«Die Kirche muss sich neu orientieren»
11.09.2025 DiegtenMyrta Stohler über ihre Tätigkeit in der Kirchgemeinde
Die ehemalige Vertrauensperson Myrta Stohler blickt auf ihr Wirken zurück. Der Zukunft der Kirchgemeinde Diegten/Eptingen sieht die 75-Jährige alt SVP-Landrätin und ehemalige Diegter Gemeindepräsidentin ...
Myrta Stohler über ihre Tätigkeit in der Kirchgemeinde
Die ehemalige Vertrauensperson Myrta Stohler blickt auf ihr Wirken zurück. Der Zukunft der Kirchgemeinde Diegten/Eptingen sieht die 75-Jährige alt SVP-Landrätin und ehemalige Diegter Gemeindepräsidentin wenig optimistisch entgegen.
Carolina Mazacek
Frau Stohler, weshalb übernahmen Sie Ende 2022 das Amt als Vertrauensperson der Kirchgemeinde Diegten/Eptingen?
Myrta Stohler: Als frühere Gemeindepräsidentin wurde ich vom Kirchenrat Baselland als Vertrauensperson eingesetzt, da mehrere Kirchenpflegemitglieder und die Präsidentin zurückgetreten waren. Ich sollte vor allem Interessierte finden, da ich mich in den beiden Dörfern gut auskenne. Gleichzeitig musste der geschäftliche Teil für die Angestellten der Kirchgemeinde funktionieren. Ich hatte die Illusion, die Tätigkeit würde maximal ein halbes Jahr dauern – es wurden jedoch zweieinhalb Jahre.
Sie organisierten einen Gesprächsabend zum Personalmangel und riefen zur Mitarbeit in der Kirchenpflege auf – ohne Erfolg. Weshalb wollte sich niemand engagieren?
Es kamen viele Leute – in dieser Hinsicht war es ein erfolgreicher Abend. Die Teilnehmenden haben rege diskutiert. Danach kamen aber trotzdem nicht mehr Menschen in die Kirche und auch für die Kirchenpflege hat sich niemand gemeldet. Es ist heute leider überall so, in den Vereinen und in den Kirchen: Alle wünschen sich Verbesserungen, aber fast niemand will selbst aktiv werden.
Wie kam es zum Entschluss, im Juli als Vertrauensperson zurückzutreten?
Es bringt nichts, wenn ich die Kirchenpflege allein ausüben muss. Dazu braucht es ein Team. Das habe ich auch «x-mal» erwähnt. Da sehr wenige Personen den Gottesdienst oder eine Kirchgemeindeversammlung besuchen, ist es schwierig, eine grosse Anzahl Personen anzusprechen. Somit ist es für mich weiterhin kaum möglich, neue Kirchenpflegemitglieder zu finden.
Direkt gefragt: Sind sie als Vertrauensperson gescheitert?
Ich denke, dass ich auf der Suche nach neuen Kirchenpflegemitgliedern gescheitert bin, aber nicht in der Abwicklung der Geschäfte. Ich sehe keine Möglichkeit, wie dies in Zukunft gelingen soll. Nun wurde vom Kirchenrat eine neue Person als Vertrauensperson eingesetzt. Vielleicht hat sie Tipps und Tricks, wie man mit der Situation umgeht. Ich würde es mir wünschen.
Mit Marcel Hauser wurde ein externer Berater aus dem Kanton Aargau hinzugezogen. Was erhoffen Sie sich von ihm?
Ich denke, die Erwartungen an ihn sollten nicht zu hoch sein. Er kommt nicht aus der Gegend und jedes «Völkli» ist etwas anders geprägt. Ich weiss nicht, ob er es schafft, innert kurzer Zeit eine funktionsfähige Kirchenpflege einzusetzen. Und ohne Kirchenpflege erhalten wir auch keine Pfarrperson. Die Ansprüche, welche die Leute stellen, sind hoch.
Was erwarten die Leute heutzutage von einer Pfarrperson?
Sie wollen jemanden, der Zeit hat und mit ihnen sprechen kann. Es muss ein Seelsorger sein. Da aber schon so viele Leute aus der Kirchgemeinde ausgetreten sind, können wir uns keine 100-Prozent-Stelle für die Pfarrperson leisten, was bei den genannten Erwartungen aber notwendig wäre. Denn ein Pfarrer muss auch Gottesdienste, Religions- und Konfirmationsunterricht sowie Beerdigungen vorbereiten. Die Ansprüche sind gross und individuell – und bei einer 60- oder 70-Prozent-Stelle ist nicht alles möglich.
Eines Ihrer Anliegen war die Fusion mit der Kirchgemeinde Tenniken/Zunzgen. Warum ist diese nicht zustande gekommen?
Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Kirchgemeinden funktioniert sehr gut. Wir haben beschlossen, mehr regionale Gottesdienste abzuhalten. So erreichen wir mehr Kirchgänger an einem Ort – wenn auch vor allem die älteren. Ein anderes Thema ist die Finanzierung. Hier bin ich der Meinung, dass die Kirche Eptingen der Stiftung Kirchengut übergeben werden soll, da nur wenige Menschen diese Kirche besuchen. Warum müssen wir ein so grosses Haus unterhalten? Dank der Unterstützung der Stiftung Kirchengut und der Landeskirche ist sie renoviert. Doch ohne diese Unterstützung wäre die Kirche Eptingen in einem schlechten Zustand. Heute sage ich: Man sollte besser mit der reformierten Kirche Sissach-Wintersingen fusionieren.
Warum meinen Sie?
Zu einer grösseren Kirchgemeinde gehören automatisch mehr Mitglieder, die einen Gottesdienst besuchen. Die Verwaltung wäre grösser und die Ämter wären wahrscheinlich einfacher zu besetzen. Doch das Kernproblem würde wohl bestehen bleiben: Es würden am Sonntag nicht mehr Menschen in die Kirche gehen.
Hat die Kirche einen anderen Stellenwert als früher?
Ja. Die jungen Leute gehen nicht mehr in die Kirche. Bei einer Konfirmation oder wenn ein Chor singt, ist die Kirche voll, aber an normalen Sonntagen kommen nur sehr wenige Leute. Wir haben versucht, den Gottesdienst anders zu gestalten, aber für solche Projekte braucht es frische und junge Köpfe sowie Zeit und Kraft. Die Kirche steht heute mit vielen anderen Angeboten in Konkurrenz. Früher ging man am Sonntag in die Kirche, weil es keine anderen Möglichkeiten gab.
Ist die unbefriedigende Situation in der Kirchgemeinde Diegten/Eptingen eine Ausnahme?
Probleme wie bei uns gibt es fast überall. Im Baselbiet und auch in den restlichen Kantonen verlieren die Kirchgemeinden rasant an Mitgliedern und haben Probleme, Ämter und Stellen zu besetzen. Zudem besuchen schweizweit immer weniger Menschen den Gottesdienst. Persönlich bin ich auch keine besonders eifrige Kirchengängerin mehr. Sonntags ist man gerne zu Hause – und bei schönem Wetter unternimmt man etwas oder besucht Freunde und Familie. Die Gesellschaft hat sich gewandelt. Die Kirche muss sich neu orientieren.