«Die Profi karriere war ein Privileg»
06.11.2025 Sport, Weitere SportartenJoel König zieht nach elf Jahren Leistungssport den Schlussstrich
Nach einer Infektion mit dem
Pfeifferschen Drüsenfieber hört Joel König mit 30 als Profi-Badmintonspieler auf. Es ist das ungeplante Ende der ansonsten durchorganisierten Karriere des Titterters.
Sebastian Wirz
Nach einer Infektion mit dem Pfeifferschen Drüsenfieber haben Sie Ihren sofortigen Rücktritt vom Badmintonsport verkündet. Wie geht es Ihnen gesundheitlich, Herr König?
Joel König: Deutlich besser, danke. Ich war sechs Wochen lang sehr stark geschwächt, schon die einfachsten Tätigkeiten haben mich extrem erschöpft. Alles ausser Liegen war ein Problem. Nach zwei Wochen Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen habe ich mich medizinisch abklären lassen. Das Pfeiffersche Drüsenfieber war für mich keine Überraschung mehr: Mein Bruder hatte im Sommer dieselbe Krankheit.
Der Körper ist Ihr «Arbeitsgerät». Wie ist es für einen Profisportler, vom eigenen Körper derart die Grenzen aufgezeigt zu bekommen?
Die Situation war speziell: Ende August verdrehte ich mir das Knie und musste für zehn Tage pausieren. Gerade als ich wieder vorsichtig ins Training starten wollte, wurde ich krank. Beides für sich gehört ja zum Leben und gehört auch zum Berufsrisiko. Doch als ich nach einer wirklich sehr leichten Einheit Krafttraining am nächsten Morgen völlig erschöpft war, da wusste ich: Das muss ich ernst nehmen. Ein solches Gefühl der Schwachheit kannte ich bisher nicht und es ist mir eingefahren.
Hat Ihnen die Krankheit die Entscheidung abgenommen, wann Sie vom Profisport zurücktreten?
Ich wusste, dass meine Karriere in naher Zukunft endet – aber hoffte, nicht jetzt. Im Sommer habe ich geheiratet und auch mit meiner Frau entschieden, dass ich noch einmal ein Jahr «all in» gehe. Die Ziele waren mit einer Teilnahme an EM und WM im kommenden Jahr klar gesetzt, aber für die Qualifikation braucht es ein ganzes Jahr Resultate. Mir geht es zwar besser, aber an Sport ist weiterhin nicht zu denken. Nach erster Bewegung würde ein Aufbau bis zur Wettkampf-Form anstehen, der Monate dauern dürfte – meine Ziele sind völlig unrealistisch geworden. Ich hätte den Rücktritt gerne so professionell angehen wollen, wie ich meine Karriere geplant habe: Die Nachsportkarriere vorbereiten, Pensum im Studium hochfahren, Abbautraining. Das ist nun alles anders gekommen. Ich musste die Situation neu betrachten und aus jetziger Sicht einen sinnvollen Entscheid fällen. So hat mich die Krankheit jetzt schon zu diesem Entscheid geführt.
Haben Sie mit der Situation gehadert?
Es war für mich erstaunlich, wie sich der Körper erschöpfen kann. Dieses Körpergefühl war mir neu. Aber ich war mir in meinem Leben immer bewusst, dass Gesundheit nicht einfach gegeben ist. Ich bin dankbar für jeden Moment, in dem ich in Vergangenheit gesund sein und so lange auf meinen Körper zählen durfte.
Der erste Beitrag über Sie in der «Volksstimme» erschien 2014 nach dem dreifachen Gewinn der Schweizermeisterschaft in der U19: Einzel, Doppel und Mixed. Wie blicken Sie auf den Beginn Ihrer Karriere zurück?
Das war ein toller Abschluss der Junioren-Zeit, weil ich erstmals auch im Einzel siegte, nachdem ich davor mehrfach Doppel- und Mixed-Meister gewesen war. Ich hatte in zwei Tagen etwa zwölf Matches. Es war in meinem letzten Nachwuchs-Jahr, Ende Saison. Der Abschied in Richtung Elite-Badminton war also ein Highlight. Das hat mir grosse Motivation gegeben und bestärkte mich in der im Jahr davor getroffenen Entscheidung, die Karriere mit einem professionellen «Setup» aufzugleisen.
Sie zogen nach Bern ins nationale Trainingszentrum, hatten eigene und internationale Trainer, machten Mentaltraining und hatten einen mehrjährigen Plan, statt die Profi karriere «mal zu probieren». War Ihnen bewusst, dass Sie sich damit von vielen Nachwuchssportlern abhoben?
Es ist schwierig, mich mit anderen Athleten zu vergleichen. Ich bin mir bewusst, dass ich den Weg sehr professionell ging und auch viel dafür aufgewendet habe. Ich weiss aber auch, dass ich dies selbst auch erst lernen musste, dass es ein langer Weg war und ich dabei sehr viel Hilfe von aussen erhielt. Das ist nicht selbstverständlich.
eld ist ein grosses Thema bei Randsportarten, bei Einzelsportlern erst recht. Ihre geplante «lange» Karriere gibt es nicht kostenlos.
Ich wollte diese Karriere angehen, wie wenn sie eine berufliche wäre. Ich wollte «all in» gehen, nur ganz oder gar nicht. Mir half die Perspektive zu wissen, dass ich die Unterstützung von aussen habe, um diesen Weg mehrere Jahre machen zu können. Der nationale Verband, das Baselbieter Olympia-Team und die Schweizer Armee durch die Spitzensport-RS und die anrechenbaren WK-Tage gaben mir neben privaten Sponsoren und Gönnern grossen substanziellen Halt.
Sie haben in 11 Jahren in mehr als 50 Ländern gespielt, sind mehr als 150 Mal zu Wettkämpfen geflogen, waren die Nummer 150 der Welt – aber eine Olympiaqualifikation blieb immer Wunschdenken. War ein Rücktritt wegen mangelnden Erfolgs je ein Thema?
Ich hatte zwei Arten von Rücktrittsgedanken. Die emotionalen nach einem schlechten Wettkampf gab es immer wieder einmal. Das sind verzweifelte Gedanken und damit verbunden Fragen wie: «Schaffe ich das noch? Kann ich meine Ziele erreichen? Lohnt sich das alles?» Diese Momente kamen zum Beispiel, wenn ich eine lange Anreise mit Interkontinentalflug hinter mir hatte, um dann in der ersten Quali-Runde in zwei Sätzen zu verlieren … Die andere Art von Rücktrittsgedanken waren sachlicher Natur, als ich zu bestimmten Zeitpunkten generell überprüfte, ob ich meine Sportkarriere weiterführen will oder nicht.
Wünscht man sich in diesen einsamen Momenten in einem schlechten Hotel in Lagos oder Guadalajara, nie auf die Karte Spitzensport gesetzt, sondern sich für einen Bürojob entschieden zu haben?
Ich habe eher an die Enttäuschung und den nächsten Schritt gedacht als an eine alternative Karriere. Eher «es wäre schön gewesen, mehr zu gewinnen», als «ich hätte etwas anderes tun sollen». Nach einer Niederlage raffte ich mich immer wieder auf, wollte aus den Fehlern lernen und mich in Trainings verbessern, meine Ziele erreichen und dafür kämpfen. Der Blick nach vorne war gefragt, die nächsten Ziele ins Auge fassen, statt zu hadern. Ich hatte acht bis zwölf Jahre Profi-Badminton in Ausblick. Drei Olympische Spiele wären der Karriere-Traum gewesen. Als ich Olympia 2020 verpasst habe, war sofort klar, dass es weitergeht. Als ich es 2024 nicht geschafft habe, entschied ich, regelmässigere Standortbestimmungen zu machen.
Was bleibt von der Karriere am meisten in Erinnerung?
Sportlich gesehen erinnere ich mich sehr gerne an den 3. Platz bei einem Turnier in Santo Domingo, bei dem ich einen Top-100-Spieler und weitere starke Gegner geschlagen habe. Neben drei Team-Meistertiteln werden mir die Tausenden Stunden an Trainings in Erinnerung bleiben. Ich durfte Grenzerfahrungen machen, viel über mich selbst lernen und mich elf Jahre lang Profisportler nennen. Der Höhepunkt im Rückblick ist, dass ich diesen Weg überhaupt gehen, als Einzelsportler die Schweiz vertreten und mich dennoch als Teil eines Teams fühlen durfte. Dutzende von Menschen haben mich eng unterstützt und etwas dazu beigetragen. Es ist ein grosses Privileg, dass ich das erleben durfte. Das macht mich sehr dankbar.
Medaillen-Hamsterer
wis. Joel König hat mit 30 Jahren den Rücktritt vom professionellen Badmintonsport gegeben. Nach neun Medaillen beim Nachwuchs prägte der Spitzensport-RS-Absolvent von 2015 auch die Schweizermeisterschaften der Aktiven in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Podestplätzen. Den Interclub entschied der Titterter mit Argovia sowie Trogen-Speicher für sich und auch in Dänemark war er Team-Meister.

