Der Elefant im Raum
09.12.2025 OrmalingenPodiumsdiskussion im Zentrum Ergolz
Wer betreut unsere kranken Hochaltrigen in zehn Jahren? Dass diese Frage die Menschen umtreibt, zeigte der voll besetzte Veranstaltungssaal. Die Antworten des hochkarätig besetzten Podiums, unter anderem mit Regierungsrat Thomi Jourdan, boten eine ...
Podiumsdiskussion im Zentrum Ergolz
Wer betreut unsere kranken Hochaltrigen in zehn Jahren? Dass diese Frage die Menschen umtreibt, zeigte der voll besetzte Veranstaltungssaal. Die Antworten des hochkarätig besetzten Podiums, unter anderem mit Regierungsrat Thomi Jourdan, boten eine Vielzahl an Denkanstössen.
Brigitte Keller
Als Erstes stellte Moderator Michael Sokoll bei der Podiumsdiskussion im Zentrum Ergolz die Frage, wie man einen Elefanten isst. Die Antwort folgte etwas später und sie lautete: Stück für Stück. Mit dem «Elefanten» hier sind die Herausforderungen gemeint, welche die demografische Entwicklung mit sich bringt. Im Jahr 2040 werden in der Schweiz fast doppelt so viele 90-Jährige leben wie heute. Und, um noch kurz beim Elefanten zu bleiben, er kommt auch in der Metapher «Der Elefant im Raum» vor. Dort steht er für etwas, das so gross und offensichtlich ist, dass man es eigentlich nicht ignorieren könnte, aber es dennoch vermieden wird.
Dass die angesprochenen Herausforderungen sich bereits auswirken, zeigte Stephan Kunz, Geschäftsführer des Zentrums Ergolz, auf eindrückliche Art und Weise in seiner Ansprache auf. Er zählte auf, welche Anfragen für dringliche Aufnahmen, 19 an der Zahl, alleine im Monat November eingegangen seien, in welchem das Zentrum mit seinen 107 Betten aber bereits zu 100 Prozent ausgelastet gewesen sei.
Etwas zurückgeben
Auch ihm würde die eingangs gestellte Frage Bauchweh verursachen, sagte Kunz. Gleichzeitig appellierte er aber daran, bei all den Diskussionen, die sich fast immer um die Finanzierung drehen, die betroffenen Menschen nicht aus dem Fokus zu verlieren. «Unseren Wohlstand verdanken wir dieser Generation.» Es sei Zeit, etwas davon zurückzugeben.
Mit der Frage nach der Faszination, im Gesundheitswesen tätig zu sein, richtete Moderator Sokoll das Wort an die Teilnehmenden des Podiums. Gesundheitsdirektor Thomi Jourdan gab zur Antwort, für ihn sei es die Komplexität. Diese könne man als etwas sehen, das einem die Energie gebe, gesellschaftlich vorwärts zu kommen. «Die Zeit, die einem mit so einem Amt geschenkt wird, muss man mit Vollgas nutzen, um möglichst vieles und Wertvolles zu schaffen.» Und dies, wie schon vorher beschrieben, Stück für Stück.
Prof. Dr. Regula Blaser, zuständig am Institut Alter der Berner Fachhochschule für Forschung und Lehre, findet besonders den Umstand spannend, dass die Menschen, wenn sie in diese Altersphase kommen, schon ein so langes Leben hinter sich haben und ihre ganz eigenen Lebensgeschichten mitbringen. Das Wort «Überalterung» hört und liest sie übrigens gar nicht gerne.
Christina Zweifel, Geschäftsführerin von Curaviva Schweiz, dem nationalen Branchenverband der Dienstleister für Menschen im Alter, fügte an, dass die demografische Entwicklung eine der grössten Errungenschaften der Menschheit sei. «Das Problem ist nicht, dass wir mehr ältere Menschen haben, sondern dass unser System nicht parat ist dafür.»
Die Komplexität des Themas wurde sehr schnell greifbar. Schon alleine die Frage, bei wem welche Zuständigkeit liegt oder liegen sollte, ist nicht einfach zu beantworten. Mit den Versorgungsregionen gebe es gar neben Bund, Kanton und Gemeinden eine vierte Ebene, bei der neu eine grosse Verantwortung liege, führte Jourdan aus.
Weitere Stichworte, die zur Sprache kamen, waren: Für noch nie dagewesene Herausforderungen braucht es neue Rezepte; voneinander lernen und zusammen schauen, wer am besten geeignet ist, und nicht jede Gemeinde muss das Rad neu erfinden; Case-Manager für Daheim, dort, wo sich die Leute am besten aufgehoben fühlen; ambulant vor stationär und auch «Hospital at Home», also die Spitalversorgung für zu Hause.
Die Zeit drängt
Das «Gärtli»-Denken hinter sich lassen, einfach mal etwas probieren und nicht zuletzt den Fachangestellten-Gesundheits-Beruf respektive die Fachangestellten Gesundheit zu stärken, dies waren weitere Punkte, die zur Sprache kamen und Antworten liefern sollen, wer die Leute in zehn Jahren betreuen soll. Vieles ist bereits angelaufen, anderes steht in den Startlöchern. Die «eine» Lösung gibt es sowieso nicht, man müsse an vielen Orten ansetzen.
«Eigentlich wüsste man es ja schon sehr lange, was mit der demografischen Entwicklung auf die Schweiz zukommt. Aber sich mit Dingen zu beschäftigen, die vermeintlich noch weit weg scheinen, liegt dem Menschen halt einfach nicht so», sagte an einer Stelle Regula Blaser. Mittlerweile aber drängt die Zeit und Lösungen müssen jetzt auf den Tisch. Daran liessen auch die regen Diskussionen, die beim offerierten Apéro noch lange weitergeführt wurden, keinen Zweifel.

