Die Bibel-Bilder des Vorfahren
12.09.2025 Lausen, BaselChristoph Ramstein stellt im Münster Illustrationen des Künstlers Matthäus Merian vor
Christoph Ramstein schliesst seine Forschungen über die berühmten Bibelstiche von Matthäus Merian mit einer Ausstellung im Basler Münster ab. Der 63-jährige ...
Christoph Ramstein stellt im Münster Illustrationen des Künstlers Matthäus Merian vor
Christoph Ramstein schliesst seine Forschungen über die berühmten Bibelstiche von Matthäus Merian mit einer Ausstellung im Basler Münster ab. Der 63-jährige Pfarrer aus Lausen hat nicht nur den Anstoss zu diesem Anlass gegeben, die gezeigten Werke seines berühmten Vorfahren stammen auch aus seiner Sammlung.
Jürg Gohl
Erst kürzlich geschah es wieder: Christoph Ramstein las zuhause in Lausen im aktuellen «Spiegel»-Sonderheft «Geschichte» einen Beitrag zum Thema psychische Erkrankungen. Da blieb sein Blick an einer an sich belanglosen Illustration hängen, die ein Weihwassergefäss aus dem 17. Jahrhundert zeigt. «Eindeutig», sagt er sich, «der sinkende Petrus von Matthäus Merian.» In seinem Nachschlagwerk findet er auf Seite 45 die Bestätigung: Der unbekannte Schöpfer des Bechers hat sich also beim Basler Kupferstecher bedient.
Regelmässig trifft er auf Darstellungen biblischer Motive, bei denen Matthäus Merians Werke unübersehbar als Vorlage dienten; auf niederländischen Wandkacheln, Emporengemälden in deutschen und skandinavischen Kirchen, selbst auf jüdischen Besamimtürmen, auf Pillen- und sogar Tabakdosen, an St. Galler Haus-Erkern und Toggenburger Bauernmöbeln. «Selbst auf einem Schrank in Kapstadt und einem Chorgestühl im Augustinerkloster in Mexiko-City», erklärt Ramstein. «Er war ein Star seiner Zeit», schreiben die Veranstalter der grossen Merian-Ausstellung im Basler Münster, die heute Freitag beginnt.
Das Kopieren sei nichts Verwerfliches gewesen, sondern in der Absicht des Basler Künstlers gelegen, anderen eine Vorlage zu liefern. Schliesslich war damals – der Basler Matthäus Merian lebte von 1593 bis 1650 – der grosse Teil der Bevölkerung nicht in der Lage, die Bibel selber zu lesen. Merians Kupferstiche halfen, die Geschichten zu verstehen. Seit der Reformation sind Bilder, die der Heiligenverehrung dienen, auf protestantischer Seite zwar verpönt, als Illustration aber waren sie geschätzt.
Bis heute bekannt ist Merian der Ältere vor allem für seine landschaftlichen Darstellungen, Städteansichten und Karten. So stammt auch der schönste Stadtplan von Basel aus dem Jahr 1615 von ihm. Sein Hauptwerk trägt den lateinischen Titel Topographia Germaniae, das als eines der bedeutendsten Werke der geografischen Illustration betrachtet wird. Daneben aber befasste er sich mit dem Glauben und der Bibel.
Dass sich Pfarrer Christoph Ramstein mit den Darstellungen mit dem Namen «Icones Biblicae» befasst und unbestrittener Experte ist, liegt indes nicht alleine am Thema. Das Interesse hängt auch eng mit seiner Familiengeschichte zusammen. Seine Mutter war eine geborene Merian. Der Künstler ist kein direkter Vorfahre, aber Merians Name stehe im Stammbaum der berühmten Basler Familie gleich neben dem Ast, der zu Christoph Ramstein führt. Ramstein arbeitete 20 Jahre lang in seiner Wohngemeinde Lausen als Pfarrer und zuletzt in Basel als Geschäftsführer der Evangelischen Stadtmission Basel, die sein Merian-Projekt von Anfang an unterstützte.
233 Illustrationen zu sehen
Die Ausstellung in Basel setzt sich aus Ramsteins Sammlung zusammen. Sie widmet sich erstmals überhaupt diesen 233 Bibelillustrationen aus dem Alten und Neuen Testament. Sie seien «detailsatt und dramatisch», werden sie von den Veranstaltern beschrieben, die jetzt im Basler Münster Ramsteins langjähriges Vorhaben umsetzen.
Die Ausstellung wurde von der Kulturagentur Storie umgesetzt und kuratiert von der Literaturwissenschafterin Barbara Piatti und dem Historiker Gabriel Schaffter. Sie ist in zehn thematische Bereiche gegliedert und mit zeitgemässen Installationen – etwa einer KI-Station – ergänzt. Für den Anlass stehen der Konzilsaal und die Alte Sakristei offen, die normalerweise für Publikum nicht zugänglich sind. Zu sehen sind kostbare Originalobjekte, aber auch verschiedenste Alltagsgegenstände, die mit Motiven des Künstlers verziert sind. Ergänzt wird die Ausstellung mit verschiedenen Rahmenveranstaltungen.
Als museal lässt sich der Umgang von Christoph Ramstein mit seinen Objekten nicht bezeichnen. Als einzigartige Attraktion wird eine Kupferdruckerin in der Ausstellung mit einer Original-Kupferplatte von Merian Bilder herstellen. Das wäre für ein Museum aus konservatorischen Gründen gar nicht möglich. Dies geht auf einen Versuch mit Merians Kupferplatte «Jakob und Esau: das Linsengericht» zurück, mit der 2021 im Basler Papiermuseum erstmals seit Jahrhunderten wieder gedruckt wurde. Das Ergebnis, bekräftigt er, sei wegen der professionell erfolgten Reinigung verblüffend gewesen – besser und kräftiger als in vielen Meriandrucken.
Der andere Merian
jg. Christoph Ramstein hat bereits mit einem anderen, noch berühmteren Merian für Aufsehen gesorgt. Das war 1994 bei einem Familienbesuch in seiner Pfarrgemeinde in Lausen. Als man im Gespräch zufällig auf seine Mutter, eine ledige Merian, zu sprechen kam, sagte die Frau, dass sie und ihr Mann «noch etwas von einem reichen Basler» besässen. Und so lag beim nächsten Besuch eine grüne Mappe auf dem Tisch, die das Paar feierlich öffnete. Zum Vorschein kam zuerst ein Geschäftsabschluss von Christoph Merians Frau, sodann der Ehevertrag und dann das berühmte Testament von Christoph Merian, von dem bis dahin nur Abschriften existierten. Fachleute bestätigten die Echtheit. Mit Vornamensvetter Merian ist Christoph Ramstein – im Gegensatz zum Kupferstecher – nur am Rand verwandt. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Christoph Merian, der reichste Schweizer seiner Zeit, war mit der Industriellentochter Margaretha Burckhardt verheiratet. Er war fromm, half Bedürftigen und finanzierte soziale Einrichtungen. Da das Ehepaar kinderlos blieb, vermachte es Grundbesitz und Vermögen seiner «lieben Vaterstadt Basel». Daraus entstand 1857 die Christoph-Merian-Stiftung.