«Die Mehrzahl der Bewohner ist betroffen»

  02.05.2025 Sissach

Das Sissacher «Mülimatt» hat sich zu einem auf Demenz spezialisierten Alters- und Pflegeheim entwickelt. Neu arbeitet es mit dem Verband Alzheimer beider Basel zusammen. Leiterin Mireille Dimetto erklärt, was die Pflege von Demenzerkrankten so komplex macht.

Tobias Gfeller

Das «Mülimatt» gehört in Sachen Demenz zu den spezialisierten Alters- und Pflegeheimen und hat mit dem Demenzpfad ein Angebot, welches das Leben mit Demenz «erlebbar» macht. Wie ist es zu diesem Fokus gekommen?
Mireille Dimetto:
Vor mehr als 40 Jahren, als das «Mülimatt» gegründet wurde, war es noch ein klassisches Altersheim. Die Bewohnenden von damals sind nicht zu vergleichen mit den Menschen, die heute bei uns eintreten. Vor 26 Jahren war es bereits nötig, eine Demenzabteilung zu eröffnen, da man feststellen musste, dass Bewohnende, die an einer Demenzform erkrankt sind, ein anderes Umfeld benötigen. Die Gründung einer Demenzgruppe mit 7 Plätzen war der Anfang einer stetigen Entwicklung. Als das Haus B im Jahr 2008 den Betrieb aufnahm, konnte eine Demenzstation mit 24 Betten in Betrieb genommen werden.

Menschen treten heute später ins Heim ein, weil es mehr Angebote im Bereich des betreten Wohnens und der Spitex gibt. Was bedeutet das für die Alters- und Pflegeheime?
Aufgrund der Hochaltrigkeit, verbunden mit komplexen Krankheitsbildern, lässt sich feststellen, dass demenzielle Erkrankungen in sehr vielen Fällen eine grosse Rolle spielen. Unsere Demenzabteilung beherbergt Menschen, die einen geschützten Raum und ein passendes Setting mit Pflege, Betreuung und Begleitung benötigen. Es ist jedoch so, dass auch ausserhalb dieser Abteilung Menschen mit leichteren Demenzformen im «Mülimatt» leben. Je nach Ausprägung kann es nötig werden, eine Verlegung in die Spezialabteilung in die Wege zu leiten, um diesen Menschen einen noch passenderen Rahmen für einen geschützten Aufenthalt bieten zu können.

Was macht die Pflege und Betreuung von Demenzerkrankten für Alters- und Pflegeheime zu einer grossen Herausforderung?
Demenzerkrankungen spielen in den meisten Alters- und Pflegeheimen eine grosse Rolle in Bezug auf bauliche Massnahmen und die Notwendigkeit, hoch qualifiziertes Fachpersonal finden und halten zu können. Dies, weil heute eine Mehrzahl der Bewohnenden in irgendeiner Form von demenziellen Erkrankungsformen betroffen ist. Es gilt, als Unternehmen innovativ und aktiv zu werden in der Rekrutierung von sehr gut ausgebildeten Mitarbeitenden, die schwer zu finden sind. Weiter ist es wichtig, die Abläufe anzupassen und bauliche Anforderungen zu erkennen. Die Sensibilisierung und Information der Politik und der Öffentlichkeit ist nötig, da die Angebote im Pflegeheim angepasst werden müssen und viel Geld kosten.

Das «Mülimatt» ist eine Zusammenarbeit mit «Alzheimer beider Basel», der Regionalsektion des nationalen Alzheimer-Verbandes, eingegangen. Worauf liegt der Fokus?
Innerhalb der Bildung der Versorgungsregionen im Kanton Baselland ist es ein Gesetzesauftrag, sogenannte Informations- und Beratungsstellen einzurichten. Es lag auf der Hand, dass wir uns als Gastgeber für ein solches Angebot zur Verfügung stellen. Dabei hat sich ergeben, dass die Informations- und Beratungsstelle im Wechsel durch die «Pro Senectute beider Basel» und durch «Alzheimer beider Basel» bedient wird. Der Fokus liegt dabei auf der Beratung der Öffentlichkeit in Fragen rund um das Alter und bei «Alzheimer beider Basel» speziell zu Fragen im Bereich Demenzerkrankungen. Diese umfangreichen Möglichkeiten, an einem Ort sämtliche Fragen und oft auch Ängste in Bezug auf Alter, Krankheit, Wohnen, Recht und Finanzen klären zu können, werden sehr geschätzt. Wir sind zwar lediglich Gastgeber, nutzen jedoch Synergien und sind partnerschaftlich unterwegs.

Wer kann von der Zusammenarbeit wie profitieren?
Das Fachwissen von «Alzheimer beider Basel» dient den Angehörigen oder Menschen, die in einem frühen Stadium einer Erkrankung Hilfe und Information benötigen. Wir als Pflegeheim profitieren davon, dass viele Fragen vor dem Eintritt ins Heim in Bezug auf Demenz bereits geklärt werden können.

Auch weisen wir auf die verschiedenen existierenden Angebote hin. Oft ist der Eintritt eines hochbetagten Menschen ins Pflegeheim für Angehörige sehr belastend und herausfordernd. Umso mehr ist es wichtig, Anlaufstellen zu bieten.

Neu bietet das «Mülimatt» auch eine Demenzschulung an. Was erhoffen Sie sich davon?
Als Unternehmerin war für mich klar, dass wir die Fachstelle nicht nur beherbergen, sondern die Zusammenarbeit fördern und entwickeln wollen. Daraus entstand die Idee, eine Demenzschulung in Kooperation mit «Alzheimer beider Basel» für Freiwillige anzubieten. Wir arbeiten im «Mülimatt» mit rund 25 freiwilligen Mitarbeitenden, die in unterschiedlicher Form ihre Zeit und ihr Herzblut für unsere Bewohnenden zur Verfügung stellen. Auch sie werden mehr und mehr mit Menschen konfrontiert, die an einer Demenzform erkrankt sind. Es war daher klar, dass Freiwillige in ihrer wertvollen Tätigkeit weitergebildet und auch geschützt werden müssen. Nur dann werden wir in diesem komplexen Umfeld diese unverzichtbare Hilfe erhalten.


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