Die feinfühlige Stimme aus Sissach
08.05.2025 BaselbietErinnerungen an Martha Moser-Bürkle, alias Barbara Suter
Eine Annäherung an die Schriftstellerin und Fürsorgerin Martha Moser-Bürkle (1910 – 1987), die unter dem Pseudonym Barbara Suter bekannt war. Auftakt zu unserer neuen Serie «Oberbaselbieter Köpfe ...
Erinnerungen an Martha Moser-Bürkle, alias Barbara Suter
Eine Annäherung an die Schriftstellerin und Fürsorgerin Martha Moser-Bürkle (1910 – 1987), die unter dem Pseudonym Barbara Suter bekannt war. Auftakt zu unserer neuen Serie «Oberbaselbieter Köpfe – fast vergessen».
Hanspeter Gautschin
Vor einigen Jahren bin ich eher zufällig auf die Erzählung «Der Feldweg» gestossen – ein Text, der mich innehalten liess und tief berührte. Geschrieben hat ihn eine Autorin namens Barbara Suter aus Sissach. Wer aber war Barbara Suter? Diese Frage liess mich nicht mehr los.
Hinter diesem Pseudonym verbarg sich Martha Moser-Bürkle, geboren am 19. Mai 1910 in Sissach. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend ebenfalls in Sissach, besuchte die Handelsschule und arbeitete von 1926 bis 1930 als kaufmännische Angestellte. Nach einem krankheitsbedingten Aufenthalt in Davos fand sie ihre wahre Berufung in der fürsorgerischen Arbeit: zunächst beim Basler Frauenverein, dann als Sekretärin des Schweizerischen Lehrerinnenvereins.
Im Jahr 1955 heiratete sie den Solothurner Lyriker Bernhard Moser. Nach dessen frühem Tod wirkte sie von 1959 bis zu ihrer Pensionierung 1972 als Spitalfürsorgerin an der Neurologischen Klinik der Universität Basel. In der Region wurde sie besonders durch den Aufbau der Fürsorge für Multiple-Sklerose-Patientinnen und -Patienten bekannt. Mit grossem Einfühlungsvermögen führte sie dort das Reiten als Therapie für Gelähmte ein – ein damals revolutionärer Ansatz, der später von der Deutschen wie auch der Schweizerischen MS-Gesellschaft gewürdigt wurde.
Neben ihrer beruflichen Tätigkeit schrieb Martha Moser-Bürkle mit leiser Beharrlichkeit Gedichte, Erzählungen und Künstlerporträts. Ihre Werke erschienen in der «Volksstimme», der «National-Zeitung» sowie in Zeitschriften wie «Der Helfer», «Die Garbe» und in den «Baselbieter Heimatblättern». Mit besonderem Gespür porträtierte sie Baselbieter Künstler wie Arnold Flechter, Albert Schweizer, Ernest Bolens, Maria Lotz, Emilio Müller und Karl Wirz.
Ihre Erzählung «Der Feldweg», auf die ich damals gestossen bin, steht in einer literarischen Tradition von Heimat- und Naturbetrachtungen, wie man sie etwa von Hermann Hesse oder Peter Handke kennt – reflektierend, melancholisch und feinfühlig:
«Man muss mit seinen Gedanken weit in die Kindheit zurückträumen, um sich des Feldwegs zu erinnern, auf dem man noch an der Mutterhand ins Grüne wanderte. Wenn unsere kleinen Füsse über die Unebenheiten des Weges stolperten und wir hinzufallen drohten, hielten wir uns schnell fest an Mutters Rock und riefen, ach, dieser böse Weg! Und darauf bekamen wir zur Antwort, Kinder, dies ist ein schöner und ein guter Weg, denn er bewahrt uns davor, schnell zu gehen.»
Ein weiteres Beispiel ihrer poetischen Ausdruckskraft ist das Gedicht «Wenn der Mond rot leuchtet», erschienen 1965 in den «Baselbieter Heimatblättern» – ein dichter, eindrucksvoller Text über innere Glut, Sehnsucht und Trost:
Wenn der Mond rot leuchtet
Ein Feuer brennt in mir, lichterloh!
Brennen ist Schmerz, glutvolle Flamme der Tiefe.
Die Frage sengt in mir, ungelöst;
Fragen ist Qual, hilfloses Warum an das Sein?
Dämon oder Engel? Einer kam,
weckte die Glut in grauer Asche verborgen.
Es leuchtet der Vollmond, herzblutrot,
tröstend teilt er mit mir den Zauber der Stunde.
Dieses Gedicht zeigt eindrucksvoll, wie Martha Moser ihre Empfindsamkeit in Worte zu fassen wusste. Es ist ein stilles Zwiegespräch mit dem Leben – offen, fragend, tastend und berührbar.
Obwohl Martha Moser-Bürkle ein beeindruckendes literarisches und soziales Werk hinterlassen hat, geriet ihr Name zunehmend in Vergessenheit. Der Feldweg aus ihrer Erzählung mag in eine Vorstadtstrasse verwandelt worden sein – doch ihre Worte haben Bestand und berühren noch heute.
Seit 1998 liegt ihr umfangreicher schriftlicher Nachlass im Staatsarchiv. Interessierte können dort weitere Informationen zu ihrem Leben und Werk einholen.
Künstler, Dichter, Macher und Visionäre
vs. In unserer Serie stellt Hanspeter Gautschin Menschen aus dem Oberbaselbiet vor, die einst prägend wirkten, heute aber fast vergessen sind. Es sind Künstlerinnen, Dichter, engagierte Macherinnen, stille Visionäre – ebenso wie Unternehmer, Tüftler und Gestalter der Industriewelt, die mit Innovationsgeist und Tatkraft die Entwicklung unserer Region vorantrieben. Persönlichkeiten, die das kulturelle, soziale, geistige oder wirtschaftliche Leben des Oberbaselbiets nachhaltig geprägt haben. Mit erzählerischem Gespür und einem feinen Blick für das Wesentliche lässt Gautschin diese Lebensgeschichten wieder aufleuchten – als Erinnerung, Inspiration und als Beitrag zur regionalen Identität.
Hanspeter Gautschin (1956) lebt in Oberdorf und blickt auf eine facettenreiche Laufbahn im Kulturbereich zurück. Als ehemaliger Impresario, Kulturförderer und Museumsleiter erzählt er mit Vorliebe Geschichten über Menschen, Kultur und das Leben im Alltag.