«Die 13. AHV-Altersrente ist eine Black Box»
09.02.2024 SissachEin Podiumsgespräch rollte das Thema kritisch auf
Unter der Leitung von Toni Carrese diskutierten Nationalrätin Samira Marti (SP), Landrat Hannes Hänggi («Die Mitte») und Justin Gauch (Jungfreisinnige) über die Einführung einer 13. AHV-Rente. Das ...
Ein Podiumsgespräch rollte das Thema kritisch auf
Unter der Leitung von Toni Carrese diskutierten Nationalrätin Samira Marti (SP), Landrat Hannes Hänggi («Die Mitte») und Justin Gauch (Jungfreisinnige) über die Einführung einer 13. AHV-Rente. Das Publikum machte sich nach einer Abstimmung mehrheitlich für die zusätzliche Rente stark.
Paul Aenishänslin
Nach der Begrüssung durch Toni Carrese («Die Mitte», Niederdorf), der sich gleich zu Beginn als Befürworter der 13. AHV-Altersrente zu erkennen gab, durfte SP-Nationalrätin Samira Marti (30, Ziefen/ Binningen) als Erste Stellung beziehen. Sie tat dies zugunsten der Gewährung einer zusätzlichen AHV-Rente. Marti erinnerte daran, dass die Bundesverfassung vorschreibe, die AHV-Rente solle das Existenzminimum im Alter gewährleisten. Dies sei heute angesichts der starken Teuerung in allen Bereichen nicht mehr der Fall. «Darum ist die Einführung einer 13. AHV-Altersrente notwendig», sagt sie.
Im Durchschnitt betrage die AHV-Rente für Frauen aktuell 1900 Franken und 1800 Franken für Männer, was zum Leben nicht ausreichend ist, wie Marti weiter ausführt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Bezug von Ergänzungsleistungen zur AHV an restriktive Bedingungen geknüpft sei und der Bundesrat deren Gesamtsumme per 1. Januar 2024 um 400 Millionen gekürzt habe. Noch ein Grund mehr, dass die Einführung einer 13. AHV-Rente vordringlich sei.
Landrat Hannes Hänggi («Die Mitte», Schönenbuch) war anderer Meinung. Er ist klar gegen die Einführung einer 13. AHV-Rente. Er erinnerte zunächst daran, dass die AHV für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und das Zusammenleben in unserem Land eine wichtige Grundlage darstelle. Das Vertrauen in die AHV als Institution müsse weiterhin gewährleistet bleiben. Nun sei es aber so, dass die vorgeschlagene 13. AHV-Rente eine Erhöhung der AHV-Bezüge um 8,3 Prozent darstelle, was 4 bis 5 Milliarden Franken im Jahr mehr kosten würde, ohne dass deren Finanzierung gesichert sei. Es handle sich um eine «Black Box». Woher das Geld dafür komme, sei völlig offen. Bevor eine 13. AHV-Rente eingeführt wird, müsste deren Finanzierung sichergestellt werden.
Finanzdefizit von 130 Milliarden
Justin Gauch (22, Therwil) erinnerte zuerst daran, dass die AHV einen Generationenvertrag darstelle, der mit der Einführung einer 13. Altersrente bei der AHV zuungunsten der Jüngeren verändert werde. Auch ohne die 13. Rente droht der AHV im Jahr 2050 ein Finanzierungsdefizit von 130 Milliarden Franken. Statt die 13. AHV-Rente wäre es viel klüger, am 3. März die Renteninitiative der Jungfreisinnigen zu unterstützen, die eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters vorsehe, angesichts der weiter steigenden Lebenserwartung, wie das schon andere europäische Länder kennen.
Nach diesen drei einleitenden Voten aus dem Podium kam es zur eigentlichen Diskussion, in die das anwesende Publikum auch einbezogen wurde. Der Gesprächsleiter Toni Carrese nahm daran auch sehr aktiv teil. Er erinnerte unter anderem daran, dass heute in Sissach das Existenzminimum 44 000 Franken pro Jahr betrage, also weit mehr, als die AHV leisten würde. Dies führte zu einer Wortmeldung eines Zuhörers, der feststellte, dass wir in der Schweiz das 3-Säulen-Prinzip kennen (AHV, Pensionskasse und private Vorsorge), also die AHV keineswegs allein für ein gesichertes Leben im Alter zuständig sei.
Allerdings bestehe eine Zweiklassengesellschaft mit Luxus-Pensionskassen, wie die der öffentlichen Verwaltung, der Banken und der Chemie/ Pharma. Das Gewerbe und die Landwirtschaft hätten dabei bescheidenere Vorsorgewerke. Auch seien die Bauern weitgehend vom Bezug der Ergänzungsleistungen ausgeschlossen, falls sie ihren Hof besitzen.
Samira Marti machte ihrerseits geltend, dass die Finanzierung der AHV eine höchst komplexe Sache sei. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass mit steigender Produktivität der Wirtschaft die Lohnsumme, die für die Zahlungen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an die AHV massgebend sei, in Zukunft überproportional zunehmen werde. «Damit wird auch die Finanzierung der 13. AHV-Altersrente sichergestellt», sagte die Nationalrätin. Alle bisherigen AHV-Untergangsszenarien hätten sich als falsch erwiesen. Darum sei auch die Sorge übertrieben, dass die 13. AHV-Rente nicht finanzierbar sei.
Weiter wurde festgestellt, dass 80 Prozent der heutigen AHV-Bezüger eine 13. AHV-Rente nicht benötigen. Dies führte zu Plädoyers von Hannes Hänggi und Justin Gauch. Sie forderten eine Erhöhung der AHV-Minimalrente und dass der Bezug der Ergänzungsleistungen erleichtert werden sollte. Die 13. AHV-Rente,welche die meisten Rentnerinnen und Rentner gar nicht nötig haben, im Giesskannenprinzip auszuschütten, sei unnötig.
Von Justin Gauch war auch zu vernehmen, dass im Jahr 2050 die Zahl der Erwerbstätigen von 5,3 Millionen (2021) auf 5,8 Millionen zunehmen werde. Auch die Zahl der Rentenbezüger werde von heute 1,7 Millionen auf 2,7 Millionen klettern, was die Last der Finanzierung der AHV auf die erwerbstätige Bevölkerung stark erhöhen werde. Allgemein wurde auch festgestellt, dass die AHV künftig das Existenzminimum noch weniger werde sicherstellen können.
Am Schluss dieser Podiumsveranstaltung machte der Gesprächsleiter eine kleine Umfrage darüber, wer im Publikum für oder gegen die Einführung einer 13. AHV-Rente sei. Etwa 60 Prozent sprachen sich dafür aus, 40 Prozent dagegen – mit einigen Enthaltungen.