem undenkbar gewesen wäre: Olten war nicht nur erst auf Rang 4 der Zuschauertabelle zu finden, sondern wurde vom EHC Basel überholt. Vom Verein aus der Fussball-Stadt, wie Basler Exponenten selbst oft klagten. Während der EHC Olten seit 1934 so heisst, seit 1970 konstant in den höchsten beiden Ligen spielt, die Nummer 1 in der Stadt ist und nie Konkurs ging, haben die Basler fünf Vereinsnamen, Fusionen, Konkurse, Jubeljahre in der NLA und Trauerjahre in den Niederungen der 2. Liga erlebt. Basel hat aktuell zugleich einen Lauf und Zulauf.
Auch wenn es in mehr als einem halben Jahrhundert nur zu sieben Saisons NLA gereicht hat, ist die Beständigkeit des EHC Olten mit seinen 18 Playoffs in Serie beeindruckend. Fünfmal stand er seit 2013 im Final der Swiss League. Dies hätte vermeintlich dazu führen müssen, dass sich Oberbaselbieter Eishockeyfans in Richtung Mittelland orientieren, das durch zwei Tunnel so nah liegt. Passiert ist dies offensichtlich nicht: Es gibt genau 16 Saisonkarteninhaberinnen oder -inhaber mit einer 44er-Postleitzahl. Nur 16 von mehr als 1600 Dauerkarten im Kleinholz sind in Oberbaselbieter Besitz. Aus Tecknau – mehr als 45 Minuten vom Heimstadion des EHC Basel entfernt – gibt es in Olten – 8 Minuten Zug, 20 Minuten Fussweg – genau 2 registrierte Kunden.
Für Roth sind das Baselbiet und Basel klar Fussball-Land. Und dem EHC Basel wolle er nicht Zuschauer abgraben. Aber dennoch: Das Gebiet von Hauenstein bis Sissach hat der EHC Olten ebenso als Wachstumsgebiet ausgemacht wie den Raum in Richtung Aarau. Der EHC Zunzgen-Sissach sei in der ersten Cuprunde Ende September entsprechend ein «cooles Los», sagt Roth. Es würde nicht erstaunen, wenn es rund um das Spiel auf der «Kunsti» Fan- oder Sponsoren-Aktionen geben würde.
Roth setzt an vielen Hebeln gleichzeitig an: Ein Coach, der für junges, schnelles Hockey steht, Ausbau des Rahmenprogramms um die Heimspiele, Senkung der Saisonabo-Preise für die Stehplätze. Und Olten will unter die Top 4 der Swiss League und langfristig in die National League. Die Eiszeit beginnt in Olten. «Winter is coming.» Und das bedeutet in dieser Stadt etwas Gutes.
Die «Volksstimme» stellt in der sechs - teiligen Serie «Ein Sommer in Olten» die Dreitannenstadt aus verschiedenen Blickwinkeln vor. Die Beiträge erscheinen im wöchentlichen Rhythmus.