Der Weg zurück zwischen zwei Buchdeckeln
03.05.2024 AnwilPatrick Moser erlitt im Alter von 47 Jahren einen Hirnschlag
Ein Hirnschlag vor zwei Jahren hat Patrick Mosers Leben auf den Kopf gestellt. Der Primarlehrer, Familienvater und frühere Journalist musste einen langen Weg zurück in den Alltag bestreiten – der noch nicht zu ...
Patrick Moser erlitt im Alter von 47 Jahren einen Hirnschlag
Ein Hirnschlag vor zwei Jahren hat Patrick Mosers Leben auf den Kopf gestellt. Der Primarlehrer, Familienvater und frühere Journalist musste einen langen Weg zurück in den Alltag bestreiten – der noch nicht zu Ende ist. Die persönliche Geschichte hat er nun im Buch «Absturz auf dem Wallenberg» publiziert.
Severin Furter
Der 11. April 2022 teilt Patrick Mosers Leben in ein Vorher und ein Nachher. An diesem Tag im Frühling vor zwei Jahren veränderte sich beim damals 47-Jährigen alles von der einen auf die andere Minute – oder wie er selbst sagt: «Aus heiterem Himmel.» Nach wochenlangen Nackenschmerzen erlitt Moser einen Hirnschlag. Mit den üblichen medizinischen Parametern war der Schlaganfall nicht zu erklären: «Ich war gesund, schlank, immer in Bewegung, viel an der frischen Luft, habe mich gesund ernährt, nahm keine Drogen, rauchte kaum mehr.»
Als Erklärung kam höchstens Stress infrage. «Ich habe die vergangenen Jahre viel gearbeitet, die Work-Life-Balance hat wohl nicht immer gestimmt», sagt Moser, der mit seiner Frau und seinen vier Söhnen in Anwil lebt. Doch dieses Argument war nur schwer akzeptabel. Mit Herzblut und viel Engagement hat er sich vor etwas mehr als zehn Jahren zum Primarlehrer umschulen lassen, nachdem er lange Zeit als Journalist und Redaktor, auch bei der «Volksstimme», tätig gewesen war. Mit dem Job als Lehrer hat er seine neue Berufung gefunden. Und diese vom einen auf den anderen Moment aufgeben müssen – zumindest vorübergehend.
Zwei Wochen lag Moser im April 2022 im Spital, es folgte ein sechswöchiger Aufenthalt in der Rehaklinik: Er musste lernen, wieder zu laufen, sah auf dem linken Auge alles doppelt, konnte kaum sprechen, seine linke Körperhälfte war leicht gelähmt, seine rechte unempfindlich. Auch sein Schluckmechanismus versagte. «Du bist dieser Situation völlig ausgeliefert», sagt Moser. Er sei den Ärzten, Therapeuten und seinem Umfeld dankbar für die Unterstützung in dieser Zeit. Für ihn ist klar: «Dieses Erlebnis hat mich viel gelehrt und mich demütig gemacht.»
Herausfordernde «Babysteps»
Patrick Moser gab nicht auf. Mit dem Schicksal zu hadern, bringe nichts: «Ich habe versucht, immer das Positive zu sehen. Etwas, das ich früher nicht schaffte.» Für jeden Schritt zurück ins Leben war er dankbar, war dieser auch noch so klein.
Von «Babysteps» schreibt Moser dann auch in seinem Buch «Absturz auf dem Wallenberg» – seiner persönlichen Geschichte rund um den Schlaganfall und die Zeit danach. «Ich habe gemerkt, dass ich für mich eine Auslegeordnung machen muss, um besser zu verstehen, was passiert ist», benennt Moser den Auslöser für das Buch. «Absturz auf dem Wallenberg» liest sich denn auch wie eine Reportage – gespickt mit viel Humor und Ironie zwischen den Zeilen. Moser beschreibt darin seinen Weg zurück ins Leben, von Alltagsmomenten und Lernerfolgen in der Klinik, aber auch von den medizinischen Ursachen und Folgen seines Hirnschlags.
Darum auch der Titel des Buches. Dieser ist vom sogenannten Wallenberg-Syndrom abgeleitet. Dieses kann bei einer Schädigung des Hirnstamms auftreten und Symptome wie Schwindel, Sehstörungen, Instabilität beim Gehen und vieles mehr auslösen. Und ein Hirnstamminfarkt kann tödlich enden – so wie es bei Moser auch beinahe der Fall gewesen ist.
«Ich habe das Buch für mich selbst und mein Umfeld geschrieben», sagt Moser. Rund ein Jahr lang hat er daran gearbeitet, verreiste zweimal allein in die Ferien, um zu schreiben. 100 Exemplare hat er vom Buch drucken lassen, die ersten 50 waren im Nu weg.
Erschöpfung, die nicht vergeht
Das Buch ist jedoch nicht der Abschluss von Mosers Geschichte. Denn die Folgen des «Tag X» spürt der 49-Jährige täglich. Auch zwei Jahre nach dem Hirnschlag ist Moser erst zu 40 Prozent wieder arbeitsfähig, ein Vollzeitpensum als Lehrer ist undenkbar. Von seiner Krankheit ist ihm heute auf den ersten Blick zwar nichts mehr anzusehen. Gehstöcke zum Spazieren – oder wie zu Beginn sogar einen Rollstuhl – braucht er längst nicht mehr. Die Einschränkungen sind jedoch omnipräsent: «Mein Akku ist halbiert – er wird nur noch halb voll, ist schnell leer und lädt nur sehr langsam wieder auf.» Moser leidet an sogenannter «Post-Stroke-Fatigue», einer Erschöpfung, die auch mit ausreichend Schlaf nicht vergeht und sich typischerweise bei Schlaganfall-Patienten einnistet.
Logopädie besucht Patrick Moser noch heute. Mit dem Ziel, irgendwann einmal wieder singen zu können wie früher. Er, der mit einem Freund zusammen 13 Jahre wöchentlich im Bandraum stand. «Musik und Singen war mein psychologisches Ventil», sagt Moser.
«Grundsätzlich funktioniere ich wieder», sagt Moser. Aber eben nur grundsätzlich. Konnte er früher mit seinem Hund stundenlange Wanderungen unternehmen, ist dies heute unmöglich: «Ein einstündiger Spaziergang und die Hälfte meiner Tagesenergie ist aufgebraucht», sagt er. Dies zu akzeptieren, falle manchmal schwer. Doch heute könne er besser innehalten und den Tag geniessen – «carpe diem». Stets mit dem Blick nach vorne: «Habe ich irgendwann wieder mehr Energie, bin ich der Erste, der sich darüber freut.»
Das Buch «Absturz auf dem Wallenberg» ist direkt beim Autor Patrick Moser erhältlich: wallenberg@gmx.ch