Die «alti Chesi» wird zum Treffpunkt
08.12.2023 RothenfluhPrivate haben das Gebäude erworben und stellen es als Vereins- und Eventlokal zur Verfügung
Die «Chesi» ist mit ihrem auffallenden Dach eine der markantesten Bauten in Rothenfluh. Um das Gebäude vor dem Abriss zu bewahren, haben es Anita und Fredy Lanz gekauft und ...
Private haben das Gebäude erworben und stellen es als Vereins- und Eventlokal zur Verfügung
Die «Chesi» ist mit ihrem auffallenden Dach eine der markantesten Bauten in Rothenfluh. Um das Gebäude vor dem Abriss zu bewahren, haben es Anita und Fredy Lanz gekauft und zu einem Treffpunkt für Vereine und zum Veranstaltungslokal umfunktioniert.
Christian Horisberger
Ein bisschen erinnert das jüngste Kapitel der Geschichte der Rothenflüher «Chesi» an jene des Gelterkinder Marabu: Da ist ein prominentes Lokal, das seine besten Jahre hinter sich hat, und es besteht der allgemeine Wille, es zu erhalten. In Gelterkinden traten die Gemeinde und der Kanton als grosszügige Geldgeber auf und retteten damit den Kulturbetrieb. In Rothenfluh waren es Private, die Geld und Arbeit investierten, um die Liegenschaft zu erhalten und weiter nutzen zu können: Fredy und Anita Lanz haben zusammen mit ihrer Tochter Andrea während der vergangenen acht Monate aus dem früheren Dorfladen ein Vereins- und Veranstaltungslokal gemacht.
Wir treffen das Ehepaar einige Tage vor der offiziellen Eröffnung des Treffpunkts, die am kommenden Sonntag mit dem Erleuchten des 10. Rothenflüher Adventsfensters vollzogen wird. Am Vorabend wurde der neue Boden fertig verlegt. Heute gilt es, Tische, Stühle, Bänke, Regale, Vitrinen, Schränke, Sofas und Eckbänke zu arrangieren, damit die Räumlichkeiten am 2. Advent einladend und wohnlich wirken.
Fredy (76 Jahre) und Anita Lanz (77) strotzen vor Energie, und sie haben in den vergangenen Monaten sehr viel Zeit in der «Chesi» verbracht. Doch sie kennen ihre Grenzen. Wenn es Schweres zu heben oder zu verrücken gilt wie heute, oder wenn handwerkliches Können gefragt ist, nehmen sie gerne Hilfe in Anspruch. «Ohne Unterstützung wäre das hier niemals möglich gewesen», sagt Fredy Lanz: Beim Isolieren, dem Täfern oder Verputzen der Wände und beim Verlegen des Laminats hätten etliche Freiwillige, vor allem vom Turnverein, kostbare Arbeit geleistet. So könnten die Umbaukosten mit voraussichtlich rund 80 000 Franken tief gehalten werden. Für gewisse Arbeiten, unter anderem für die noch ausstehende Installation der Wärmepumpe und einer neuen WC-Anlage, müssen allerdings Profis ans Werk.
Wertvolle Hilfe
Grosse Unterstützung erfährt die «Chesi» auch bei der Einrichtung. All die Teller, Töpfe und Möbel, die darauf warten, ihr endgültiges Plätzchen zu erhalten, konnten entweder für ein Taschengeld gekauft werden oder sie wurden gespendet, sagt Fredy Lanz. Dafür ist er sehr dankbar, und er hofft, dass es im Dorf noch den einen oder anderen ungenutzten Holzstuhl gibt, der im Treffpunkt von grossem Nutzen wäre. Auch für weitere Kaffeetassen wäre er dankbar …
Bei unserem Rundgang zeigt Lanz auf einen Tisch. Dieser stamme aus dem Haus des verstorbenen Rothenflüher Ehrenpräsidenten Oskar Rieder; vor etwa 60 Jahren hätten die Gemeinderäte daran die Dorfgeschäfte verhandelt. Fast zu jedem Stück weiss er eine Geschichte zu erzählen. Es sind Zeugen der Vergangenheit des Dorfs und dessen Einwohner. Dinge, welche die Identität Rothenfluhs ausmachen. Dieser Raum soll ein Stück Dorf sein.
Dies ist auch das Motiv für das Engagement von Fredy und Anita Lanz. Als der frühere Bankangestellte und Gemeinderat und die Heilpraktikerin der Milchgenossenschaft ein Kaufangebot für die «Chesi» über eine Viertelmillion Franken unterbreiteten, stand ihr Konzept im Groben schon fest. Das «einzigartige und bezaubernde» Gebäude sollte keinesfalls für eine Überbauung abgerissen werden. Stattdessen wollten sie es innen sanieren und der Bevölkerung zur Nutzung überlassen. Äusserlich sollte der markante Bau von 1916 (siehe Kasten) nicht angetastet werden. Das überzeugte die Mitglieder der Milchgenossenschaft: Das Ehepaar erhielt den Zuschlag. Auch den Genossenschaftern war klar: Im Dorf sind geeignete Lokalitäten rar, wo Vereine und Kommissionen ihre Sitzungen abhalten oder nach getaner «Arbeit» zusammensitzen und etwas trinken können.
Feste, Kultur, Treffen
Auch kleinere Festivitäten – ob im privaten oder öffentlichen Kreis – und Kulturelles sollen im neuen Treffpunkt einen Platz finden. Anita Lanz möchte regelmässig zu Veranstaltungen wie Lesungen, Referaten, Konzerten oder Ähnlichem einladen und freue sich hierzu auf Ideen und Unterstützung aus dem Dorf, wie sie sagt. Zudem könne sie sich in der «Chesi» Spielnachmittage, ein Kaffeekränzchen, ein «Frauezmorge» oder gelegentliche Kinderhütetage vorstellen.
Die Ausstattung und Raumaufteilung lässt vieles zu: Im grössten Raum gleich hinter dem Schaufenster und früheren Ladeneingang kann problemlos für gut 40 Personen aufgetischt werden. Mit Konzertbestuhlung ist Platz für 60 bis 70 Gäste. Im hinteren Bereich des Erdgeschosses befinden sich Nischen mit Sofas oder Tischen und Stühlen. Und dort, wo die Rothenflüherinnen einst in gemieteten Abteilen ihr Gemüse und Fleisch tiefgekühlt haben, befindet sich jetzt die voll ausgestattete Küche, die eine Familie aus dem Dorf dem Vereinsraum günstig überlassen hat. Der Kaffeevollautomat im saalähnlichen Hauptraum wird bereits rege genutzt, der Getränke-Kühlschrank ist installiert und wird bis am Sonntagabend sicherlich aufgefüllt sein.
Geringer Aufwand, tiefe Miete
Das Nutzungskonzept für die «alte Chesi» ist einfach. Das Lokal kann von allen interessierten Vereinen, Gruppierungen oder Privaten nach vorgegebenem Tarif gemietet werden. Für konsumierte Getränke steht ein «Kässeli» bereit, man verlässt die Lokalität so, wie man sie angetroffen hat. Auf diese Weise könne die Einrichtung mit vertretbarem Aufwand betrieben und vor allem günstig vermietet werden, sagt Fredy Lanz: «Gewinn wollen wir keinen machen, lediglich kostendeckend soll es sein.»
Eine Geschichte für sich ist das riesige Dachgeschoss. Es bietet weiteren Raum für allerlei Veranstaltungen und eignet sich vorzüglich als Ausstellungsfläche für historische Stücke, die nach und nach bei der Familie Lanz abgeliefert werden. Und der Platz hinter dem Haus eigne sich vorzüglich für Feste im Freien, die Sitzgarnitur und ein Grill warten bereits auf ihren Einsatz. Fredy Lanz sprudelt vor Ideen und muss sich selber bremsen: «Zuerst wollen wir das neue Lokal am Sonntag offiziell eröffnen …»
Gemeindehaus und Dorfladen mit dem Prädikat «kommunal zu schützen»
vs. Die «Chesi» hat schon viel erlebt: Erbaut wurde sie im Jahr 1916 als Gemeindehaus. Nach dem Verkauf an die Milchgenossenschaft wurde Milch angenommen und Apfelmost gepresst, ausserdem wurden Käse und andere Lebensmittel verkauft. Vorübergehend bot das Gebäude Wohnraum und im Estrich wurde an Dorffesten zünftig gefeiert.
Laut Bauinventar des Kantons Baselland (BIB) ist das Gebäude «kommunal zu schützen». Das BIB hält zur «Chesi» fest: «Das ehemalige Gemeindehaus (der heutige Dorfladen) ist ein Solitärbau im Heimatstil, der zwischen Bauernhäusern im Dorfkern liegt. Ursprünglich wurde das Gebäude als Gemeindehaus erbaut. Im Jahr 1959 übernahm die Milchgenossenschaft den Bau und baute ihn zur ‹neuen Chesi› um. Der Umbau von 1960 erfolgte rücksichtsvoll: Das hohe, abgewalmte Satteldach, Fenster und Dachöffnungen blieben erhalten.» Da lediglich eine Schutzempfehlung vorliegt, konnte der Innenausbau ohne die kantonale Denkmalpflege vollzogen werden. Dies war für Anita und Fredy Lanz beim Kauf des Hauses entscheidend. «Hätte es unter Schutz gestanden, wären uns beim Innenausbau die Hände gebunden gewesen.»