Der Steuerstaat
21.12.2023 PolitikIm Kanton Aargau fordert ein Grünen-Grossrat eine Katzensteuer von 120 Franken pro Jahr. Er begründet seine Forderung mit der fiskalischen Ungleichbehandlung von Katzen und Hunden sowie mit Umweltschäden, weil Katzen zahlreiche Vögel und Reptilien vertilgen. Das ...
Im Kanton Aargau fordert ein Grünen-Grossrat eine Katzensteuer von 120 Franken pro Jahr. Er begründet seine Forderung mit der fiskalischen Ungleichbehandlung von Katzen und Hunden sowie mit Umweltschäden, weil Katzen zahlreiche Vögel und Reptilien vertilgen. Das schwäche die Biodiversität. Der besagte Grossrat anerkennt allerdings, dass Katzen auch eine soziale Funktion ausüben, indem sie der Vereinsamung von Menschen entgegenwirken.
Der Kantonalpolitiker spricht die Internalisierung externer Kosten an: Kosten umweltschädlichen Verhaltens, die von der Allgemeinheit getragen werden, sollen den Verursachern auferlegt werden (Verursacherprinzip). Das ist ein vertretbares Anliegen. Katzen reduzieren nicht nur die Artenvielfalt, sie ärgern oft auch Nichtkatzenhalter, weil sie sich nicht an Grundstücksgrenzen halten und Gärten sowie Kinderspielplätze in einer Art und Weise verschmutzen, die nicht überall auf geteilte Freude stösst.
Katzen sind aber nicht die Einzigen, deren Verbreitung, insbesondere in Wäl- dern, der Biodiversität schadet. Auch die wachsende Schar der Biker, die im Wald herumkurvt, bedrängt Wildtiere und Brutplätze und kann den Fortbestand von Arten beeinträchtigen. Wenn Katzen besteuern, dann also auch das Radfahren im Wald? Wer so argumentiert, erschliesst dem Staat eine unendliche Zahl an Gründen, Steuern zu erheben. Der Staat wird zum Steuerstaat. Der Steuerstaat verfolgt zwei Ziele: Erstens zwingt er den Bürgerinnen und Bürgern ein ihm genehmes Verhalten auf, zweitens kassiert er.
Was wäre sinnvoll? Zu favorisieren sind Lenkungsabgaben. Im «Katzenbeispiel» würde das heissen, analog zur CO2-Abgabe: Katzenhalter zahlen, wer auf eine Katze verzichtet, erhält Geld. Das wäre staatsquotenneutral. Aber ein solches Bonus-Malus-System wäre wohl zu aufwendig und abwicklungsökonomisch schwer zu vertreten. Es ergäbe nur Sinn, wenn die Steuer deutlich höher als 120 Franken wäre. Aber in diesem Fall wäre die Höhe der Katzensteuer im Vergleich zu anderen Steuern wiederum unverhältnismässig.
Am Abstimmungssonntag vom 19. November hat eine Mehrheit des Baselbieter Stimmvolks der Einführung einer kantonalen Deponieabgabe zugestimmt. Sie ist von jenen zu bezahlen, die auf den Deponien im Kanton Material anliefern. Die Einnahmen werden dem Staatshaushalt zugeführt und dienen dort der Kompensation von zuvor – aus Steuereinnahmen getätigten – Rückstellungen von 150 Millionen Franken zur Finanzierung von Altlastensanierungen. Ursprünglich war die Baselbieter Deponieabgabe als Lenkungsabgabe vorgesehen. Sie wäre damit bei jenen erhoben worden, die den Deponien Material zuführen und der generierte Ertrag wäre jenen vergütet worden, die die Deponien nicht beanspruchen. Denn mit Lenkungsabgaben soll nach dem Grundsatz des Bonus-Malus-Modells unsere Verhaltensweise bestraft beziehungsweise belohnt werden. Wer eine spezifische Belastung verursacht, bezahlt, und wer auf die Verursachung der gleichen Belastung verzichtet, erhält demgegenüber eine Vergütung. Was das Baselbieter Stimmvolk vor nun rund einem Monat gutgeheissen hat, ist also bei Lichte besehen nichts anderes als eine neue, zusätzliche Steuerabgabe – und die Deponieabgabe ein weiterer Schritt in Richtung Steuerstaat.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.