Der «Taktstock» ist jung und weiblich
29.11.2024 SissachMaria Zumbrunn schreibt Vereinsgeschichte als erste Dirigentin
In Sissach, wo sie einst zum Musizieren gefunden hat, wird die junge Maria Zumbrunn (26) aus Wittinsburg morgen Samstag erstmals den örtlichen Musikverein dirigieren. Sie ist damit zugleich die erste Frau, die in der 145 ...
Maria Zumbrunn schreibt Vereinsgeschichte als erste Dirigentin
In Sissach, wo sie einst zum Musizieren gefunden hat, wird die junge Maria Zumbrunn (26) aus Wittinsburg morgen Samstag erstmals den örtlichen Musikverein dirigieren. Sie ist damit zugleich die erste Frau, die in der 145 Jahre umfassenden Vereinsgeschichte den Taktstock führt.
Jürg Gohl
«Majestic Entrance» heisst das erste Stück. Komponiert hat es der Belgier Bert Appermont vor einem halben Jahrhundert, und es vereint Fanfare, melodiöse Passagen und einen Hauch «Indiana Jones». Dass dem «majestätischen Auftakt», mit dem morgen Samstagabend der Musikverein Sissach in der Bützenenhalle sein Jahreskonzert eröffnet, auch Symbolisches anhaftet, liegt nicht in der Absicht der Musikkommission. Sie wählt jeweils die Stücke aus, stellt mit ihnen das Programm zusammen – dieses Mal stösst der Verein musikalisch in «galaktische Sphären» vor.
Ansonsten könnte die Eröffnungsmusik – übrigens geschrieben für den Musikverein Muttenz – auch als Willkommensbotschaft an die neue Dirigentin des MV Sissach verstanden werden: Bei ihm wird morgen Maria Zumbrunn aus Wittinsburg ihren Einstand am Pult geben. Damit ist sie nach ihren insgesamt 16 Vorgängern in der 145 Jahre umfassenden Vereinsgeschichte die erste Dirigentin und mit 26 Lebensjahren zugleich wohl auch die jüngste.
Für sie bedeutet es aber nichts Besonderes, morgen als erste Frau am Dirigentenpult stehen und damit in die Vereinsgeschichte einzugehen: «Das spielt doch heute keine Rolle mehr.»
Sie löst Thierry Rau ab, den es nach drei Jahren weiterzieht. Wie sie, stammt er ebenfalls aus dem Oberbaselbiet und war bei seinem Antritt vor drei Jahren nur unwesentlich älter. Wie sie, begann er seine musikalische Laufbahn hier. Er beim MV Sissach, sie als junge Frau beim ebenfalls renommierten MV Buckten, für den sie noch heute spielt.
Anfang in «Future Band»
Genau genommen hat für sie alles bei der «Future Band» Wisenberg begonnen. Dort spielte sie Kornett und lernte für sich zusätzlich, Trompete zu spielen. Die Oberbaselbieter Talentschmiede dirigiert sie inzwischen gemeinsam mit Matthias Strub aus Thürnen selber. «Es packte mich damals sogleich. Ich realisierte dort, dass dies meine Leidenschaft ist und meine berufliche Zukunft sein könnte», sagt Maria Zumbrunn.
Tatsächlich konnte sie dank der Talentförderung Baselland ihre Pläne verwirklichen. Nach der Matur mit dem Schwerpunkt Musik studierte sie an der Hochschule der Künste in Bern und bildete sich zur Dirigentin weiter. Neben der «Future Band» führt sie auch beim Blasmusikensemble Läufelfingen – die Nachfolgeformation des Musikvereins Läufelfingen – den Taktstock.
Und nun also auch in Sissach. Als dort eine Nachfolge für Thierry Rau gesucht wurde, was ihr in der Szene schnell zu Ohren kam, schickte sie ihre Bewerbung nach 4450 Sissach. Darauf konnte sie sich dort vorstellen und ein Probedirigat absolvieren. Wie viele Konkurrenten sie dabei hinter sich liess, weiss sie nicht. «Aber der Musikverein verfügt über einen ausgezeichneten Namen, und Sissach ist auch ideal gelegen», sagt Zumbrunn, die auch als Musiklehrerin arbeitet, «das Interesse an Thierry Raus Nachfolge dürfte also gross gewesen sein.»
Eigene Rolle relativiert
Nicht nur Klarinettist Ernst Sutter, der seit 60 Jahren beim MVS spielt, sondern die meisten Musiker sind spürbar älter als sie. Sie befürchtet aber nicht, dass ihre Jugend zum Problem werden könnte. «Das Alter macht keinen Unterschied», sagt sie, «entscheidend sind die Freude und der Wille, gemeinsam zu musizieren.»
Als Dirigentin ist sie fachlich sehr gefordert: Sie muss die Partituren auswendig kennen, Tempo und Lautstärke vorgeben, die einzelnen Register anweisen und immer konzentriert sein. Nicht minder herausfordernd ist das Verhalten gegenüber dem Orchester: «Da kommen die Leute nach einem strengen Tag im Beruf in die Probe. Sie spielen nicht alle auf dem gleichen Niveau», gibt sie Einblick in den Probealltag, «wann darf ich fordern, wann loben? Wann lasse ich eine Stelle ein zweites oder drittes Mal wiederholen?» Drei Eigenschaften sollen ihr Wirken am Dirigentenpult prägen: immer ruhig, sachlich und freundlich bleiben.
Und sie überschätze die eigene Rolle nicht, merkt Zumbrunn noch an. Entscheidender sei die Freude, das «Zämme» und der gemeinsame Weg. Sie relativiert deshalb ihre Rolle: «Kein Dirigent und keine Dirigentin hat je alleine Musik gemacht.»